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Vermisste Inga aus Schönebeck„Wir suchen, bis wir sie gefunden haben“

Lesezeit 4 Minuten

Feuerwehrleute suchen in einem Waldgebiet bei Wilhelmshof, einem Ortsteil von Stendal (Sachsen-Anhalt) nach der vermissten Inga.

Halle (Saale)/Magdeburg/Stendal – „Ich hoffe, dass die kleine Maus ganz schnell gesund und munter gefunden wird und wünsche den Eltern ganz viel Kraft!“ „Es erinnerte mich sofort an Rotkäppchen und ich hoffe inständig, dass sie wohlbehalten gefunden wird!“ – So lauten zwei von rund 30 Leserkommentaren zur Suche nach der fünfjährigen Inga bei Stendal (Sachsen-Anhalt) auf der Facebookseite der MZ. Auch in Ingas Heimatstadt Schönebeck im Salzlandkreis ist die Anteilnahme groß, wie Oberbürgermeister Bert Knoblauch bekannte: „Wir sind alle sehr betroffen von der Nachricht. Mein tief empfundenes Mitgefühl gilt den Angehörigen."

Inga wird seit Samstagabend gegen 19.30 Uhr in Wilhelmshof vermisst, einem Ortsteil der Kreisstadt Stendal in der Altmark. Die Fünfjährige hatte dort mit Eltern und Geschwistern einen Freund der Familie besucht, am Abend war eine gemeinsame Grillparty mit Lagerfeuer angesetzt. In der ersten Suchmeldung der Polizei wurde vermutet, dass Inga in den angrenzenden Wald gelaufen sein könnte, um Holz für das Feuer zu suchen.

Aber war das tatsächlich so? Oder lief das kleine Mädchen ganz woanders hin? Die Polizei ist fast 72 Stunden nach Ingas Verschwinden ziemlich ratlos. „Die Suche mit Spürhunden hat keine Ergebnisse geliefert. Die Hunde suchten sowohl auf dem Gelände als auch im Wald, ohne anzuschlagen“, teilte Marc Becher von der koordinierenden Polizeidirektion in Magdeburg mit. Dennoch geht der Einsatz weiter: Hubschrauber mit Wärmebildkameras fliegen über das Gebiet, Fährtenhunde sind im Einsatz. Helfer patrouillierten durch das Gelände, ein Löschteich wurde abgepumpt. „Wir suchen so lange, bis wir das Kind gefunden haben“, sagte Polizeisprecher Becher.

Auch private Räume auf dem Gelände des in Wilhelmshof ansässigen Diakoniewerks seien in die Fahndung einbezogen worden. Rund 100 Patienten und Mitarbeiter wurden befragt – ohne Erfolg, so der Polizeisprecher: „Es gab keine verwertbaren Hinweise.“

Gastgeber auf der Grillparty war ein mit Ingas Familie befreundeter Diakonie-Angestellter. Ingas Familie habe am Wochenende übrigens nicht in Wilhelmshof übernachten wollen, sondern wollte noch am Samstagabend die rund 100 Kilometer zurück in ihre Wohnung nach Schönebeck fahren.

Warum die Grillparty auf dem Gelände des Diakoniewerks stattfand und ob es in den vergangenen Jahren in der Region Kriminalfälle gab, die dem Verschwinden von Inga ähneln, lesen Sie auf der nächsten Seite.

Dass die Grillparty auf dem Diakonie-Grundstück stattfand, sei nichts Besonderes, berichtete der geschäftsführende Vorstand Joachim Arnold auf MZ-Anfrage. „Wir betreuen hier 24 Suchtkranke und 60 Behinderte in fünf Wohngruppen. 30 unserer insgesamt 73 Mitarbeiter, darunter einige Familien mit Kindern, wohnen auch auf unserm Gelände.“ Sicher ist zumindest, dass Inga nicht zum ersten Mal Wilhelmshof besucht hat. „Das Mädchen war vor etwa einem Jahr auf dem Gelände, ob es in diesem Alter Erinnerungen an das Gelände und die Umgebung hat, kann ich nicht sagen“, erklärte Polizeisprecher Becher.

Aktuell sind in Sachsen-Anhalt 125 Menschen zur Fahndung als vermisst ausgeschrieben. Diese Zahl ist relativ konstant, weil sich immer wieder Fälle erledigen und neue hinzukommen.

Aktuell werden 15 Kinder bis 14 Jahre vermisst. Acht Fälle sind so genannte Kindesentziehungen, sprich, die Kinder sind bei einem Elternteil und damit nicht in Gefahr.

Zwei vermisste Kinder sind unter drei Jahren: Ein Fall stammt von 1979, ein weiterer betrifft eine 2014 in Italien vermisste Mutter mit Kind. Zwei weitere vermisste Kinder sind zwischen vier und sechs Jahren alt: ein Kind ertrank vermutlich 1986, ein weiteres Kind ertrank vermutlich 1994.

Ähnliche Fälle

Zwei weitere vermisste Kinder sind zwischen sieben und und neun Jahren alt, wobei es keine näheren Angaben gibt. Ein Kind, die 1998 vermisste Mandy aus Halle, ist zwischen zehn und 13 Jahren alt. (Quelle: Landeskriminalamt Sachsen-Anhalt)

Apropos Umgebung. Aus der gab es in den vergangenen Jahren immer wieder beunruhigende Nachrichten. Denn nur rund fünf Kilometer entfernt von der Diakonie Wilhelmshof liegt das Fachkrankenhaus Uchtspringe. Zu dem gehört auch das Landeskrankenhaus für Forensische Psychiatrie, wo bis zu 300 psychisch kranke Straftäter behandelt werden. So ermittelte die Staatsanwaltschaft Essen 2013 gegen einen Patienten des Maßregelvollzugs wegen des Verdachts der Geldwäsche. Gegen einen weiteren Kriminellen, der in Uchtspringe eingesessen hatte, wurde wegen des Verbreitens von Kinderpornografie ermittelt.

Könnte ein Freigänger oder Flüchtling aus Uchtspringe im Zusammenhang mit Ingas Verschwinden stehen? Die Polizei habe das geprüft, sagte Marc Becher: „Wir haben mit der Leitung des Haftkrankenhauses gesprochen. Es gab nichts Auffälliges, das uns in irgendeiner Form weiter hilft.“

Auf mehr als ein Dutzend Fragen der MZ hat Polizeisprecher Becher geantwortet. Auf die Frage, ob es in den vergangenen Jahren in der Region Kriminalfälle gab, die dem Verschwinden von Inga ähneln, antwortete Becher ganz knapp mit: „Nein.“ Eine Frage ließ der Polizist unbeantwortet, sie lautet: „Gehen Sie zum jetzigen Zeitpunkt noch davon aus, das Mädchen lebend zu finden?“ (mz)