Isabel Schayani berichtet über Migration„Man muss mit seinem Gewissen klarkommen“
Köln – Die WDR-Journalistin Isabel Schayani beschäftigt sich intensiv mit Flucht und Migration. Sie berichtet aus zahlreichen Flüchtlingslagern in Europa und Afrika. In „Talk mit K“ betont sie, dass ihr bewusst sei, dass manche Menschen sich nur ungern mit diesen Themen auseinandersetzen. „Ich kann es total verstehen, dass man des Leides überdrüssig sein kann und es einem irgendwann genug ist. Es gibt keine schnellen Antworten auf das Thema. Es gibt im Gegenteil eine Art Erschöpfung.“
Ein großes Menschheitsthema
Aber es sei ihr Job, weiter auf diese Felder zu schauen. „Neben Digitalisierung und Klimawandel ist Migration eines der großen Menschheitsthemen. Deshalb sind mir die Aufmerksamkeitskurven egal.“
Ist ihre Arbeit für sie eine Herzensangelegenheit? „Vielleicht ist das auch ein Herzensdefekt“, sagt sie. Aber sie ist überzeugt, dass es etwas bringt, immer wieder über die Schicksale der Menschen zu berichten. Und es gelingt ihr eindrücklich, den Menschen eine Stimme zu geben, die sonst oft nur eine Zahl sind.
Vor kurzem war sie an der Grenze zwischen Polen und Belarus und hat dort von Menschen gehört, die bei Eiseskälte in einem Wald ausharren. Wie berichtet man über den Tod einer schwangeren Frau, die im Wald erfror? „Es sieht genauso aus, wie man sich das vorstellt, wenn eine Mutter stirbt, und die Kinder sitzen drum herum, und ihr Lebensmittelpunkt schmilzt dahin“, sagt sie.
„Im Repertoire dessen, was eine menschliche Seele aushalten kann, ist das sicher eines der härtesten Erlebnisse.“ Lange überlegte sie mit ihren Kollegen, in welcher Form sie über diese Familie berichten wollen. Sie entschieden, die kleine Trauerfeier zu zeigen, bei der ihr Mann und ihre fünf Kinder Abschied nahmen. Weil es ihr wichtig ist zu zeigen, was dort vor sich geht.
Und wie geht man damit um, so viel Leid zu sehen? „Man kriegt das mit seinem Leben hier in Köln nicht in Übereinstimmung. Man kommt zurück und begreift erst sehr langsam, was man erlebt hat. Vor Ort funktioniert man als Journalist, zuhause beginnt der Mensch, sich zu melden.“
Kleine Erfolgserlebnisse
Ihr Sohn, der sie einmal bei einem Interview mit Geflüchteten in Paris begleitete, fragte sie: „Wie machst du das, lässt du dir erst das Elend erzählen und gehst dann wieder nach Hause?“ Und wie macht sie es? „Man muss mit seinem Gewissen klarkommen, sonst kann man das nicht weitermachen. Aber es ist ein dauerhaftes Problem.“
Es sind die kleinen Erfolgserlebnisse, die sie weitermachen lassen. Ein Mädchen, das sie einst in Moria traf und das nun in Luxemburg lebt und endlich wieder Kind sein darf. „Das klingt platt, aber im Dunkeln leuchten die Sterne heller.“
Außerdem berichtet Isabel Schayani darüber, wie es ist, mit deutsch-persischen Wurzeln aufzuwachsen und warum sie sich nie ganz vollständig fühlt. Und sie erklärt, was ihre Religion, das Bahaitum, ausmacht.