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Das Gerücht mit dem vergammelten PferdefleischWie Trumps deutscher Opa Frederic sein erstes Vermögen machte

Lesezeit 6 Minuten
Donald Trumps Großvater Frederic Trump.

Donald Trumps Großvater Frederic Trump.

Ein junger Mann aus der bayerischen Pfalz legte mutmaßlich mit vergammeltem Pferdefleisch und Prostitution den Grundstock für sein Vermögen. Sein Enkel profitierte.

Seattle im November 1891: Ein 22-jähriger Friseur aus New York erreicht die Stadt im äußersten Nordwesten der USA, im Gepäck hat er etwas Geld seiner Schwester, dazu Erspartes. Der Mann spricht kein Englisch, obwohl er bereits seit sechs Jahren in Amerika lebt, sondern ein Deutsch mit starkem Pfälzer Dialekt. Auf der Flucht vor Wehrpflicht und Armut war dieser Friedrich Trumpf 1885 gerade mal 16-jährig aus dem pfälzischen Kallstadt, das damals zu Bayern gehörte, zu seiner bereits in Amerika lebenden Schwester ausgewandert.

Seattle, benannt nach einem indigenen Häuptling und genauso jung wie der deutsche Einwanderer, hat zu diesem Zeitpunkt ein scheinbar größeres Potenzial für Neuankömmlinge als das von Einwanderern überlaufene New York. In Seattle, dem Einfluss naher und entfernter Verwandter endgültig entkommen, sollte Friedrich Trumpf nach sechs Jahren in Amerika tatsächlich in seiner neuen Heimat ankommen, in dem er zum Beispiel fortan Englisch sprach und seinen deutschen Namen zu Frederic Trump ändern ließ.

Profitierte vom Vermögen seiner Familie: Donald Trump

Profitierte vom Vermögen seiner Familie: Donald Trump

Seattle lebt zu diesem Zeitpunkt überwiegend von der Holzindustrie, in der Tagelöhner damals viel Geld verdienen können. Doch der junge Frederic ist zu schlau, um sich mit solchen Strapazen den Körper zu ruinieren. Er kauft ein kleines Restaurant im Pionier Square mit Blick auf die Elliott Bay, dem Hafenviertel der Stadt. Er kann sich das leisten, weil große Teile der Stadt zwei Jahre zuvor, im Juni 1889, durch einen Großbrand vernichtet wurden. „Poodle Dog“ nennt sich Frederic Trumps erstes Restaurant, das „Privatzimmer für Frauen“ anbietet – damals ein gängiger Code für Prostituierte.

Bereits 1893 gibt er das Restaurant wieder auf, investiert sein Geld plus den ihm zustehenden Teil aus dem Erbe seiner Mutter, der ihn inzwischen erreicht hat, in einem anderen Teil des inzwischen zum Bundesstaat Washington erklärten Gebiets. Die Geschäfte laufen mäßig.

Doch das verändert sich grundlegend, als sich am 17. Juli 1897 das Dampfschiff „Portland“ Seattle nähert. Noch bevor es anlegt, spricht sich in der Stadt wie ein Lauffeuer herum, dass sich an Bord 68 Goldsucher befinden, die seit Sommer des Vorjahres am Zusammenfluss der kanadischen Flüsse Klondike und Yukon ausgeharrt haben. In ihrem Gepäck: Goldnuggets im Wert von über 700.000 Dollar, was einer heutigen Summe von 18,5 Millionen Euro entspricht.

Seattle wird vom Goldfieber erfasst: Binnen kurzer Zeit versechsfacht sich die Einwohnerzahl, weil das Kaff im äußersten Nordwesten der USA zum Sprungbrett für Tausende Glücksritter wird, die von Seattle aus mit Schiffen bis nach Skagway fahren, in jenem Streifen Alaskas, der sich weit nach Süden zwischen den Pazifik und Kanada schiebt.

Trump folgte den „Stampedern“

Auch Trump folgt dem Trail der „Stampeder“, wie die Goldsucher genannt werden, wenn auch zeitversetzt. Im Frühjahr 1898 verkauft er all seinen Besitz, bricht ebenfalls in den hohen Norden auf. Im Mai 1898 lässt sich Trump in der neu gegründeten Stadt Bennett am Lake Bennett in der kanadischen Provinz British Columbia nieder.

Und wieder beweist Trump einen geradezu seismografischen Geschäftssinn: Denn Bennett ist der erste Vorposten der Zivilisation für Goldsucher, die den gefährlichen, zwischen den USA und Kanada gelegenen Chilkoot Pass auf dem Weg zur Goldgräberstadt Dawson an Klondike und Yukon passiert haben. Tausende „Stampeder“, Goldsucher, quälen sich in langen Reihen wie aufgefädelt über diesen steilen Pass, schwer beladen mit Gepäck, denn die Kanadier lassen nur Glücksritter ins Land, die genügend Vorräte dabei haben.

Trump gründet mit seinem Partner Ernest Levin eines von Dutzenden Zeltrestaurants, die es in dieser Zeit am Lake Bennett gibt. Im „New Arctic Restaurant and Hotel“ gibt es natürlich auch wieder Zimmer für einzelne Damen. Was das Haus vor allem von anderen unterscheidet: Täglich wird angeblich frisch geschlachtetes Fleisch angeboten, für das die ausgemergelten Glücksritter dankend ihre letzten Pennys ausgeben. Wie die amerikanische Journalistin und Sachbuchautorin Gwenda Blair in ihrer maßgeblichen Biografie über „The Trumps: Three Generations of Builders and a Presidential Candidate“ herausgefunden haben will, soll es sich dabei allerdings um das Fleisch zahlloser, vor Erschöpfung oder Kälte verendeter Packpferde gehandelt haben, Gammelfleisch also.

Der Chef trug eine saubere, weiße Schürze über einem gestärkten weißen Hemd mit Krawatte. Er war Kellner, manchmal auch Koch und wenn nötig sogar Türsteher.
Gwenda Blair, Trump-Biografin

Das äußere Erscheinungsbild Trumps in dieser verwahrlosten, rauen Umgebung beschreibt die Biografin Blair so: „Der Chef trug eine saubere, weiße Schürze über einem gestärkten weißen Hemd mit Krawatte. Er war Kellner, manchmal auch Koch und wenn nötig sogar Türsteher … Im Erdgeschoss standen Tische und gedrechselte Stühle mit geraden Lehnen, und auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes gab es Unterkünfte für Spieler und für die sogenannten Sportdamen, Bereiche also, in denen sich Prostituierte und Goldsucher in privater Atmosphäre unterhalten konnten.“

Ein Leser der „Yukon Sun“-Zeitung schreibt im April 1900, er würde „Frauen, die allein reisen, raten, bei ihrer Auswahl der Hotels in Bennett vorsichtig zu sein“. Trumps Restaurant sei zwar das beste vor Ort und „großartig für alleinstehende Männer“, „aber ich würde respektablen Frauen nicht raten, dorthin zu gehen, um zu schlafen, da sie wahrscheinlich Dinge zu hören bekämen, welche die Gefühle verletzen könnten …“

Ich würde respektablen Frauen nicht raten, dorthin zu gehen, um zu schlafen, da sie wahrscheinlich Dinge zu hören bekämen, welche die Gefühle verletzen könnten.
Leser der Zeitung „Yukon Sun“ über Trumps Hotel

Zwei Jahre ziehen die Geschäftspartner samt Hotel flussabwärts in die damals neu gegründete Siedlung White Horse, heute Provinzhauptstadt. „Wir sind gekommen, um zu bleiben“, schreiben Trump und Levin im Februar 1901 den Lesern der Zeitung „Whitehorse Star“. Doch mit diesem Versprechen nimmt es zumindest Trump nicht so genau: Weil er zunehmend geschäftliche Probleme mit seinem Partner Levin hat und zudem ahnt, dass ein Ende des Goldrauschs nahe, lässt er sich noch im Mai 1901 auszahlen – und ist fortan ein wohlhabender Mann.

Deutschland wollte Frederic Trump nicht mehr

Er fährt zurück nach Deutschland, wo er, mit einem Vermögen ausgestattet, das heute einer halben Million Dollar entspricht, um die Hand der elf Jahre jüngeren, ehemaligen Nachbarstochter Elisabeth Christ anhielt, die Deutsch spricht. Er beantragte die bayerische Staatsbürgerschaft zurück, um dauerhaft in Deutschland bleiben zu können.

Nach einem langen Gezerre – dabei ging es wohl auch um den von ihm durch Flucht vermiedenen Wehrdienst – wird ihm die Wiedererlangung der deutschen Staatsbürgerschaft verweigert. 1905 werden die Trumps sogar endgültig ausgewiesen. „Die Behörden kamen zu dem Schluss, dass er sich dem Wehrdienst entzogen habe und schickten ihn zurück“, so Trump-Biografin Blair 2016 in der „Süddeutschen Zeitung“.

Trump flucht, wähnt seine alte Heimat „in der Hand von Dämonen“. Ein Hass auf Deutschland, der sich über Generationen Familiengeschichte vererbt hat?

Anders formuliert: Amerika wird seinen Neubürger Frederic Trumps nicht wieder los. Der bedankt sich bei seiner neuen Heimat, indem er sich im New Yorker Stadtteil Bronx niederlässt, nach der Gründung eines Friseursalons Geld in Immobilen investiert – und so den Grundstein für den Erfolg auch seines Enkels Donald legt, der 2016 erstmals Präsident des Landes werden sollte. Das vorläufige Schlusskapitel eines von drei Generationen geschrieben amerikanischen Märchens, bei dessen Ausgang vergammeltes Pferdefleisch verkauft wurde und Damen Sexgeschäften nachgingen.