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Putin-Kritiker Nawalny verschwunden„Er ist allein mit den Menschen, die versucht haben, ihn zu töten“

Lesezeit 3 Minuten
Dieses Foto einer Live-Übertragung zeigt Alexej Nawalny, Oppositionspolitiker aus Russland, während einer Anhörung vor dem Obersten Gerichtshof. Seit Acht Tagen fehlt jedes Lebenszeichen des Kremlkritikers. (Archivbild)

Dieses Foto einer Live-Übertragung zeigt Alexej Nawalny, Oppositionspolitiker aus Russland, während einer Anhörung vor dem Obersten Gerichtshof. Seit Acht Tagen fehlt jedes Lebenszeichen des Kremlkritikers. (Archivbild)

Seit acht Tagen gibt es keinen Kontakt zu Alexej Nawalny. Berlin zeigt sich „zutiefst besorgt“ über das Verschwinden des Putin-Kritikers.

Zu dem inhaftierten russischen Oppositionspolitiker Alexej Nawalny fehlt zur großen Besorgnis seines Teams weiter jeglicher Kontakt. „Über Alexej ist seit acht Tagen nichts bekannt“, schrieb Kira Jarmysch, Sprecherin des Politikers, am Mittwoch im sozialen Netzwerk X (vormals Twitter). „Wir wissen nicht, wo er ist. Aber er ist allein mit den Menschen, die einst versucht haben, ihn zu töten“, fügte Jarmysch an. Es sei eine „sehr gefährliche Situation“ für Nawalny, sagte sie zudem der russischen Zeitung „Moscow Times“.

Zuvor war Nawalny den Angaben seiner Sprecherin zufolge bereits am Dienstag nicht per Video zu einer Gerichtsverhandlung in der Stadt Kowrow zugeschaltet worden. Ein Mitarbeiter des Straflagers IK-6 habe gesagt, dass der Gefangene – so wörtlich – „die Kolonie verlassen“ habe. „Wohin sie ihn verlegt haben, weiß er angeblich nicht“, berichtet Jarmysch.

Alexej Nawalny: Seit acht Tagen kein Lebenszeichen vom Putin-Kritiker

Jarmysch schrieb, immerhin rückten die Behörden damit von der tagelangen Behauptung ab, dass Nawalny wegen Problemen mit der Stromversorgung im Lager nicht habe zugeschaltet werden können. Ihrer Vermutung nach sei den Aufsehern am Montag erlaubt worden zu sagen, dass der Gegner von Kremlchef Wladimir Putin nicht mehr in dem Lager im Gebiet Wladimir östlich von Moskau sei.

Ursula von der Leyen, Präsidentin der EU-Kommission, steht bei der 75. Bambi-Verleihung Mitte November vor der Projektion eines Porträts von Alexej Nawalny.

Ursula von der Leyen, Präsidentin der EU-Kommission, steht bei der 75. Bambi-Verleihung Mitte November vor der Projektion eines Porträts von Alexej Nawalny.

Kursierenden Gerüchten, dass Nawalny sich „unter ärztlicher Aufsicht“ befinde, glaubt das Lager des Kreml-Kritikers unterdessen nicht, hieß es am Mittwoch. „Alexej hat seit drei Jahren keine medizinische Versorgung mehr erhalten, sogar ein Zahnarztbesuch wird ihm seit mehr als einem Jahr verweigert“, schrieb Jarmysch.

Seit einer Woche gibt es kein Lebenszeichen von dem zu 19 Jahren Straflager verurteilten Oppositionellen. Einer seiner Anwälte, Alexej Zwetkow, sagte russischen Medien, dass er seinen Mandanten das letzte Mal am vergangenen Dienstag gesehen habe. Seitdem habe Zwetkow keine Informationen mehr über Nawalnys Verbleib. Der Anwalt schloss jedoch nicht aus, dass der politische Gefangene in ein anderes Lager verlegt worden sei.

Putin-Kritiker Nawalny verschwunden: Bundesregierung „zutiefst besorgt“

Nawalnys Ehefrau Julija machte auf Instagram darauf aufmerksam, dass ihr Mann schon am Montag nicht per Video zu der Verhandlung in Kowrow zugeschaltet worden sei. „Der Aufenthaltsort von Alexej Nawalny bleibt unbekannt“, schrieb sie.

Die deutsche Bundesregierung reagiert am Mittwoch auf Nawalnys Verschwinden und zeigte sich „zutiefst besorgt“. Wegen des Gesundheitszustands und der „unmenschlichen“ Haftbedingungen Nawalnys gebe es Anlass zur Sorge, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Mittwoch in Berlin.

„Wir fordern die russischen Behörden auf, Nawalnys medizinische Versorgung und Behandlung umgehend und vollumfänglich sicherzustellen“, betonte Hebestreit. Gleichzeitig bekräftigte er die Forderung nach einer Freilassung des 47-Jährigen. Dessen Inhaftierung beruhe auf einem „politisch motivierten Urteil“.

Der Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller, forderte am Montag erneut Nawalnys Freilassung und machte die russische Regierung für sein Schicksal verantwortlich.

Putins Sprecher wirft USA Einmischung im Fall Nawalny vor

In Moskau warf Kremlsprecher Dmitri Peskow deshalb den USA vor, sich in interne russische Angelegenheiten einzumischen. Zum Aufenthaltsort Nawalnys äußerte er sich nicht. „Wir haben weder die Absicht noch die Möglichkeit, das Schicksal von Gefangenen und ihren Aufenthalt an den entsprechenden Orten zu verfolgen“, sagte Peskow.

Nawalnys Ansehen als Oppositionspolitiker in Russland beruht auf seinen Enthüllungen von Korruption in der Führungsschicht und auf der Organisation von Protesten. Er steht aber auch wegen früherer nationalistischer Äußerungen in der Kritik.

Im August 2020 überlebte Nawalny nur knapp einen Mordanschlag mit dem chemischen Kampfstoff Nowitschok. Der Kremlgegner macht Putin und den Inlandsgeheimdienst FSB für das Attentat verantwortlich.

Zuletzt hatten Nawalnys Unterstützer bereits gewarnt, das Leben des Putin-Kritikers sei „in großer Gefahr“, zuvor hatte es unbestätigte Berichte über einen „schwerwiegenden Gesundheitsvorfall“ bei Nawalny gegeben. (mit dpa)