Erstmals wird ein AfD-Politiker Landrat. Während die Rechtspopulisten jubeln, wächst bei den demokratischen Parteien der Widerstand.
Reaktionen und Wirbel um LandratSPD nennt AfD-Sieg „Dammbruch“ – Junge Union Sonneberg deutete Kooperation an
Appelle und Warnungen gab es reichlich, aber geändert hat es nichts: Der Landkreis Sonneberg in Südthüringen hat den AfD-Politiker Robert Sesselmann zum Landrat gewählt – Kandidat einer Partei, die vom Verfassungsschutz in Thüringen als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft wird und bundesweit als Verdachtsfall gilt.
„Das ist erst der Anfang“, jubelte AfD-Bundeschefin Alice Weidel auf Twitter. Bereits am Sonntag könnte der nächste Erfolg für die Partei anstehen: In Sachsen-Anhalt könnte in Raghuhn-Jeßnitz einer der ersten hauptamtlichen AfD-Bürgermeister gewählt werden. Thüringens AfD-Chef Björn Höcke fasst den Blick weiter und beschwört ein „politisches Erdbeben“ bei den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg im kommenden Jahr.
Doch beim Großteil der demokratischen Parteien wuchs der Widerstand, die SPD sprach von einem „Dammbruch“, die CDU gab auch der Ampel-Regierung Schuld am Erfolg der AfD in der Thüringer Kleinstadt. Wirbel löste ein Tweet der Jungen Union Sonneberg aus. Ein Überblick zu den Reaktionen nach dem ersten AfD-Sieg auf Landesebene.
CDU-Generalsekretär Mario Czaja macht Ampel-Regierung verantwortlich – Merz gelassen
Die Bundesregierung reagierte nach dem Sieg des AfD-Kandidaten nur knapp: Es sei zwar „keine gewöhnliche Landratswahl“ gewesen, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Montag in Berlin. Allerdings wäre es „ungewöhnlich, wenn die Bundesregierung eine Landratswahl kommentieren würde“.
CDU-Generalsekretär Mario Czaja hat die Ampel-Koalition für den Wahlerfolg der AfD im thüringischen Sonneberg verantwortlich gemacht. „Die Bundesregierung spaltet das Land. Sie hat zu viele Themen und Vorschläge, die im Land eben nicht auf Konsens stoßen“, sagte Czaja am Montag dem Sender Phoenix. Die Bundespolitik könne so nicht fortgesetzt werden, es brauche mehr Gemeinschaft und Zugehörigkeit im Land. „Es ist ganz offensichtlich gewesen, dass bundespolitische Themen überragend waren“, sagte der CDU-Politiker mit Blick auf den Ausgang der Landratswahl am Sonntag im Kreis Sonneberg.
Von CDU-Chef Friedrich Merz gab es lange keine Reaktion auf den AfD-Wahlerfolg, am Montagnachmittag äußerte er sich dann bei der Fraktionsvorsitzendenkonferenz von CDU/CSU in Rostock im Vergleich zu anderen Politikerinnen und Politikern der demokratischen Parteien relativ gelassen. Der Wahlerfolg der AfD im Kreis Sonneberg sollte nach Worten des Unionsfraktionschefs nicht überbewertet werden. „Wollen wir mal Sonneberg nicht überhöhen, bei allem Respekt vor den Wählerinnen und Wählern dort“, so Merz.
„Es ist eine demokratische Wahl.“ Der CDU-Kandidat sei in die Stichwahl gekommen. Aus Sicht der CDU sei es ganz so schlecht auch nicht gelaufen. „Es hätte besser sein können, ich finde auch besser sein müssen.“ Die CDU müsse noch deutlich herausstellen, dass sie die eigentliche Alternative zu dieser Bundesregierung sei und auch Antworten biete. „Wir werden aber in keinen Überbietungswettbewerb mit Herabsetzungen und Beleidigungen mit der AfD eintreten. Das ist nicht unser Stil und unser Maßstab.“ Das Ergebnis spiegele auch den Verdruss über die Politik der Bundesregierung wider. Man könne auf Dauer nicht Politik über die Köpfe der Menschen hinweg machen.
Der AfD-Wahlerfolg zeigt laut Hessens Regierungschef Boris Rhein die Unzufriedenheit vieler Bürger. Diese sendeten „ja schon seit einiger Zeit in den Umfragen Warnsignale“, teilte der CDU-Spitzenkandidat der hessischen Landtagswahl (8. Oktober) am Montag mit.
Sonneberg: SPD sieht „Dammbruch“ in AfD-Erfolg und kritisiert auch Bodo Ramelows Linke
Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken hat die Wahl des AfD-Politikers Robert Sesselmann zum Landrat im thüringischen Kreis Sonneberg als „Dammbruch“ bewertet. Es möge nur eine Landratswahl gewesen sein, aber es handele sich um „ein bekennendes Mitglied der Höcke-AfD“, sagte Esken am Montag in Berlin.
Dies sei „eine ganz klare Aussage, in welche Richtung es gehen könnte“. Die SPD-Chefin spielte damit darauf an, dass der AfD-Landesverband Thüringen mit seinem Chef Björn Höcke vom Verfassungsschutz als erwiesen rechtsextrem eingestuft und beobachtet wird. „Dieses Wahlergebnis muss Demokratinnen und Demokraten große Sorgen bereiten“, sagte Esken. Sie führte es darauf zurück, dass der Landesregierung in Thüringen unter dem Linke-Ministerpräsidenten Bodo Ramelow stabile politische Mehrheiten fehlen, um Lösungen für die Probleme der Menschen zu erarbeiten. „Das wirkt sich fatal auf die Wahrnehmung der Politik aus“, sagte Esken. „Und auch die Ampel hat ihre Politik in letzter Zeit zu wenig erklärt und nicht gut organisiert.“
FDP-Chef Christian Lindner kommentierte den AfD-Sieg in Sonneberg bei Twitter. Er wolle die AfD „in der Sache entlarven – darum geht's“, schrieb Lindner. Dazu teilte er einen Videoclip zum Einwanderungsgesetz für Fachkräfte vom 23. Juni, wonach Fachkräfte einen großen Bogen um Deutschland machen würden, wenn die AfD das Sagen hätte.
AfD-Politiker Sesselmann gewinnt in Sonneberg – Ricarda Lang: „beunruhigend“
Aus Sicht der Grünen-Vorsitzenden Ricarda Lang ist die Wahl des AfD-Politikers Robert Sesselmann „beunruhigend“. „Auch mit Blick auf die bundesweiten Zustimmungswerte ist diese Wahl in Sonneberg ein Warnsignal“, sagte sie am Montag in Berlin. Sie sei zudem „ein Auftrag an alle demokratischen Parteien, dass wir jetzt gemeinsam die Demokratie verteidigen müssen“. Diese müssten einer Normalisierung der AfD entgegentreten. „Denn es ist klar, sie bleibt eine Gefahr für die Demokratie.“ Lang warf der AfD vor, bewusst Ängste zu füttern und Hass zu schüren. Die Partei habe keine Interesse daran, dass es dem Land gut gehe. „Ganz im Gegenteil. Sie will, dass es den Menschen schlecht geht, so dass sie dann wiederum Angst als Nährboden nutzen können.“
Der Parteivorsitzende der Linken, Martin Schirdewan, hat den Wahlerfolg des AfD-Kandidaten Robert Sesselmann in Thüringen als „Alarmsignal für die Demokratie“ bezeichnet. „Wir müssen jetzt ganz genau darüber nachdenken, wie man Demokratie stärken kann an dieser Stelle“, sagte Schirdewan am Montag im ZDF-„Morgenmagazin“. Dabei gehe es auch darum, wie die Erfahrung der Ostdeutschen jetzt wieder in die politische Debatte eingespeist werden könne, so dass sie sich „eben nicht frustriert der AfD zuwenden, sondern demokratischen Parteien.“
Wirbel um Tweet: Junge Union Sonneberg gratuliert AfD-Mann und „Ideologie und Wahlkampfrhetorik beiseitelegen“
Wirbel löste nach dem Erfolg des AfD-Politikers ein Tweet der Jungen Union Sonneberg aus: Darin gratulierte die Jugendvereinigung der CDU dem AfD-Mann und schrieb, dass es nun Zeit sei, um „Ideologie und Wahlkampfrhetorik beiseitezulegen“. Die JU Sonneberg löschte den Tweet vom frühen Montagmorgen am Montagnachmittag wieder.
Der Tweet hatte viel Kritik auf sich gezogen, so kritisierten einige Nutzerinnen und Nutzer etwa, dass man Grenzen zur AfD aufweichen würde. Der Tenor zu dem Tweet: Wo ist jetzt die von Merz geforderte „Brandmauer“? (mab/dpa)