Der Podcast „True Crime Köln“ berichtet vom Treffen zwischen Adolf Hitler und Ex-Kanzler Franz von Papen in der Villa des Kölner Bankiers Kurt von Schröder.
Geheimtreffen in LindenthalDer Weg eines zukünftigen Massenmörders zur Kanzlerschaft
Es sollte ein Geheimtreffen sein: Adolf Hitler wechselte auf dem Weg nach Lindenthal das Auto, um mögliche Verfolger loszuwerden. In der Villa am Stadtwaldgürtel 35 erwartete ihn und seine Begleiter der ehemalige Reichskanzler Franz von Papen. Der Kölner Bankier Kurt Freiherr von Schröder hatte sein Haus zur Verfügung gestellt und sorgte für einen angenehmen Rahmen.
Es ging darum auszuloten, unter welchen Bedingungen Hitler und die NSDAP in eine deutsche Regierung mit deutschnationalen und konservativen Kräften eintreten könnten. Am 4. Januar jährt sich das Treffen, das viele Historiker als die „Geburtsstunde des Dritten Reichs“ nennen, zum 90. Mal.
Die neue Folge jetzt hören:
Noch nicht einmal vier Wochen später war Adolf Hitler deutscher Kanzler und von Papen sein Stellvertreter. Was in den Monaten zuvor unmöglich schien, wurde Realität: Reichspräsident Paul von Hindenburg ernannte Hitler zum Regierungschef, der nicht lange zögerte, um die Weichen zur Errichtung der NS-Diktatur zu stellen. Bereits im März stimmte der Reichstag dem Ermächtigungsgesetz und somit seiner eigenen Entmachtung zu. Von Papen wie auch der Kölner Gastgeber des ersten Treffens wurden zum Geburtshelfer eines Terrorregimes.
Dass das Treffen in Lindenthal, an diesem Ort und zu dieser Zeit stattgefunden habe, sei ein „Zufall der Geschichte“, sagt der Kölner Historiker Ulrich Soénius in der neuen Folge von „True Crime Köln“. Der Leiter des rheinisch-westfälischen Wirtschaftsarchivs hat sich intensiv mit dem Treffen und den Folgen befasst. Geheim blieb Hitlers Besuch am Stadtwaldgürtel nicht. Ein Fotograf stand vor der Tür und dokumentierte so die historische Weichenstellung.
Doch ein Aufschrei der Entrüstung blieb damals in der Öffentlichkeit aus. Im Gegenteil: Zeitungen aller politischer Richtungen spielten die Bedeutung herunter, einige verspotteten die Begegnung von „Adolf und Fränzchen“, so eine Überschrift der SPD-nahen Rheinischen Zeitung. Alle Beobachter lagen falsch. Tatsächlich wurde der Weg eines zukünftigen Massenmörders zur Kanzlerschaft geebnet.
Machtangebot statt Machtergreifung
Die Nazis sprachen später selbst von der Machtergreifung. Der Wahrheit entsprach das nicht. Und auch der allgemein geläufige Begriff von der Machtübernahme verkürzt das tatsächliche Geschehen, denn zunächst ging es um ein „Machtangebot“. Konservative Kreise und einige Vertreter der deutschen Wirtschaft offerieren Hitler in Köln und dann in weiteren Treffen in Berlin die Regierungsgewalt auf dem Silbertablett.
„Hier, an dieser Stelle, nimmt eine furchtbare Entwicklung ihren Lauf“, sagt Roland Schüler vom Kölner Friedensbildungswerk vor dem Haus am Stadtwaldgürtel, das immer noch fast so aussieht wie damals. Das Dach der Villa wurde ausgebaut, eine Mauer begrenzt nun das Anwesen. Diese wäre der ideale Ort für eine Gedenktafel, doch die Hauseigentümer verweigerten offenbar ihre Anbringung.
Deshalb wurde sie in den Gehweg vor dem Haus eingelassen. Schüler und Soénius fordern die Eigentümer in der neuen Podcast-Folge von „True Crime Köln“ dazu auf, anders mit der Verantwortung umzugehen, die sich aus der Geschichte eines solchen Ortes ergibt. „Man kann keinen zwingen. Aber Geschichte hat ihre Bedeutung für heute und für morgen“, so Soénius. Das müssten sich die Eigentümer von Häusern wie diesem klarmachen.
„True Crime Köln“ begibt sich anlässlich des 90. Jahrestags auf Spurensuche. Sie befasst sich auch mit der Rolle der deutschen und Kölner Wirtschaft in dieser Zeit. Der Gastgeber des Treffens, Kurt Freiherr von Schröder, machte in der NS-Zeit Karriere, unter anderem als Präsident der Kölner Industrie- und Handelskammer. Er wurde Ehrenmitglied der SS. Den juristischen Umgang mit ihm oder auch mit von Papen in der Nachkriegszeit empfinden viele als skandalös: Sie kamen mit äußerst milden Strafen davon.
Gedenkgang zum Jahrestag
Anlässlich des 90. Jahrestags des Treffens in der Villa am Stadtwaldgürtel bietet das Kölner Friedensbildungswerk Führungen an, die als „Gedenkgang“ angekündigt werden. Sie beginnen an der ehemaligen Schröder-Villa am Stadtwaldgürtel in Lindenthal und führen an Orten von Kölns „brauner Vergangenheit“ vorbei, bevor sie am neuen Gedenkort für Deportationen und Massenmord im Äußeren Grüngürtel enden.
Der Weg ist fünf Kilometer lang, die Führungen dauern etwa zweieinhalb Stunden. Der Kostenbeitrag liegt bei 12 Euro. Die Termine sind am Samstag, 7. und Sonntag, 8. Januar 2023, jeweils um 14 Uhr. Eine Anmeldung ist bis zum 3. Januar über die Internetseite des Friedensbildungswerks erforderlich.
Die neue Folge von „True Crime Köln“ hören Sie überall, wo es Podcasts gibt, und über unsere Homepage ksta.de.