Die rassistischen, ausländerfeindlichen und antisemitischen Positionen der Partei sind hinlänglich bekannt. Die Rufe nach einem Verbot werden lauter.
Juristische AnalyseWie sind die Aussichten für ein AfD-Verbot?
Seit der AfD-Landtagsabgeordnete Robert Sesselmann im Juni 2023 die Landratswahl im thüringischen Landkreis Sonneberg gewann und sein Parteifreund in der Kleinstadt Raguhn-Jeßnitz (Sachsen-Anhalt) Anfang Juli zum Bürgermeister gewählt wurde, wird der Ruf nach einem Verbot der AfD immer lauter. Untermauert wird die Forderung unter anderem vom „Deutschen Institut für Menschenrechte“. Nach dessen Einschätzung handelt es sich bei der AfD um eine „rassistische und rechtsextreme“ Partei, die „in ihrer Gefährlichkeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung“ mittlerweile die Voraussetzungen für ein Parteiverbot erfülle.
Doch davon kann – gemessen an den Grundsätzen, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 17. Januar 2017 im Verfahren über ein Parteiverbot der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) aufgestellt hat – meines Erachtens keine Rede sein.
Das Grundgesetz definiert, wann eine Partei verfassungswidrig ist
Ausgangspunkt der Entscheidung ist Artikel 21 Absatz 2 des Grundgesetzes. Danach sind Parteien verfassungswidrig, „die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden“.
Dazu hat Karlsruhe mit Blick auf die NPD ausgeführt: Die Partei vertrete durchaus ein auf die Beseitigung unserer Grundordnung gerichtetes politisches Konzept. Sie wolle die bestehende Verfassungsordnung durch einen an der ethnisch definierten „Volksgemeinschaft“ ausgerichteten autoritären Nationalstaat ersetzen. Ihr politisches Konzept missachte die Menschenwürde und sei mit dem Demokratieprinzip unvereinbar. Auf ihre gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichteten Ziele arbeite die NPD planvoll und mit hinreichender Intensität hin.
Ein Parteiverbot muss einem „dringenden sozialen Bedürfnis“ entsprechen
Trotz dieser schwerwiegenden Erkenntnisse hat das Gericht davon abgesehen, die Verfassungswidrigkeit der NPD und deren Verbot festzustellen. Begründung: Ein Parteiverbot müsse – wie vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gefordert – einem dringenden sozialen Bedürfnis entsprechen und zum Schutz der Demokratie erforderlich sein.
Insoweit fehle es an konkreten Anhaltspunkten von Gewicht, die es möglich erscheinen ließen, dass das verfassungsfeindliche Handeln der NPD zum Erfolg führen könne. Ihr Handeln sei zwar planvoll, erreiche jedoch nicht die Qualität einer Bekämpfung unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Die NPD versuche auch nicht, ihre verfassungsfeindlichen Absichten aktiv durch den Aufbau von Drohkulissen und die Schaffung einer Atmosphäre der Angst durchzusetzen.
Wie bei der NPD, so gibt es nach den Erkenntnissen des Verfassungsschutzes auch für die AfD „hinreichend gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte" verfassungsfeindlicher Bestrebungen. Die rassistischen, ausländerfeindlichen und antisemitischen Positionen der Partei erreichen jedoch auch bei der AfD nicht die Qualität einer aktiven Bekämpfung unserer grundgesetzlichen Ordnung. Auch bei ihr fehlt es an gewichtigen Anhaltspunkten dafür, dass die Partei aktiv „darauf ausgeht“, unsere freiheitliche demokratische Grundordnung „zu beeinträchtigen oder zu beseitigen“.
Die Unterstützung für die AfD ist hauptsächlich als Denkzettel für die anderen Parteien gedacht
Nichts spricht auch dafür, dass sie dies mit demokratischen Mitteln erreichen könnte. Die Stimmengewinne der Partei sind zwar erheblich. Ende Juni 2023 erreichte sie laut ZDF-Politbarometer mit 19 Prozent in der Sonntagsfrage einen neuen Rekordwert und lag damit als zweitstärkste Partei sogar einen Prozentpunkt vor der Kanzlerpartei SPD. Das bedeutet jedoch keinen entsprechenden Zuwachs an verfassungsfeindlichen Kräften. Das ZDF-Politbarometer zeigt vielmehr auf, dass die Unterstützung für die AfD hauptsächlich als Denkzettel für die anderen Parteien gedacht ist und nicht ihren verfassungsfeindlichen Positionen gilt.
Auch mit Blick auf die AfD fehlt es deshalb an einem „dringenden sozialen Bedürfnis“, die Partei zum Schutz unserer Demokratie zu verbieten. Diese Bewertung wird auch durch die Wahl einzelner AfD-Politiker in lokale Ämter nicht infrage gestellt. Auch in Sonneberg haben die Wahlberechtigten ihre Stimme für die AfD nach Auskunft der Wahlforscher mehrheitlich als Ausdruck ihrer Unzufriedenheit mit „der Politik“ - insbesondere mit der prekären Lage bei der Unterbringung von Flüchtlingen -abgegeben, ohne dazu etwa durch eine von der AfD verbreitete Atmosphäre der Angst und Einschüchterung veranlasst worden zu sein.
Zwar beschwören Vertreter der AfD mit Blick auf die Flüchtlings- und Migrationspolitik der Bundesregierung die Gefahr einer angeblichen Überfremdung Deutschlands. Vergleichbare Bedenken werden jedoch der Sache nach auch in den etablierten Parteien und von Menschen geäußert, die nicht im Verdacht stehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung und deren zentrale Werte – insbesondere die Menschenwürde – infrage zu stellen.
Es bleibt deshalb bei der leider bisher wenig ertragreichen Erkenntnis von Friedrich Merz (CDU), dass der AfD nur mit den Mitteln der Politik und nicht mit einer zum Scheitern verurteilten Verbotsforderung zu begegnen ist.