Der Fall erschütterte die USA und die Niederlande wie kaum ein anderer. Nun gibt es neue Entwicklungen in dem mysteriösen Vermisstenfall.
Hoffnungsschimmer für verzweifelte MutterHauptverdächtiger im Vermisstenfall Natalee Holloway ausgeliefert – und angeklagt
Joran van der Sloot, dem vorgeworfen wird, die Mutter der seit 2005 vermissten US-Amerikanerin Natalee Holloway erpresst zu haben, hat am Freitag vor einem US-Bundesgericht auf „nicht schuldig“ plädiert. Einen Tag zuvor war er von Peru an die USA ausgeliefert worden. Das berichtet unter anderem der Nachrichtensender CNN.
Van der Sloot verbüßt in dem südamerikanischen Land eine 28-jährige Haftstrafe, nachdem er sich des Mordes an der 21-jährigen peruanischen Studentin Stephany Flores im Jahr 2010 schuldig bekannt hatte. Anfang 2023 wurde seine Haftstrafe um weitere 18 Jahre verlängert, nachdem er im Gefängnis mit Drogen gedealt hatte.
Vermisste Natalee Holloway: Joran van der Sloot gilt als Hauptverdächtiger
Der 35-Jährige gilt auch als Hauptverdächtiger im Fall der vermissten Natalee Holloway. Die damals 18-jährige Holloway war im Mai 2005 mit ihrer Highschool-Klasse aus Alabama auf einer Abschlussfahrt nach Aruba, einer zu den Niederlanden gehörenden Karibikinsel, als sie verschwand. Zuletzt wurde sie gesehen, als sie mit drei jungen Männern eine Bar verließ. Einer von ihnen war der damals 17-jährige Joran van der Sloot.
Nach Angaben der US-Staatsanwaltschaft hatte van der Sloot 2010 Beth Holloway, die Mutter von Natalee, kontaktiert und 250.000 Dollar für die Preisgabe des Verbleibs der Leiche der jungen Frau verlangt. Ein Geschworenengericht klagte ihn nun 13 Jahre später wegen Betrugs und Erpressung in zwei Fällen an.
Joran van der Sloot bekennt sich „nicht schuldig“
Während der weniger als fünf Minuten dauernden Anhörung in Birmingham, Alabama, sagte US-Bundesrichter Gray Borden, dass er zu diesem Zeitpunkt nur ein Nicht-Schuldig-Plädoyer akzeptieren würde und dass van der Sloot, sollte er ein anderes Geständnis ablegen, zu einem anderen Zeitpunkt vor einem anderen Richter erscheinen würde.
Borden belehrte ihn auch über seine Rechte nach der US-Verfassung und beauftragte die Bundesstaatsanwaltschaft, ihn zu vertreten. Van der Sloot wurde ein Dolmetscher zur Seite gestellt, aber er sagte dem Gericht, dass er keinen brauche. „Mein Englisch ist eigentlich perfekt“, sagte er kurz vor Prozessbeginn. Der US-Pflichtverteidiger für den nördlichen Bezirk von Alabama, Kevin Butler, saß mit van der Sloot im Gerichtssaal. Er wird bis zu seinem Prozess im Shelby County Gefängnis, etwa 56 Kilometer südöstlich von Birmingham, in Haft bleiben.
Mutter von Natalee Holloway: Beth Holloway hofft auf Gerichtigkeit
„Als Mutter, die unermüdlich nach Gerechtigkeit für die Entführung und Ermordung meiner geliebten Tochter sucht, stehe ich heute mit schwerem Herzen, aber auch mit einem Hoffnungsschimmer vor Ihnen“, sagte Beth Holloway in einer schriftlichen Erklärung.
„Seit 18 Jahren lebe ich mit dem unerträglichen Schmerz, Natalee verloren zu haben. Jeder Tag war erfüllt von unbeantworteten Fragen und der Sehnsucht nach Gerechtigkeit, die uns auf Schritt und Tritt versagt blieb. Aber heute ... bin ich voller Hoffnung, dass endlich ein kleines Stück Gerechtigkeit verwirklicht werden kann“.
Vermisste Natalee Holloway und ermordete Stephany Flores: Großes internationales Medieninteresse
Die Fälle Holloway und Flores haben in den internationalen Medien große Aufmerksamkeit erregt. Insbesondere der Fall der vermissten Natalee Holloway gehört in den USA und den Niederlanden zu den bekanntesten Vermisstenfällen überhaupt.
Die Verhaftung van der Sloots wurde vom „Time Magazine“ als wichtigster Kriminalfall des Jahres 2010 bezeichnet und war Gegenstand internationaler Berichterstattung aus dem Gefängnis, was zu Kontroversen führte, die in Ermittlungen und der Suspendierung mehrerer peruanischen Beamten gipfelten.
Besondere Aufmerksamkeit erregte der komplizierte Fall, der teilweise bizarre Züge annahm, als sich der bekannte niederländische Journalist Peter R. de Vries damit befasste. Er erhielt spektakuläre Videoaufnahmen von van der Sloot, wie er Marihuana rauchte und prahlerisch erzählte, dass Holloway am Morgen des 30. Mai bewusstlos geworden sei und ein Freund ihre Leiche „entsorgt“ habe. Es war nicht klar, ob Holloway noch am Leben war.
Peter R. de Vries: Niederländischer Starjournalist setzte verdeckten Ermittler auf Joran van der Sloot an
Die Aufnahmen stammten von einem verdeckten Ermittler, der für de Vries arbeitete und sich mit van der Sloot angefreundet hatte. Das Video wurde am 3. Februar 2008 im niederländischen Fernsehen ausgestrahlt – in Anwesenheit von Natalee Holloways Mutter Beth, die somit erstmals Details über den Verbleib ihrer vermissten Tochter erfuhr.
Die TV-Sendung brach Einschaltrekorde. Noch nie in der Geschichte des niederländischen Fernsehens sahen so viele Zuschauer eine Fernsehsendung – abgesehen von großen Sportereignissen.
Van der Sloot bestritt, in dem Video die Wahrheit gesagt zu haben und behauptete, Holloway als Sexsklavin verkauft zu haben. Später widerrief er auch dieses Geständnis. Natalee Holloway wurde am 12. Januar 2012 für tot erklärt. De Vries wurde 2008 für seine Ermittlungen mit einem Emmy ausgezeichnet. Vor zwei Jahren wurde auch er Opfer eines Verbrechens. Er wurde auf offener Straße erschossen.
Beth Holloway setzt sich unermüdlich für die Wahrheit ein
Auch das unermüdliche und medienwirksame Auftreten von Beth Holloway sorgte jahrelang für Schlagzeilen. Auf dem Höhepunkt der Ermittlungen im Mordfall Stephany Flores besuchte Holloway, mit der Unterstützung von Peter R. de Vries, aber ohne die peruanischen Behörden zu informieren, das Gefängnis, in dem der Verdächtige Joran van der Sloot einsaß und sprach einige Minuten mit ihm. Sie bat ihn verzweifelt um Informationen über den Verbleib ihrer Tochter. Vergeblich. Bis heute fehlt von Natalee Holloway jede Spur.
Der Vermisstenfall Natalee Holloway wurde in mehreren Büchern und zahlreichen Dokumentarfilmen behandelt. Beth Holloway selbst veröffentlichte ein Buch und moderierte 2011 eine eigene True-Crime-Serie über ungeklärte Vermisstenfälle („Vanished“) für den Fernsehsender Lifetime.
In den Jahren 2009 und 2011 entstanden Fernsehfilme, die das Schicksal der Holloways und das Verschwinden ihrer Tochter thematisierten. Die Hauptrolle der Beth Holloway spielte die Ehefrau von Michael J. Fox, die Schauspielerin Tracy Pollan. (mit ap/afp/dpa/CNN)