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„Schwächung“ der BehördeEx-BND-Chef Schindler geißelt Klage gegen Abhörpraxis

Lesezeit 4 Minuten
Gerhard Schindler

Ex-BND-Chef Schindler

Gerhard Schindler, 67, leitete den Bundesnachrichtendienst (BND) ab Dezember 2011. Der Terrorismus-Experte und ehemalige Fallschirmjäger wollte den durch die NSA-Affäre belasteten Auslandsgeheimdienst selbstbewusster gestalten – auch durch eine offenere Medienarbeit. Im Juni 2016 wurde er vorzeitig in den Ruhestand versetzt.

Herr Schindler, ausländische Journalisten und die „Reporter ohne Grenzen“ klagen vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Abhörpraxis des Bundesnachrichtendienstes (BND) im Ausland. Was sagen Sie als Ex-Chef der Behörde dazu?

Mich irritiert vor allen Dingen, dass gerade Journalisten aus Großbritannien, Frankreich oder etwa Mexiko hier in Deutschland gegen den BND klagen. Mir ist nicht bekannt, dass die Reporter auch gegen die Auslandsnachrichtendienste in ihren Heimatländern vor Gericht gezogen wären. Meiner Ansicht nach haben sich die Kläger jenes Land ausgesucht, dessen Rechtsordnung die Tätigkeit seiner Nachrichtendienste am wenigsten schützt. Und das ist nun einmal Deutschland. Diese Leute verfolgen möglicherweise hehre Absichten. Sie zielen aber ganz sicher auch darauf ab, unseren Auslandsnachrichtendienst zu schwächen.

Welche Folgen hätte es, wenn die Richter in Karlsruhe der Klage stattgeben würden?

Das wäre ein herber Rückschlag. Der BND bezieht die Hälfte seiner Informationen aus dem Ausland mit Hilfe technischer Aufklärung. Sollte dies nicht mehr möglich sein, hätte es gravierende Folgen. Der BND hätte zum Beispiel weniger Informationen über etwaige Gefährdungslagen gegen Bundeswehreinheiten in Afghanistan, Mali oder anderswo. Das heißt, die Schutzfunktion des deutschen Auslandsnachrichtendienstes bei militärischen Einsätzen in Krisengebieten würde beeinträchtigt. Etliche Anschlagspläne gegen deutsche Truppen am Hindukusch wurden dank der technischen Aufklärung des BND verhindert. Entsprechende Nachteile entstehen zudem beim Kampf gegen den internationalen Terrorismus und beim Schutz deutscher Bürger und Bürgerinnen im Ausland, wenn man dem BND die wichtigste Informationsquelle nimmt.

Was heißt das konkret?

Wenn man etwa weiß, dass ein IS-Terrorist in der Region um die syrische Stadt Rakka lebt, dann müssen Tausende Telefonnummern aus der Gegend gecheckt werden, um seinen Handy-Anschluss herausfiltern und seine Gespräche abhören zu können. Man muss also erst den Heuhaufen Rakka bilden, um die Nadel darin zu finden. Sollten hier nun die gesetzlichen Beschränkungen greifen, die etwa nach Artikel 10 des Grundgesetzes für die Telekommunikationsüberwachung durch die Dienste im Inland gelten, dürfte man den Heuhaufen Rakka erst gar nicht bilden. Der BND verliert dann ein überaus wichtiges und erfolgreiches Modul seiner Vorfeldaufklärung.

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Die Kläger allerdings sehen die Pressefreiheit bedroht, weil das BND-Gesetz dem deutschen Auslandsnachrichtendienst zubilligt, alles und jeden außerhalb der EU überwachen zu dürfen, auch ausländische Mitarbeiter deutscher Redaktionen.

Mal ehrlich, wenn ein ausländischer Reporter mit einem jemenitischen Rebellenführer ein telefonisches Interview führt, warum sollte man ihn abhören? Das Ergebnis ist doch bald in der Zeitung nachzulesen oder auf dem Bildschirm zu verfolgen. Die Kläger bemühen Grundrechte für deutsche Staatsbürger, um das BND-Gesetz in wichtigen Punkten auszuhebeln. Aus meiner Sicht würden sich die Väter des Grundgesetzes im Grabe umdrehen, wenn sie wüssten, dass die Kommunikation der Taliban, die gerade ein deutsches Militärlager in Afghanistan angreifen, von Artikel 10 geschützt werden soll.

Das kann doch nicht gewollt sein. Grundrechte sind subjektive Abwehrrechte gegen die Hoheitsgewalt auf deutschem Boden. Diese Grundrechte sind aber nicht dazu da, die gesamte Weltbevölkerung unter deutschen Schutz zu stellen. Das würde ja zu einer bedenklichen Verabsolutierung deutscher Rechtsprinzipien führen. Quasi einer Art Rechtsimperialismus. Diesen Zustand hatten wir ja schon einmal. Am deutschen Wesen soll die Welt genesen. Das ist anmaßend.

Nun hat der BND jetzt gerade eine halbe Milliarde in neue Funkaufklärungstechnik gesteckt, muss man diese Investition im Falle eines negativen Richterspruchs abschreiben ?

Die Anzahl der Erfassungen jedenfalls wäre deutlich geringer.

Heißt das, der deutsche Auslandsdienst wäre dann blind?

Wir wären dann noch mehr auf die Informationen anderer ausländischer Nachrichtendienste angewiesen, als es jetzt schon der Fall ist.

Das wird aber schwierig werden, wenn die Partner merken, dass die Deutschen keine Informationen mehr im Austausch liefern können.

Das stimmt. Die Zusammenarbeit wird schwieriger. Der Informationsaustausch basiert auf Geben und Nehmen, und wenn die eine Hand nichts mehr liefern kann, wird die ein oder andere Quelle versickern.

Nun hat der BND in der Affäre um den US-Geheimdienst NSA ebenfalls Vertrauen eingebüßt. Ist die Klage der Journalisten Ausfluss dieses Misstrauens?

Der NSA-Untersuchungsausschuss hat im Grunde gezeigt, dass der BND sich an Recht und Gesetz gehalten hat, auch wenn dieses Ergebnis einigen nicht passte. Aus meiner Sicht ist da kein Misstrauen in der Zusammenarbeit mit der NSA zu erkennen, wenn man unbefangen und frei von Ideologie herangeht.

Wie wichtig ist die NSA für die deutsche Vorfeldaufklärung?

Die US-Dienste sind die wichtigsten Partner für den BND. Zahlreiche Warnhinweise etwa von der NSA haben hierzulande Terroranschläge verhindert. Diese Kooperation trägt dazu bei, die Sicherheit in Deutschland zu erhöhen.