Mit dem Gladbecker Geiseldrama verbindet sich die Erinnerung an „journalistisches Totalversagen“. Der Reporter, der zu den Mördern ins Auto stieg, erinnert sich.
Mit den Mördern auf der FluchtDas Gladbecker Geiseldrama und die Rolle der Medien
Das Gladbecker Geiseldrama im August 1988 gehört zu den aufsehenerregendsten Verbrechen in der Bundesrepublik. Nicht nur die Brutalität der mordenden Geiselnehmer hielt drei Tage die Republik in Atem. Mit dem Verbrechen verbindet sich auch eine Diskussion um schwere Fehler der Polizei, aber auch der Medien. Udo Röbel, der damals freiwillig als Reporter des Kölner „Express“ zu den Verbrechern ins Auto stieg, spricht im Gespräch bei „True Crime Köln“ von „journalistischem Totalversagen“. Die Podcast-Reihe des Kölner Stadt-Anzeiger über wahre Verbrechen in Köln und Umgebung rekonstruiert noch einmal die Geschehnisse. Im Mittelpunkt steht dabei die Rolle der Medien, die den Verbrechern eine Plattform gaben und sich nicht auf eine Beobachterrolle beschränken wollten. Viele Journalisten wurden zu aktiven Beteiligten.
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Auch fast 40 Jahre nach der Tat sorgen die Geschehnisse für neuen Diskussionsstoff. Udo Röbel berichtet bei „True Crime Köln“ von einem Gespräch mit einem Polizisten, den er vor Kurzem traf und der damals in der Kölner Innenstadt im Einsatz war.
Neue Erkenntnisse zum Polizeieinsatz in Köln
Das ehemalige Mitglied der Spezialeinheit, die in Köln im Einsatz war, habe ihn vor Kurzem bei einer Trauerfeier angesprochen. Der Polizist habe ihm gesagt, dass es durchaus möglich gewesen wäre, das Drama bereits in der Kölner Innenstadt zu beenden und die Geiseln unverletzt zu befreien. Die Polizisten hätten dazu allerdings mit einer unerlaubten Munition schießen müssen, so Röbel. Deshalb sei von höherer Stelle auf Landesebene der Zugriff trotz bester Erfolgschancen verweigert worden. Die Darstellung des Polizisten lässt sich so viele Jahre nach dem Geschehen nicht mehr nachprüfen. Röbel hält die Darstellung für glaubwürdig. In den Berichten der Untersuchungsausschüsse, die später in den Landtagen von Nordrhein-Westfalen und Bremen eingesetzt worden waren, ist davon nichts zu lesen. Im Gegenteil: Dort hieß es, dass ein Zugriff in der Kölner Innenstadt wegen der Menge an Schaulustigen und der Bedrohung der Geiseln nicht möglich gewesen wäre.
Röbel erinnert sich im Gespräch mit Helmut Frangenberg an den Verlauf eines Arbeitstages, der einzigartig in seinem Berufsleben bleiben sollte. Zwei Männer hatten nach einem erfolglosen Banküberfall in Gladbeck Geiseln genommen. Später kaperten sie einen besetzten Linienbus, bevor sie mit dem Auto weiter fuhren, das dann in der Kölner Breite Straße parkte. Ihre Flucht endete erst nach 54 Stunden auf der A3 bei Bad Honnef. Neu war an diesem Fall, dass die Täter von Anfang an Medien einbezogen und diese sich recht bereitwillig instrumentalisieren ließen.
Geisel stirbt nach wilder Schießerei
Nach einer Verfolgungsjagd durch Norddeutschland und Holland, die von zahlreichen Polizeipannen aber auch von Behinderungen durch Medienvertreter geprägt war, waren die drei Geiselnehmer am Morgen des 18. August plötzlich in der Fußgängerzone in der Kölner Breite Straße direkt vor dem damaligen Pressehaus von „Kölner Stadt-Anzeiger“ und „Express“ aufgetaucht. Udo Röbel, damals stellvertretender Chefredakteur des „Express“, nahm Kontakt zu den Verbrechern auf, bot an, Austauschgeiseln zu vermitteln, und stieg schließlich in das Auto ein, um den Weg zur Autobahn zu zeigen. An der Raststätte Siegburg ließ man ihn aussteigen. Bei Bad Honnef endete das Geiseldrama schließlich in einer wilden Schießerei, bei der eine der Geiseln starb. Am Tag zuvor hatten die Verbrecher bereits einen 14-jährigen Jungen erschossen, der in dem zeitweise entführten Bus seine 9-jährige Schwester schützen wollte. Ein 31-jähriger Polizist war in Bremen bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen.
Die Diskussion über die Rolle der Medien in diesem Fall wirkte lange nach. Udo Röbel wurde zu einem Sinnbild für einen „Reporter des Satans“, wie er selbst sagt. Dabei hatten Medien jeder Couleur – einschließlich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks – in ähnlicher Weise versagt.
Die neue Folge von „True Crime Köln“ kann man überall dort hören, wo es Podcasts gibt, und über die Homepage des Kölner Stadt-Anzeiger.