Nach knapp drei Jahren ist die Ampelkoalition krachend gescheitert. Bei „Markus Lanz“ zogen mehrere Jungpolitiker ein erstes Resümee. Dabei verteidigte SPD-Politikerin Anna Kassautzki das Bürgergeld, kam bei den Nachfragen des ZDF-Moderators aber sichtlich aus dem Konzept.
„Wolkig“, „schwammig“Beim Thema Bürgergeld bringt Lanz SPD-Politikerin in Erklärungsnot
Am 23. Februar 2025 stehen in Deutschland Neuwahlen an. Grund genug, ein Resümee nach drei Jahren Ampel zu ziehen, aber gleichzeitig auch den Blick nach vorne zu richten. Bei „Markus Lanz“ debattierten deshalb am Donnerstagabend vier Jungpolitiker von SPD, FDP, Grünen und CDU leidenschaftlich über Themen, die die Gesellschaft bewegen und auch spalten. Darunter: das Bürgergeld und die Migration. Zunächst wollte Lanz jedoch von seinen Gästen wissen, wie sie ihre ersten drei Jahren im Bundestag hinter sich gebracht hätten.
FDP-Politiker Jens Teutrine antwortete ehrlich: „Das war eine sehr herausfordernde Zeit auf jeden Fall. Typische Politiker-Antwort!“ Teutrine fügte hinzu, dass er zu Beginn noch Hoffnung hatte, denn: „Wir wollten den Stillstand, den es auch gab, aufräumen. Es gab so ein bisschen einen Aufbruch.“ Mit Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine habe sich die Lage jedoch stark verändert.
Grund genug für Lanz, nachzuhaken: „Wie froh sind Sie, dass es endlich Neuwahlen gibt?“ SPD-Politikerin Anna Kassautzki erklärte überraschend, dass sie es gut finde, dass Olaf Scholz jetzt die Vertrauensfrage stelle und „wir schnell irgendwie auch eine Klarheit haben: Wie geht's weiter?“ Dennoch merkte sie an, dass sie nach dem Scheitern der Ampel gemischte Gefühle habe, denn: „Wir haben in den letzten drei Jahren tatsächlich wahnsinnig viel geschafft auch in der Ampel. Das ist in der Öffentlichkeit nicht immer angekommen, weil alles von dem Streit überlagert wurde.“
Anna Kassautzki plädiert für „mehr Investitionen auch in unsere Wirtschaft“
Markus Lanz wollte dies nicht unkommentiert lassen und hakte nach: „Sie finden wirklich ernsthaft, dass die Ampel in diesen drei Jahren richtig viel erreicht hat?“ Anna Kassautzki nickte selbstbewusst und nannte unter anderem „zwölf Euro Mindestlohn“ als Beispiel für den Erfolg der Ampel. „Das ist etwas, da muss man sich nicht für verstecken“, bekannte die SPD-Politikerin. Der ZDF-Moderator konterte fassungslos, dass dies jedoch „komplett dem Lebensgefühl von ungefähr 80 Millionen da draußen“ widerspreche. Kassautzki gab daraufhin zwar zu, dass sie die Unzufriedenheit vieler Bürger „vollkommen nachvollziehen“ könne, dennoch erklärte sie, dass ein Grund dafür die „vielen Krisen“ seien, „die in den letzten drei Jahren“ die Politik maßgeblich beeinflusst hätten.
Darauf konterte Lanz wütend: „Das ist jetzt wieder die typische Floskel! Die Krisen hatten die anderen ja auch - alle. (...) Aber die haben alle Wachstum und wir nicht!“ Den Vorwurf wollte sich Anna Kassautzki nicht so einfach gefallen lassen. Stattdessen stellte sie klar: „Was die alle haben, ist eine andere Schuldenregel, als wir es in Deutschland haben. Was wir jetzt in den Zeiten bräuchten, wären mehr Investitionen auch in unsere Wirtschaft, um das Ganze wieder anzukurbeln.“ Lanz hakte irritiert nach: „Sie sagen sozusagen: Wenn die Schuldenbremse fällt, dann kommt das Paradies?“ Kassautzki reagierte genervt: „Nein, das sage ich nicht!“ Für das Paradies müsse man laut der Jungpolitikerin natürlich „etwas tun“.
FDP-Mann entgegnet Aussage von SPD-Kollegin mit Entsetzen
Lanz sprach daraufhin das Thema Bürgergeld an, woraufhin Kassautzki erklärte: „Es ist wichtig, dass Menschen, die arbeiten, immer mehr bekommen. Dafür haben wir auch mit gesorgt.“ Leistung und Arbeit müsse sich laut der SPD-Politikerin „immer“ lohnen. Deshalb forderte sie im Gespräch mit Lanz, den Mindestlohn auf 15 Euro hochzusetzen. „Und wenn der kleine Lebensmittelhändler sagt, 'Das kann ich nicht bezahlen', dann würden Sie sagen: 'Dann musst du eben die Preise nach oben schrauben?'“, wollte der ZDF-Moderator wissen.
Eine Frage, die die Jungpolitikerin sichtlich aus dem Konzept brachte. Kassautzki antwortete: „Wenn die Menschen mehr verdienen, dann haben sie (...) auch mehr Geld, das sie ausgeben können.“ Sie ergänzte schwammig: „Wir müssen gucken, wo können wir Anreize schaffen, wo können wir auch die Wirtschaft entlasten an anderer Stelle.“ Ein Ansatz, der Markus Lanz weiter irritierte. Er wollte wissen: „Wo entlasten Sie die dann?“ Anna Kassautzki wurde plötzlich nervös und sagte: „Wenn Unternehmen sagen, wir investieren hier in Deutschland, (...) wären wir auch als SPD bereit, da über steuerliche Anreize (...) zu sprechen.“
Als Lanz die Antwort als „wolkig“ und „schwammig“ abtat, versuchte sich die SPD-Politikerin zu retten, indem sie sagte, dass es „unterschiedliche Konzepte“ gebe, „die man fahren“ könne. Sicher zeigte sich Kassautzki jedoch nur in der Aussage, dass die Schuldenbremse „nicht die Antwort“ auf die Probleme sei. FDP-Politiker Jens Teutrine reagierte entsetzt: „Die Wirtschaft finanziert den Staat, nicht der Staat die Wirtschaft!“
Grünen-Politikerin Merle Spellerberg: „Arbeit lohnt sich“
Lanz wollte daraufhin erneut wissen: „War das Bürgereld ein Fehler?“ Eine Frage, auf die Merle Spellerberg mit einem deutlichen „Das war keinesfalls ein Fehler“ reagierte. Laut der Grünen-Politikerin gehe es beim Bürgergeld vor allem um „ein Existenzminimum“ und „dass kein Mensch in Armut verfällt“. Spellerberg ergänzte: „Wenn dann immer wieder angedeutet wird, dass Arbeit sich nicht lohnen würde, muss man auch mal sagen: Das stimmt so nicht! Arbeit lohnt sich! (...) Denn wer arbeitet, bekommt mehr Geld als beim Bürgergeld.“
Lanz konterte skeptisch: „Glauben Sie wirklich, was Sie sagen, wenn Sie sagen, da gibt es kein Gefühl von Ungerechtigkeit bei den Leuten?“ Als die Grünen-Politikerin davor warnte, Menschen gegeneinander auszuspielen, reagierte Jens Teutrine erneut verärgert. Laut des FDP-Mannes gebe es im Sozialstaat viele Leute, „die die Solidarität ausnutzen. Und das macht etwas mit Menschen, weil das ein Ungerechtigkeitsempfinden ist.“ Dies sei laut Teutrine am Ende auch der Grund, weswegen es „Verdruss gegen alle politischen Parteien der Mitte“ gebe. (tsch)