Ausgerechnet die Beziehungs-Skeptikerinnen Liv Moormann (Jasna Fritzi Bauer) und Linda Selb (Luise Wolfram) ermitteln im Bremer „Tatort: Stille Nacht“ in einer scheinbar heilen Familie. Was genau tut eigentlich die Seemannsmission - und kann man zu Weihnachten tatsächlich einen Matrosen einladen?
„TatortStille Nacht“
Mittlerweile hat es Tradition, dass im Dezember ein „Tatort“ läuft, der zur Weihnachtszeit spielt. Dass es darin hoffnungsvoll und versöhnlich zugeht, ist jedoch selten der Fall. Im letzten Jahr erzählte die Kölner Folge „Tatort: Des anderen Last“ von Ausbeutung und unmenschlichen Arbeitsbedingungen in der Paketboten-Branche.
Deutlich weihnachtlicher geht es nun in der Bremer Folge „Tatort: Stille Nacht“ zu, die immerhin an Heiligabend in einem romantisch weihnachtlichen Bauernhaus spielt. Inklusive diversem Familienidyll. Dass hier trotzdem ein Mord geschieht, ist nun mal dem Format geschuldet. Immerhin erfährt man: In der Seemannsmission lässt es sich an Weihnachten gut leben. Haben Sie die toughe, erfahrene Gerichtsmedizinerin erkannt?
Worum ging es?
Im weihnachtsromantischen Bauernhaus hat es an Heiligabend Hendrik Wilkens (Matthias Freihof), erwischt. Der - nun tote - Kapitän zur See lebte dort gemeinsam mit seinem Ehemann, dem Arzt Bjarne Wilkens (Rainer Sellien). Mit dabei unterm Tannenbaum waren: Hendriks erwachsene Kinder aus einer früheren Beziehung, Fabienne (Pia Barucki) und Marco (Robert Höller), sowie Marcos Frau Nahid (Rana Farahani) mit zwei Kleinkindern. Dazu hatten sich die netten Wilkens, eine Seefahrerfamilie durch und durch, einen weiteren Gast eingeladen.
Die Seemannsmission vermittelte ihnen den philippinischen Matrosen Andy (Jernih Agapito). Alle Menschen haben den netten Kapitän Wilkens geliebt, hieß es gegenüber den Ermittlerinnen Liv Moormann (Jasna Fritzi Bauer) und Linda Selb (Luise Wolfram). Und doch musste ihn eine Person aus dem Agatha Christie-haften Kreis der Verdächtigen ermordet haben.
Worum ging es wirklich?
Daniela Baumgärtl (“Tatort: National feminin“) und Kim Zimmermann (“Das Signal“) schrieben gemeinsam das Drehbuch zum Bremer Weihnachts-“Tatort“. Ein kleiner Treppenwitz des Plots ist, dass die beiden Ermittlerinnen - nicht zufällig schieben sie an Heiligabend Dienst - das Weihnachtsidyll ablehnen und generell mit Familie und engen Beziehungen so ihre Probleme haben.
Nun mussten sie in einem Haus ermitteln, in dem man auch einen romantisch-weihnachtlichen Wohlfühlfilm hätte drehen könnte. Weil sich in „Stille Nacht“ immer wieder Zeugen und Verdächtige im Wohnzimmer versammeln, hat der Krimi Bezüge zu „Whodunit“-Klassikern von Agatha Christie. Wer in der Familie könnte welches Motiv haben? Wie stabil sind die Alibis? Und wer macht hier wem etwas vor?
Was genau macht die Seemannsmission?
Das Leben von Seeleuten ist ohne Frage hart und von Einsamkeit geprägt. Oft ist man monatelang von der Familie oder Partnern getrennt und befindet sich - wenn nicht gerade auf hoher See - in der Fremde. Die Ursprünge der Seemannsmission liegen in der christlichen Seelsorge. Die erste Seemannsmission eröffnete 1828 in London. Die Deutsche Seemannsmission e.V. kümmert sich im Ausland um Seeleute an 17 Standorte in 15 Ländern. In Deutschland unterhält sie 16 Stationen in Städten wie Hamburg, Bremerhaven, Kiel, Lübeck, Rostock oder Emden.
Die Seemannsmission unterstützt Seeleute in vielerlei Hinsicht. Sie leistet Seelsorge und Beratung, leistet praktische Hilfe bei Problemen mit Behörden oder Gesundheitsversorgung: Und sie sorgt - wie im „Tatort“ zu sehen - auch für Freizeitvergnügen, zum Beispiel die Organisation einer Weihnachtsfeier im Seemannsheim. Die Seemannsmission lebt von Spenden, Mitgliedsbeiträgen sowie kirchlichen und öffentlichen Geldern.
Kann man einen Matrosen nach Hause einladen?
„Seeleute an Weihnachten in für sie fremde deutsche Familien zu holen, das gab es früher einmal. Es ist aber nichts, was heute noch gemacht wird“, sagt Stefanie Langos von der Deutschen Seemannsmission e. V. in Hamburg. Insofern ist die Idee des „Tatorts“, einen fremden Weihnachtsgast in eine Familie zu vermitteln, nicht besonders realistisch. Stattdessen wird der Heilige Abend meist an Bord im großen Stil gefeiert. „Auf den Schiffen ist Heiligabend richtig was los“, sagt Langos.
„Viele Köche bereiten ein Fünf-Gang-Menü für die Crew vor und sind mit den Planungen schon Tage vorher beschäftigt. Da können und wollen wir als Seemannsmission nicht mithalten“, erklärt Langos. „Wenn die Stimmung an Bord gut ist, gibt es für die Seeleute ehrlicherweise auch keinen Grund, Heiligabend bei der Seemansmission zu verbringen und auch keinen Grund für uns, sie dort wegzuholen.“
Was tun Matrosen an Weihnachten?
Was passiert an Heiligabend in den Bremer Häfen? Das Team der Bremer Seemannsmission bringt einen Tag vor Heiligabend Tannenbäume an Bord der Schiffe, verteilt Schokolade, wünscht fröhliche Weihnachten und verlässt den Hafen dann auch wieder. Am ersten und zweiten Weihnachtsfeiertag sind im Schnitt um die 20 Seeleute im Bremer Club. „Das ist wirklich überschaubar“, so Stefanie Langos.
„Es gibt kein Konkurrenz-Weihnachtsessen zu den Angeboten auf den Schiffen. In anderen Seemannsmissionen gibt es aber beispielsweise am ersten Weihnachtstag Gänsebraten, wie etwa in Emden. Unserer Erfahrung nach sind zu Weihnachten nicht viele Schiffe im Hafen“, führt sie weiter aus. „Hintergrund ist, dass damit auch Liegegebühren vermieden werden können. Deswegen liegen viele Schiffe über die Feiertage auf Reede. Das macht insofern Sinn, als am ersten und zweiten Weihnachtsfeiertag keine Ladung gelöscht wird.“
Haben Sie die Gerichtsmedizinerin erkannt?
Die selbstbewusste Rechtsmedizinerin Edda Bingley ist ein neues Gesicht beim Bremer „Tatort“. Selbst Zuschauer, welche die 80-er als Teenager oder Erwachsene erlebt haben, dürften die Schauspielerin hinter der Rolle nicht unbedingt erkannt haben. Es ist Helen Schneider (71), die ihren Part laut Radio Bremen auch in den kommenden „Tatort“-Folgen weiterführen soll.
Die New Yorker Vollblutmusikerin wurde 1978 durch einen Auftritt in der Fernsehsendung „Bio's Bahnhof“ bekannt. Sie tourte mit ihrem Fan-Freund Udo Lindenberg und avancierte in den frühen 80-ern zu einer der bekanntesten Rockstimmen hierzulande. Erfolge waren im Herbst 1981 der Top-10-Hit „Rock 'n' Roll Gypsy“ oder Alben wie „Schneider with the Kick“. In den späten 80-ern wechselte Schneider ins Musical- und Schauspielfach. Sie lebte ab 2007 in Berlin und seit 2018 in Hamburg.
Wie geht es beim Bremer „Tatort“ weiter?
Bis Mai 2024 liefen in Bremen die Dreharbeiten für den nächsten „Tatort“ mit Jasna Fritzi Bauer und Luise Wolfram, dessen Titel allerdings noch nicht feststeht. Die Kommissarinnen fahnden nach dem Mörder eines jungen Mannes (Jonathan Berlin), der tot am Weserstrand angespült wurde. Die Spur führt zu Rani Ewers (Via Jikeli). Eine Beziehung zwischen ihr und dem Toten scheiterte.
Daraufhin fühlten sich die alleinerziehende Mutter und deren Tochter Mia (Pola Friedrichs) vom Opfer bedroht. Das Drehbuch stammt von Judith Westermann, Regie führte Franziska Margarete Hoenisch. In der Folge gibt es auch ein Wiedersehen mit Liv Moormanns inhaftierter Schwester Marie (Luisa Böse), die in der Folge „Donuts“ eine Episoden-Hauptrolle spielte. (tsch)