Sinnfrage an Claus D. Clausnitzer„Darf man dem Tod ins Gesicht lachen, Herr Clausnitzer?“

Schauspieler Claus D. Clausnitzer
Copyright: Privat Lizenz
Herr Clausnitzer, Erwin Ingensiep, den Sie in der Reihe „Meuchelbeck“ spielen, spricht mit einer Puppe auf seiner Schulter, die für ihn seine verstorbene Frau symbolisiert. Müssen Sie über so etwas laut lachen oder rührt Sie das, wenn jemand so mit Trauer umgeht?
Clausnitzer: Ich finde das zumindest nicht absonderlich. Manche haben ein Bild, andere einen Gegenstand, mit dem sie sprechen, wenn die Erinnerungen hochkommen. Nur, dass Erwin das so offen zur Schau trägt, allen zeigt: Hilde ist noch da – das ist übersteigert.
Ist es schwierig, als Schauspieler jemanden nicht lächerlich zu machen, aber das Bizarre an seinem Verhalten herauszustellen?
Clausnitzer: Es ist eine Aufgabe. Ich habe Leute beobachtet, die mit ihren Hunden sprechen, das tun ja viele. Und in meinen Erinnerungen geforscht: Ich hatte mal eine Katze, und die Katze und ich hatten ein sehr enges Verhältnis. Mit der konnte ich mich auch unterhalten. Sie merkte sofort, wenn die Stimmung schlecht war in der Familie, dann ist sie die Wände hochgekraxelt. Da gibt es schon Verbindungen, die wir uns nicht ganz erklären können. Das soll im Erwin angelegt sein, dass da ein Geheimnis ist.
Und dadurch, dass man es ernst nimmt, wirkt es nicht lächerlich?
Clausnitzer: Genau. Ich bin überzeugt: Wenn Menschen an Verstorbene denken, passiert etwas mit ihnen. Da kann man sagen: Das bildest du dir ein – ja, aber warum bilde ich mir das ein? Warum macht das Hirn das? Das ist das Geheimnis.
Privat
Claus Dieter Clausnitzer wurde 1939 in Saarbrücken geboren. Er lebt in Dortmund.
Karriere
Er spielte an zahlreichen Theatern und im Theaterlabor George Tabori. Bis 2010 gehörte er zum Ensemble des Schauspiels Dortmund, das ihn 2007 zum Kammerschauspieler ernannte. Er war Sketchpartner von Loriot, seit 2002 ist er „Vaddern“ Thiel im „Tatort“ Münster. Zudem spielt er in „Knallerfrauen“ (Sat 1) und „Rote Rosen“ (ARD).
Aktuell
Ab 24.8 ist er in der sechsteiligen Serie „Meuchelbeck“ um ein fiktives Niederrhein-Dorf zu sehen (20.15 Uhr, WDR) .
„Meuchelbeck“ lebt, wie der „Tatort“ aus Münster, von schwarzem Humor. Darf man dem Tod ins Gesicht lachen?
Clausnitzer: Man kann nicht anders. Natürlich hat der Mensch Angst vor dem Tod. Aber wenn man pausenlos daran denkt, ist man gar nicht mehr richtig am Leben. Dann ist man schon halbtot. Selbst in den Konzentrationslagern haben sich die Menschen Witze erzählt – weil die Grausamkeit nicht anders auszuhalten war. Ich habe bei George Tabori in „Mein Kampf“ gespielt. Schlomo Herzl, die Hauptfigur, versucht, der Situation mit Humor beizukommen – und das funktioniert. Das Stück ist kein Trauerspiel, sondern eine Farce, und die lebt vom Humor.
Könnte man nicht vermuten: Wer am lautesten lacht, hat die größte Angst?
Clausnitzer: Da ist was Wahres dran. Aber was soll man machen? Dass man sich ab und zu vor Augen führt, dass das Leben endlich ist, ist aber nicht schlecht. Ich stelle mir dann einen Meterstab vor, mit hundert Zentimetern. Und denke mir: Oh, da bist du schon ganz schön weit! Das ist aber nicht zum Erschrecken, sondern zum Nachdenken. Über den Tod nachzudenken, ist ja vernünftig. Nur zu große Angst zu haben bringt nichts. Dagegen hilft der Humor.
Das Ende ist das eine, das Älterwerden und seine Begleiterscheinungen das andere…
Clausnitzer: Natürlich hat man seine Zipperlein. Ich hatte als Kind einen Unfall, ich habe mir an einer Scherbe die Sehnen im Fuß zerschnitten. Mit den Jahren ist das Gelenk stärker verschlissen als das andere, das spüre ich jetzt. Aber irgendein Zipperlein hat jeder. Auch junge Menschen.
Hilft es, auch darüber zu lachen?
Clausnitzer: Ja – auch wenn es manchmal wehtut. So ist eben das Leben. Das Schicksal macht, was es will, nicht, was wir wollen.
Sie haben mal gesagt, Sie seien Schauspieler, weil Sie so die Leute zum Lachen und zum Weinen bringen können. Was tun Sie lieber?
Clausnitzer: Beides liegt ja nah zusammen. Mir gefällt der schwarze Humor, oder Loriots Alltags-Humor, der beim Geradehängen eines Bildes entsteht. Man leidet mit und lacht doch gleichzeitig. Das zu erzeugen, ist die höchste Kunst.
Das Gespräch führte Silke Offergeld.