Robert de Niro im Interview„Soll ich etwa in Rente gehen?“
Köln – Ein Interview mit Robert de Niro lief früher oft so, als wollte man Blut aus einem Stein pressen. Er war zwar freundlich und höflich, aber auch wortkarg und verschlossen. Nicht so beim diesem Interview im Crosby Hotel in New York. In seiner Heimatstadt („Ich gehe nur nach L.A., wenn ich dafür bezahlt werde.“) sprach er gut gelaunt über den neuen Film „Man lernt nie aus“, über Anne Hathaway und was ihm sonst im Leben wichtig ist.
Mr. De Niro, Sie haben Ihre Filmpartnerin Anne Hathaway am meisten damit überrascht, dass Sie ein Klapphandy haben.
Ja, das hat sie schwer beeindruckt. Wahrscheinlich hat sie mir das nicht zugetraut.
Tun Sie sich mit neuen Technologien etwa schwer?
Nein, ich habe einen Computer, ich kann E-Mails schreiben, habe ein iPhone und kann auch simsen. Allerdings telefoniere ich nach wie vor viel lieber. Ich schätze Telefongespräche nämlich sehr. Im Gegensatz zu meinen Kindern und Enkeln: Die simsen nur noch die ganze Zeit. Wenn ich mal simse, dann nur um zu fragen: „Wann können wir telefonieren?“ Oder: „Wann können wir uns treffen?“
„Vielleicht startet der Film ja einen neuen Trend“
In Ihrem neuen Film „Man lernt nie aus“ zeigt man Ihnen, wie Facebook funktioniert…
Das wusste ich schon vorher. Allerdings halte ich privat nichts von Facebook oder Twitter und dergleichen. Dafür hätte ich auch gar keine Zeit. Natürlich sehe ich die Vorteile dieser neuen Medien. Sie sind sehr schnell und effektiv. Und gerade die jüngeren Leute sind darin sehr versiert. Wenn ich mal Probleme mit meinem Computer habe, dann wende ich mich an meinen Sohn und – klick-klick-klick-klick – läuft das Ding wieder wie geschmiert. Ich habe keine Ahnung, wie er das macht.
In „Man lernt nie aus“ spielen Sie einen 70-jährigen Praktikanten, der eine 30-jährige Unternehmerin als Boss hat. Wie realistisch ist das im wirklichen Leben?
Leider ist das sehr unwahrscheinlich. Aber vielleicht startet der Film damit ja einen neuen Trend. Vor allem bei uns in den USA werden ältere Menschen schnell aus dem Arbeitsprozess aussortiert und zum alten Eisen geworfen. Es grassiert in fast allen Bereichen ein furchtbarer Jugendwahn. Ich finde das ziemlich schändlich.
„Erfahrung wird nie alt“ – ist das eine der Botschaften des Films?
Ja, und dahinter stehe ich voll und ganz. Es ist doch auch ökonomisch gesehen ziemlich dumm, auf das Know-how älterer Menschen zu verzichten.
„Die Dreharbeiten waren nach meinem Geschmack“
Robert de Niro, 72, zählt seit mehr als 40 Jahren zu den führenden Charakterdarstellern des amerikanischen Films. In „Der Pate 2“ verkörperte er Don Vito Corleone – jene Rolle, die im ersten Teil Marlon Brando gespielt hatte. Dafür gewann de Niro 1975 einen Oscar als bester Nebendarsteller.
Mafiabosse blieben eine Spezialität des Italo-Amerikaners, so etwa in „Goodfellas“ und „Casino“ . In „Reine Nervensache“ veralberte er das Genre und spielte einen Verbrecher, der unter Panikattacken leidet und einen Psychiater braucht. Für seine Darstellung des Boxers Jake LaMotta in „Wie ein Wilder Stier“ gewann de Niro 1981 den Oscar als bester Hauptdarsteller. Regie führte Martin Scorsese, zusammen drehten sie unter anderem auch „Taxi Driver“ und „Kap der Angst“. Robert de Niros neuer Film „Man lernt nie aus“ ist am Donnerstag angelaufen.
Seit 1997 ist de Niro mit dem ehemaligen Model Grace Hightower (60) verheiratet. Das Paar hat zwei Kinder, das jüngere wurde 2011 von einer Leihmutter ausgetragen. Aus zwei früheren Beziehungen hat der Schauspieler drei erwachsene Söhne. (ksta)
Sie spielen Ben, der mit seinen sehr viel jüngeren Arbeitskollegen respektvoll, ja sensibel umgeht. Wie viel Ben steckt in Robert de Niro?
Sie werden lachen – ziemlich viel. Als Schauspieler versuche ich natürlich bei jeder Rolle etwas in mir zu finden, auf das ich dann die Figur aufbauen kann. Und diesmal musste ich nicht lange suchen. Mir ist es auch sehr wichtig mit meinen Mitmenschen freundlich und respektvoll umzugehen.
Sind Sie ein guter Ratgeber?
Ich hoffe doch. Allerdings dränge ich mich niemanden auf. Aber wenn ich gefragt werde, gebe ich gerne mein Wissen weiter. Immerhin habe ich ja schon ein paar Filme gemacht. Wenn ich zum Beispiel beim Drehen sehe, dass das Licht ungünstig gesetzt wird oder sich die Kamera in die falsche Richtung bewegt, dann frage ich schon, ob das so richtig ist. Auf der anderen Seite lasse ich mir natürlich auch gerne etwas sagen. So wie es unsere Regisseurin Nancy Meyers getan hat. Die Dreharbeiten zu „Man lernt nie aus“ waren sehr nach meinem Geschmack.
Was bedeutet das genau?
Zum einen hatten wir Zeit. Ich habe 15 Wochen lang gedreht. Das ist heutzutage ein echter Luxus. Nancy hat ihre Sache als Regisseurin sehr genau genommen. Da wurden Takes, wenn es sein musste, auch fünfzehn mal wiederholt. Als ich zum Beispiel zwei Worte verdrehte, sagte sie zu mir: „Bob, du musst es richtig sagen, denn sonst killst du den Gag“. So etwas liebe ich. Und diese Präzision sieht man dem Film auch an.
Welcher Rat, war der wichtigste den Sie je bekommen haben?
Ich habe im Laufe meiner gut 50-jährigen Karriere viele gute Ratschläge bekommen, die mir allerdings zum einen Ohr hinein und zum anderen gleich wieder hinaus sind. Das aber habe ich von meinem Vater gelernt. Er ist sich sein Leben lang treu geblieben und hat sich nie korrumpieren lassen. Und das war in seinem Beruf als Kunstmaler alles andere als einfach. Diese Sehnsucht nach Integrität hat er mir wohl vererbt. Dafür bin ich ihm unendlich dankbar.
Lesen sie im nächsten Abschnitt, was De Niro über seine Kollegen Anne Hathaway, Leonardo Di Caprio und Martin Scorsese sagt
„Ich würde gerne noch einmal einen Film mit Leo machen“
Ihre Filmpartnerin Anne Hathaway schwärmt von Ihnen als einem großzügigen, hilfsbereiten Kollege ohne Allüren. Was können Sie über Anne Hathaway sagen?
Anne ist eine fantastisch gute Schauspielerin, die für die Rolle sehr hart gearbeitet hat. Sie war immer bestens vorbereitet und es war eine große Freude mit ihr vor der Kamera zu stehen. Und außerdem kann sie noch ganz wunderbar singen und tanzen. Etwas, das ich nie könnte.
Für viele Schauspieler sind Sie das große Vorbild…
Nun ja – aber jeder Schauspieler sollte so schnell wie möglich seinen eigenen Weg finden. Auch mich haben Schauspieler wie Marlon Brando, James Dean oder Montgomery Clift am Beginn meiner Karriere beeinflusst. Immerhin haben sie die Schauspielerei für immer verändert. Aber mir war schnell klar, dass ich sie um Himmels Willen nie kopieren durfte. Ich habe dann bald meinen eigenen Stil gefunden.
Sehen Sie Schauspieler wie Leonardo DiCaprio oder Matt Damon als Ihre Nachfolger?
Ich würde mir nicht anmaßen, so zu denken. Aber natürlich habe ich ihnen auch schon mal den ein oder anderen Ratschlag gegeben. Und die beiden sind auf jeden Fall sehr ambitionierte und talentierte Schauspieler, die ihren Beruf sehr, sehr ernst nehmen, was mir ausgesprochen gut gefällt. Ich würde gerne noch einmal einen Film mit Leo machen. Als wir vor über 20 Jahren „This Boys Life“ gemacht haben, war er ja noch sehr jung.
Stimmt es, dass Sie nach langen Zeit wieder mit Martin Scorsese einen Film machen werden?
Ja, endlich. Darauf freue ich mich schon sehr. Der Film heißt „The Irishman“. Wir bereiten ihn gerade vor. Allerdings wird es noch gut anderthalb Jahre dauern bis wir mit dem drehen beginnen.
Ist er immer noch Ihr Lieblingsregisseur?
Marty und ich sind vor allem Freunde. Und daran hat sich auch in all den Jahren nichts geändert, in denen wir keinen Film zusammen gemacht haben. Zwischen Marty und mir stimmt die Chemie einfach hundertprozentig. Und das liegt sicher nicht nur daran, dass wir beide mit Leib und Seele New Yorker und in Little Italy aufgewachsen sind. Unsere Kindheit hat sich überwiegend zwischen der Mulberry Street, der Elizabeth Street und der Mott Street abgespielt.
Kennengelernt haben wir uns allerdings erst als erwachsene Männer. Ich habe mit Marty mittlerweile acht Filme gemacht und kann immer noch nicht erklären, was zwischen uns so besonders ist. Wir sind zwei Seiten derselben Münze.
Warum hat es dann so lange bis zum nächsten Filmprojekt gedauert?
Keine Ahnung.
„Golf spielen? Kreuzworträtsel lösen? Nein, danke“
Trauern Sie manchmal der Zeit nach, in der Filme wie „Taxi Driver“, „Der Pate“, „Wie ein wilder Stier“ und „Es war einmal in Amerika“ eine große kulturelle Relevanz hatten?
Nein. Sicher, es war eine sehr schöne und aufregende Zeit, damals. Aber ich lebe in der Gegenwart. Natürlich weiß ich, dass ich als Schauspieler großes Glück hatte. Ich konnte von Anfang an in Filmen mitspielen, die ich sehr mochte. Regisseure wie Brian De Palma, Francis Ford Coppola und natürlich Martin Scorsese haben mich bei meiner Entwicklung konsequent gefördert. So etwas kann man nicht mit Geld bezahlen. Und vor allem diese Filmemacher – und noch ein paar wenig andere – haben mir ermöglicht, die Schauspielerei zu lieben.
Ist das der Grund, warum Sie immer noch einen Film nach dem anderen machen?
Natürlich, was dachten Sie denn? Soll ich etwa in Rente gehen? Ich hoffe doch, dass ich noch ein paar Filme in mir habe. Was sollte ich denn sonst den ganzen Tag lang machen? Golf spielen? Kreuzworträtsel lösen? Nein, danke.
Wie wäre es mit Chinesisch lernen? In „Man lernt nie aus“ sprechen Sie einen Satz auf Mandarin…
Den ich leider nicht mehr wiederholen kann. Chinesisch ist sehr schwer zu erlernen. Obwohl meine Enkel schon versucht haben, mir etwas beizubringen. Sie können nämlich „Happy Birthday“ auf Chinesisch singen. Das haben sie in der Schule gelernt.
Es fällt angenehm auf, dass Sie nicht mehr so verschlossen im Interview sind wie früher. Woran, glauben Sie, liegt das?
Vielleicht sehe ich die Dinge in den letzten Jahren tatsächlich etwas entspannter. Allerdings passe ich auch heute noch auf, was ich im Interview sage. Denn ich will eben nichts Falsches sagen, das ich im Nachhinein etwa bereuen müsste. Ich antworte auf alle Fragen auch immer so ehrlich, wie ich nur kann. Aber manchmal habe ich eben auch keine Antwort. Und dann gibt es Dinge, die sind mir einfach zu privat, als dass ich sie im Interview ausbreiten würde. Das ist mir dann zu persönlich. Das ist aber nicht gegen Sie als Journalisten gerichtet, sondern dient eher dem Selbstschutz.
Sie sind mittlerweile über 50 Jahre im Filmbusiness tätig. In dieser Zeit hat sich viel verändert. Was vermissen Sie am meisten?
Sicher hat sich viel verändert, im Filmbusiness, in meinem Leben oder in der Stadt New York, wo ich geboren und aufgewachsen bin und immer noch lebe. Es gibt hier Stadtviertel, die erkenne ich kaum noch wieder. Aber so ist das Leben – es verändert sich ständig.
Haben Sie eigentlich vor den Dreharbeiten ein Praktikum in einer Online-Mode-Firma gemacht?
(lacht) Nein, das war nicht nötig. Ich konnte auch sonst sehr viel in meine Rolle einbringen. Stichwort: Lebenserfahrung.
50 Dollar für „The Wedding Party“
Waren Sie im wirklichen Leben jemals Lehrling oder Praktikant?
Ich war Schauspielschüler… Aber ich erinnere mich noch gut an mein erstes selbst verdientes Geld. Das habe ich vor über 50 Jahren für den Film „The Wedding Party“ von Brian de Palma bekommen. Es waren genau 50 Dollar. Den Scheck musste ich mir sogar noch von meiner Mutter quittieren lassen, denn mit 19 galt ich damals noch als minderjährig. Ich dachte übrigens, dass es 50 Dollar pro Woche wären. Aber meine Mutter sagte: „Nein, das ist die Gage für den ganzen Film!“
Schenken Sie uns doch zum Schluss noch eine Lebensweisheit.
Es hilft, wenn man über sich selbst lachen kann und sich nicht so ernst nimmt. Und wenn ich mir etwas wünschen dürfte, dann dass ich noch sehr lange gesund und munter bleibe – den Kindern zuliebe.
Das Gespräch führte Ulrich Lössl