Vielen Menschen gilt Jimmy Carter als Vertreter des „besseren Amerikas“. Kurz vor dem Amtsantritt von Donald Trump wird der verstorbene Altpräsident nun ein letztes Mal in Washington geehrt. Doch das Land hat sich längst für einen radikal anderen Kurs entschieden, kommentiert Karl Doemens.
Zum Amtsantritt von Donald TrumpEin Wahlsieg und ein Trauerfall: Zeitenwende unter der Kapitolskuppel
Unterschiedlicher können zwei Menschen kaum sein. Der eine war ein Friedensstifter und Menschenfreund. Am ersten Amtstag begnadigte er junge Amerikaner, die sich dem Militärdienst im Vietnam-Krieg entzogen hatten. Privat flog er Economy Class und kämpfte für Obdachlose und Arme. Der andere jettet demonstrativ mit der eigenen Boeing 757 durch die Gegend. Er verunglimpft Migranten als „Ungeziefer“, bedroht politisch Andersdenkende und will gleich zu Beginn die Aufrührer des Putschversuches vor vier Jahren begnadigen.
Als 100-Jähriger hat Jimmy Carter im Herbst noch seine Briefwahlstimme für Kamala Harris abgegeben. Es war ein letztes Aufbäumen gegen Donald Trump, den der fromme Erdnussfarmer für einen „Idioten“ und eine Gefahr für die Demokratie hielt. Nun ist der 39. US-Präsident verstorben. Am kommenden Dienstag wird sein Leichnam in der Rotunde des Kapitols aufgebahrt. Genau 24 Stunden zuvor, am Jahrestag des Kapitolsturms, wird der Kongress dort die Wahl von Trump zum 47. Präsidenten bestätigen. Mehr Symbolik geht nicht.
Das letzte Aufbäumen des alten Amerikas
Rund um die Trauerfeier wird wohl viel von „Innehalten“ und „Einheit“ geredet werden. Doch die Floskeln waren schon bei der Beerdigung von George H. W. Bush vor sechs Jahren hohl, als sich das alte Amerika in Washingtons National Cathedral noch einmal aufbäumte. „Wir sind besser als das!“, beschwor in den Jahren darauf Joe Biden traditionelle Werte wie Anstand und Überparteilichkeit – und scheiterte tragisch.
Die Wahrheit ist: Mit seinem Hass und seiner Hetze ist Trump kein Ausreißer der Geschichte. Er spiegelt vielmehr die von zynischen Tech-Oligarchen befeuerte Befindlichkeit einer erschöpften und wütenden Nation. Die USA des Jahres 2025 sind kein Anwalt einer liberalen Demokratie und regelbasierten Ordnung mehr. Nächste Woche wird nicht nur Jimmy Carter zu Grabe getragen.