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ZDF-Doku beklagt Transferwahnsinn bei Fußballtalenten„Jeder Spieler ist eine Aktie“

Lesezeit 3 Minuten
Lazar Samardžić wechselte im Sommer von Udinese Calcio zu Europa-League-Sieger Atalanta Bergamo. (Bild: Getty Images / Alessandro Sabattini)

Lazar Samardžić wechselte im Sommer von Udinese Calcio zu Europa-League-Sieger Atalanta Bergamo. (Bild: Getty Images / Alessandro Sabattini)

Spekulationsobjekt statt Mensch: Der Transferirrsinn im Fußballgeschäft macht schon längst nicht mehr von Talenten Halt. Profi Lazar Samardžić ist nur einer von diversen Gesprächspartnern, die in einer ZDF-Doku dazu Stellung beziehen.

250 Millionen - eine Viertelmilliarde Euro: So viel Geld wurde dem FC Barcelona laut Präsident Joan Laporta für den Flügelstürmer Lamine Yamal geboten. Der ist nicht etwa zweifacher Weltfußballer, sondern mit gerade einmal 17 Jahren der Hoffnungsträger der „Blaugrana“ und der spanischen Nationalmannschaft.

Die schier unfassbare Summe zeigt nicht nur, welche Gelder im Fußball zirkulieren, sondern auch dass der Transferwahnsinn längst nicht mehr vor dem jungen Alter der Spieler stoppt. „Jeder Spieler ist eine Aktie“, umschreibt es Lazar Samardžić im ZDF-Film „Kicker als Ware - Das Geschäft mit dem Fußballnachwuchs“ (ab sofort in der ZDFmediathek).

Der 22-Jährige muss es wissen. Mit sieben Jahren kickte er bereits bei Hertha BSC, mit 18 ging's zu Trainer Julian Nagelsmann nach Leipzig, dann weiter nach Italien zu Udinese Calcio und im Sommer 2024 zu Atalanta Bergamo. „Mental gut sein“, das sei für ihn das Wichtigste, so der Mittelfeldmann, auch in Phasen wie in Leipzig, in denen er wenig spielte. Auch wenn er sich seines Marktwerts bewusst ist, will er mit Geld nichts zu tun haben. „Ich bin nur fokussiert auf Fußball“, versichert Samardžić, der finanzielle Dinge und Gespräche mit anderen Vereinen vollständig seinem Vater überlässt.

Fußballer-Vater urteilt über Fußballbranche: „Viele gucken einfach mathematisch“

Pablo Thiam leitete einst unter anderem den Nachwuchsbereich des VfL Wolfsburg. Auch er kommt in der ZDF-Doku zu Wort. (Bild: Getty Images / Ronny Hartmann)

Pablo Thiam leitete einst unter anderem den Nachwuchsbereich des VfL Wolfsburg. Auch er kommt in der ZDF-Doku zu Wort. (Bild: Getty Images / Ronny Hartmann)

„Dass man Geld in den Vordergrund stellt und nicht den Spieler, das war für mich auch sehr schwierig zu verstehen“, klagt die Mutter des Fußballers in der 45-minütigen Dokumentation. Vater Mladen bestätigt, dass oft nur das Geld, nicht der Mensch hinter dem Spieler wahrgenommen werde: „Viele machen es nicht, weil die gucken einfach mathematisch.“ Ein wohl lukrativer Transfer zum italienischen Branchenprimus Inter Mailand platzte im Sommer 2023. „Es waren zu viele Menschen im Boot. Jeder wollte ein bisschen was verdienen. Die Leute kenne ich nicht mal alle bis heute“, verrät der 22-Jährige.

Dieser Hunger nach Geld steht exemplarisch für den Betrieb in der Fußballbranche, wenn es nach Julia Porath geht. Sie arbeitete lange in Jugendinternaten deutscher Profiklubs und gibt heute Seminare für Trainer. Die werden bei ihr geschult im richtigen Umgang mit Talenten. Bei den hohen Geldströmen geschehe es laut Porath „zwangsläufig, dass ein Spieler dann als Ware gesehen wird“.

Ex-Profi Pablo Thiam kommt in ZDF-Doku zu Wort

Vager drückt sich Pablo Thiam, Ex-Profi und einst Nachwuchsleiter bei Hertha BSC und dem VfL Wolfsburg, aus: „Wo viel Geld verdient werden kann, lassen sich Leute alles Mögliche einfallen.“ Was er genau meint, führt Thiam im Film von Steven Melzer und Udo Ludwig nicht aus. Das ist schade, denn wirkliche Interna oder kritischere Betrachtungen über die nüchterne Bestandsaufnahme hinaus, Fußball funktioniere eben wie die Marktwirtschaft, bietet die 45-minütige ZDF-Dokumentation nicht.

Dass das marktradikale Prinzip mitunter absurde Knospen treibt, streift der Film nur am Rande. Zwar kommen Talentscouts und NLZ-Angestellte zu Wort, ihre Aussagen sind allerdings recht beliebig. Spannend wären deren Ansichten zu Transfers in den U-Mannschaften gewesen, zu aggressiven Abwerbeversuchen von jungen Talenten oder zu absurd anmutenden Transfers wie dem von Cavan Sullivan.

Sullivan machte als jüngster MLS-Debütant aller Zeiten - im Alter von 14 Jahren und 293 Tagen - im Juli 2024 Schlagzeilen. Danach wurde der Teenager von Manchester City verpflichtet, allerdings erst ab 2027 und für eine kolportierte Millionensumme. (tsch)