Hunderte Joints glühen und über dem Berliner Platz liegen süßlich riechende, dichte Rauchschwaden. Was die Kiffer beim „Smoke In“ zu erzählen hatten.
Rauschschwaden am Brandenburger TorSo lief das erste legale „Smoke In“ der Hauptstadt
Zehn Sekunden vor Mitternacht beginnen die Menschen auf dem Platz des 18. März einen Countdown runterzuzählen. Für viele, die hier am Brandenburger Tor zusammengekommen sind, fühlt es sich um Mitternacht nicht nur wie ein neuer Tag, sondern wie ein neues Zeitalter an. Seit gerade eben, seit diesem 1. April dürfen sie legal kiffen – und viele von ihnen genießen diese neue Freiheit augenblicklich. Dutzende Wunderkerzen glitzern, hunderte Joints glühen und über dem Platz liegen süßlich riechende, dichte Rauchschwaden. Rund 1500 Menschen haben sich hier laut Polizeiangaben versammelt.
„Dass das möglich wäre, hätte ich sogar letzte Woche nicht gedacht“, sagt ein junger Mann, der sich als Maximilian vorstellt und seine Nebenleute freudig umarmt. In der Gesellschaft werde die Cannabislegalisierung für einige Entspannung sorgen, glaubt er. „Kifferinnen und Kiffer sind endlich keine Kriminellen mehr, sondern einfach normale Mitbürger“, freut er sich.
Auch Georg Wurth ist voller Freude. Der 52-Jährige ist Geschäftsführer des Deutschen Hanfverbands. Die Legalisierungs-Lobbyorganisation hatte zum „Smoke In“ am Brandenburger Tor eingeladen. „Wir haben einen riesigen Meilenstein erreicht“, sagt er. „Ich empfinde das als Friedensangebot des Staates an harmlose Menschen. Es gab in den letzten fünf Jahren ungefähr 180.000 Strafverfahren pro Jahr gegen Cannabiskonsumenten – nicht gegen Dealer“, sagt Wurth. Diese Massenverfolgung sei nun vorbei.
„Ende der 90er war ich das erste Mal auf einer Cannabisdemo und seitdem immer wieder. Ich habe dabei glaube ich kein einziges Mal Cannabis in dabeigehabt. Heute schon, man muss sich nicht mehr fürchten, wenn man die Polizei sieht und ein paar Blüten in der Tasche hat“, sagt der sichtlich glückliche Wurth.
Unter den Augen entspannter Polizistinnen und Polizisten tanzen die Legalisierungsbefürworter und Cannabiskonsumenten unterdessen zu dem Lied „Could you be loved“ von Bob Marley durch die Rauchschwaden. Am Rand des Platzes bietet ein junger Mann kostenlose THC-Tests an. Mit einem kleinen Gerät misst er den THC-Gehalt mitgebrachter Cannabisblüten. 19 Prozent des berauschenden Wirkstoffs misst er im Cannabis einer jungen Frau, mit 22 Prozent THC-Gehalt war das Cannabis des Mannes davor noch etwas potenter.
Auch wenn sich Hanfverbandschef Georg Wurth in dieser Nacht vor allem freut, vollkommen zufrieden mit dem neuen Cannabisgesetz ist er nicht. „Da steht viel Unsinn drin, viel unnötig Repressives und Bürokratisches“, sagt er.
Das Gesetz erlaubt Erwachsenen das Mitführen von bis zu 25 Gramm Cannabis. Zuhause dürfen bis zu 50 Gramm aufbewahrt werden. Außerdem dürfen bis zu drei Cannabispflanzen pro Person angebaut werden. Ab Juli können dann auch Cannabis-Social-Clubs mit dem Anbau beginnen. Diese Clubs dürfen den Ertrag ihrer Pflanzen dann an ihre maximal 500 Mitglieder abgeben. Es handelt sich dabei um Anbauvereine, nicht um kommerzielle Betriebe. Die private Weitergabe von Cannabis auch im Freundeskreis bleibt verboten. Zu einem späteren Zeitpunkt sollen laut Wunsch der Ampelkoalition Modellprojekte für eine kontrollierte Cannabisabgabe in Fachgeschäften hinzukommen.
Striktes Werbeverbot und Jugendschutz
Der Drogen- und Suchtbeauftragte der Bundesregierung, Burkhard Blienert (SPD), forderte die Koalition auf, diese „zweite Säule“ der Legalisierung auch tatsächlich zu beschließen. „Mit dem ersten Schritt schaffen wir erst einmal nur Verbesserungen für regelmäßige Konsumierende. Jetzt ist aber unbedingt notwendig, die Sache rund zu machen und die Modellprojekte als zweite Säule zu beschließen“, sagte Blienert dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Erst damit sorgen wir dafür, dass auch Gelegenheitskonsumierende nicht mehr zum Dealer gehen müssen“, betonte er. Wichtig sei, dass es beim Verkauf in staatlich lizensierten Geschäften ein striktes Werbeverbot gebe und der Jugendschutz eingehalten werde.
Blienert sagte, die Legalisierung des Eigenkonsums für Erwachsene sei ein erster Schritt auf dem Weg in eine neue Sucht- und Drogenpolitik. „Das besiegelt das lange überfällige Aus einer viel zu lange praktizierten pauschalen Cannabis-Verbotspolitik“, betonte der SPD-Politiker. Trotz des strikten Verbots hätten in Deutschland immer mehr Erwachsene und auch immer mehr Jugendliche gekifft, stellte Blienert fest. Deshalb sei ein Umdenken dringend nötig gewesen.
„Mit unserem Paradigmenwechsel in der Sucht- und Drogenpolitik rücken endlich die Menschen, die wirklich Hilfe brauchen, mehr in den Blick und werden nicht mehr pauschal kriminalisiert und stigmatisiert“, erklärte er. Der von der Ampelkoalition eingeschlagene Weg sorge insgesamt für mehr Gesundheitsschutz von Konsumierenden, für ein Zurückdrängen des Schwarzmarktes und führe zugleich zu einer Stärkung des Jugendschutzes, weil wichtige Präventionsangebote ausgebaut würden. Blienert mahnte zugleich: „Nicht alles, was erlaubt ist, ist auch gesund. Deshalb gehören Drogen nicht in die Hände von Kindern und Jugendlichen.“