Nach dem Hochhausbrand im spanischen Valencia haben die Behörden die Zahl der Todesopfer leicht nach unten korrigiert.
„Als ob das Gebäude aus Kork wäre“Feuerinferno mit mindestens neun Toten schockt Spanien
„Als ob das Gebäude aus Kork wäre, stand es plötzlich in Flammen und wurde in kürzester Zeit zerstört“, erzählte ein Nachbar der in Valencia ausgebrannten Wohnanlage dem staatlichen TV-Sender RTVE. Spanien steht nach der Brandkatastrophe in der Mittelmeermetropole nicht nur wegen der Trauer um mindestens neun Tote und 15 Verletzten unter Schock. Auch die Geschwindigkeit, mit der das Feuer von einer Wohnung auf die gesamte Anlage übergriff, hat viele Spanier erschreckt.
Der Ingenieur David Higuera kann sich die explosionsartige Ausbreitung des Feuers nur mit brennbaren Teilen der Fassadenverkleidung erklären. Auch die riesige schwarze Rauchwolke über dem Gebäude lasse sich kaum anders erklären. Starker Wind habe den Brand zusätzlich angefacht.
Valencia: Starker Wind facht Großbrand zusätzlich an
Millionen Spanier leben in solchen meist während des Baubooms vor der Finanzkrise von 2008 errichteten großen Wohnanlagen. Das sind keine Sozialwohnungen, sondern oft Eigentumswohnungen für gehobene Ansprüche mit Gemeinschaftspool, schicken Grünanlagen, Lift und Tiefgarage. Nicht wenige Bewohner solcher Anlagen dürften sich gerade besorgt die Fassade ihres Wohnhauses etwas genauer anschauen.
Carlos und Dani, zwei 16-jährige Jungen, beobachteten nach eigenen Worten von einem nahe gelegenen Park aus „fassungslos“, wie sich das Feuer am Donnerstagnachmittag binnen Minuten Richtung Dach hinauffraß. „Es züngelte an den Metallplatten der Fassade entlang oder dahinter, aber immer nach oben“, sagte Carlos der Zeitung „El País“.
Menschen schreien auf Balkonen um Hilfe
Die beiden berichteten auch von den Menschen, die auf ihren Balkonen um Hilfe schrien. Als Feuerwehrleute mit Drehleiter und Rettungskorb zwei Bewohner von einem bereits von den Flammen bedrohten Balkon retteten, applaudierten und jubelten die Menschen vor dem Gebäude.
Die Bilder aus Valencia erinnerten Ingenieur Higuera an die Grenfell-Brandkatastrophe in London. Im Juni 2017 waren bei einem Hochhausbrand 72 Menschen ums Leben gekommen. Auch dort hatte sich das Feuer rasend schnell über die Fassadendämmung ausgebreitet.
Großbrand in Valencia: Isolierung wird zum Brandbeschleuniger
Nach Angaben der Brandschutzexpertin Esther Puchadas, die das Haus in Valencia zertifiziert hatte, war die Fassade mit Polyurethan isoliert. Das habe als Brandbeschleuniger gewirkt. Angesichts der Brandkatastrophe müsse die Zulassung dieses Dämmstoffs überdacht werden, sagte sie dem TV-Sender À Punt. Higuera bezeichnete den Dämmstoff als „festes Benzin“.
Mit dem ersten Tageslicht wurde am Freitag das ganze Ausmaß der Zerstörung sichtbar. Von der erst vor wenigen Jahren fertiggestellten Wohnanlage, von der ein Flügel 14 Stockwerke und der andere zwölf Stockwerke hoch ist, blieben nur verkohlte Fassaden vor einem Gerippe aus Stahlbeton zurück. „So eine Tragödie hat Valencia noch nicht erlebt“, sagte Valencias Bürgermeisterin María José Catalá und rief eine dreitägige Trauerzeit für die Stadt aus.
Bewohner unter Schock: „Am Morgen ist es noch schlimmer“
„Es ist ein schreckliches Gefühl, mit nichts und allem verloren zu sein“, sagte Jose Luis Mas der spanischen Zeitung „El País“. Seine Frau und er hätten sich im Schlafanzug auf die Straße gerettet, als sie Rauch gesehen hätten. „Man sieht es im Kino, aber man stellt es sich in der Realität nicht vor“, erklärte der schockierte Mas, der zu den Bewohnern des Hauses gehört, die ihre Wohnungen verloren haben.
„Am Morgen ist es noch schlimmer, weil man gestern unter Schock stand und nicht so viel gemerkt hat“, erklärte der 67-jährige pensionierte Arzt. „Aber wenn man das Licht und die Realität sieht und sich selbst mit nichts wiederfindet, dann ist das ein schreckliches Gefühl.“
Bestürzung in ganz Spanien
Feuerwehrleute und Statiker prüften am Freitag, ob die Anlage infolge der großen Hitze während des Brandes einsturzgefährdet sein könnte. Erst wenn dies ausgeschlossen werden könne, werde die Suche nach möglichen weiteren Opfern im Inneren des Gebäudes beginnen, sagte Catalá.
Die Brandkatastrophe löste in ganz Spanien Bestürzung aus. TV-Sender berichteten live in Sondersendungen. Regierung und Opposition drückten den Angehörigen der Opfer ihr Beileid aus und sagten den Geschädigten Unterstützung zu. Einige der nun obdachlosen Bewohner kamen bei Angehörigen oder Freunden unter, andere wurden in Hotels und Pensionen gebracht. (das/dpa)