Dürre, Borkenkäfer und Monokulturen statt klima-angepasster Mischwälder – der Negativtrend in NRW-Wäldern setzt sich fort.
Negativtrend in WäldernNur noch 28 Prozent der Bäume in NRW sind gesund
Auch in diesem Jahr haben Dürre, Brände und Käferbefall den Wäldern in Nordrhein-Westfalen stark zugesetzt. Nur 28 Prozent aller untersuchten Bäume sind noch ganz gesund und weisen keinen Verlust von Blättern oder Nadeln auf. Ein gutes Drittel (34 Prozent) zeigt bereits eine geringe „Verlichtung“ der Baumkrone, 38 Prozent sind stark geschädigt. Damit setze sich „der insgesamt negative Trend der sogenannten Vitalitätsverschlechterung seit 1984 fort“, sagte Landwirtschaftsministerin Silke Gorißen (CDU) am Donnerstag in Düsseldorf bei der Vorstellung des Waldzustandsberichtes 2022.
„Der Wald ist unser wichtigster Klimaschützer, leider aber haben der heiße Sommer und die lange Dürreperiode in diesem Jahr wieder deutliche Spuren hinterlassen“, so die Ministerin. Auch wenn die Werte im Vergleich zu 2021 einigermaßen stabil geblieben seien, werde die Lage seit Jahrzehnten „immer ernster, auch weil die Folgen des Klimawandels immer spürbarer werden“.
Extreme Trockenheit im Sommer
Im Sommer des laufenden Jahres hat es nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes in NRW den wärmsten und trockensten August seit Beginn der Wetteraufzeichnungen 1881 gegeben. Gleichzeitig ist der Boden demnach noch nie so extrem ausgetrocknet wie 2022. Zudem befinde sich die Borkenkäfer-Population weiterhin „auf einem hohen Niveau“, heißt es im aktuellen Waldbericht. Der Schwerpunkt des Befalls liege nun im Sauer- und Siegerland, während die Situation in der Eifel etwas besser werde. Da die Zahl der Fichten immer geringer wird, sinke aber auch die Menge des durch die Käfer verursachten Schadholzes. Waren es 2019 in NRW noch 15,6 Millionen Festmeter, verringerte sich die Zahl des zerstörten Holzes 2021 auf 8,8 Millionen Festmeter. Für 2022 werden nur noch rund fünf Millionen Kubikmeter erwartet.
Insgesamt würden derzeit etwa 135.000 Hektar Wald in NRW als Schadflächen eingestuft, die durch das Zusammenwirken von Stürmen, Sommerdürren und Massenvermehrungen von Fichtenborkenkäfern entstanden seien, erklärte Gorißen. „Wenn Sie früher unter einem Baum gestanden und nach oben geblickt haben, dann konnten Sie durch die Baumkrone den Himmel nicht sehen – das ist heute leider meistens anders.“ Der Zustand der Baumkronen gebe die Vitalität der Waldbäume wieder. Für die jahrlichen Untersuchungen würden deshalb „im Raster von vier mal vier Kilometern in NRW jährlich etwa 10.000 dauerhaft markierte Bäume begutachtet“, so die Ministerin. Bei der Aufforstung sei es wichtiger denn je, auf Mischwälder zu setzen, die sich besser an den Klimawandel anpassen könnten. Im kommenden Jahr wolle die Landesregierung 70 Millionen Euro Fördergeld für die Forst- und Holzwirtschaft zur Verfügung stellen.
Naturschutzverband fordert eine „ökologische Waldwende“
NRW verfügt über 935.000 Hektar Wald. Das entspricht 27 Prozent der Landesfläche. Laut Inventurbericht der Forstbehörden besteht der Wald zu 58 Prozent aus Laubbäumen, meist Buchen und Eichen. Auf 42 Prozent der Fläche wachsen Nadelbäume, vor allem Fichten. 63 Prozent des NRW-Waldes ist in Privatbesitz. Knapp zwei Drittel der Wälder in NRW gehören mehr als 150.000 privaten Waldeigentümern.
Deshalb müssten jetzt so schnell wie möglich „die Forstbetriebsgemeinschaften gestärkt werden, in denen sich vor allem Besitzer kleiner Wälder zusammengetan haben“, sagte René Schneider, umweltpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Landtag. Der von der Ministerin angekündigte „Dialogprozess“ jedoch sei viel zu langsam. „Diese Zeit haben weder die Forstbesitzer noch ihr Wald“, betont der Sozialdemokrat: „Lösen sich die Gemeinschaften auf, verlieren wir den Zugriff auf einen flächendeckenden Waldumbau.“
Deutliche Kritik kommt auch von den Umweltverbänden. Alleine die Dürresommer der vergangenen Jahre für die katastrophale Entwicklung in den NRW-Wäldern verantwortlich zu machen, greife viel zu kurz. „Vielmehr haben sie die gravierenden Mängel einer seit Jahrzehnten verfehlten Forstpolitik aufgedeckt“, sagte Heide Naderer, Landesvorsitzende des Nabu-NRW. Das Land brauche „zügig eine ökologische Waldwende“.
NRW-Forstgesetz soll reformiert werden
Dafür müsse beispielsweise das 30 Jahre alte Forstgesetz „nach strengen ökologischen, naturverträglichen und nachhaltigen Leitlinien“ reformiert werden. Um „einen erfolgreichen Schutz der Biodiversität sowie einen effektiven Klimaschutz“ zu gewährleisten, müsse es beispielsweise mehr Flächen „ohne jegliche Holznutzung“ geben. „Dazu müssten 10 Prozent der Gesamtwaldfläche von NRW in Wildnisentwicklungsgebiete umgewandelt werden, im Staatsforst sollten es 20 Prozent sein“, so Naderer.