Spur nach NRWPapiere für Abschiebung von Anis Amri trafen nach Berliner Anschlag ein
Berlin/Düsseldorf – Nach dem Terroranschlag in Berlin fahndet die Polizei bundes- und europaweit nach dem Tunesier Anis Amri, der als islamistischer Gefährder bekannt ist. Eine wichtige Spur führt dabei nach Nordrhein-Westfalen. Den Behörden ist der möglicherweise bewaffnete 24-Jährige als abgelehnter, aber geduldeter Asylbewerber bekannt.
Seine Tat war womöglich von langer Hand vorbereitet. Schon vor Monaten sei in salafistischen Kreisen des Ruhrgebietes über einen Anschlag in Berlin geredet worden, bei dem ein Lkw eingesetzt werden soll, sagte der Strafverteidiger Burkhard Benecken dem "Kölner Stadt-Anzeiger".
Benecken vertritt einen der Angeklagten im Prozess um den Anschlag auf ein Sikh-Gebetshaus in Essen. "Mein Mandant hat mir im Mai erzählt, dass er von den Planungen gehört habe."
Ausländerbehörde Kleve zuständig
Wie NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) am Mittwoch in Düsseldorf erklärte, wurde der Asylantrag des tatverdächtigen Amri durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Dortmund im Juli 2016 abgelehnt. Dieser habe sich seit Februar 2016 hauptsächlich in Berlin aufgehalten. "Nach heutigem Kenntnisstand war er zuletzt nur kurz in Nordrhein-Westfalen." Aus "verfahrensökonomischen Gründen" sei das Abschiebeverfahren weiter von der Ausländerbehörde Kleve geführt worden.
Die Sicherheitsbehörden hätten ihre Erkenntnisse über den als Gefährder eingestuften Tunesier zuletzt im November 2016 im Gemeinsamen Terrorabwehrzentrum von Bund und Ländern ausgetauscht. Zu Einzelheiten wollte sich Jäger nicht äußern.
Anis Amri saß in Italien im Gefängnis, war später in Emmerich gemeldet
Nach italienischen Medienberichten soll er vier Jahre in Italien im Gefängnis gesessen haben. Wie der "Kölner Stadt-Anzeiger" erfuhr, war Amri nach seiner Einreise nach Deutschland ab Juli 2015 in einer Asylunterkunft in Emmerich gemeldet, soll dort aber im Dezember 2015 abgetaucht sein. Am Mittwoch durchsuchten Polizeibeamte das Gebäude.
Das Landeskriminalamt NRW habe beim Generalbundesanwalt ein Verfahren gegen den Tatverdächtigen wegen des Verdachts einer schweren staatsgefährdenden Straftat initiiert, sagte Jäger. Der Berliner Generalstaatsanwalt habe die Ermittlungen geführt. "Auch in diesem Verfahren wurden Informationen, die uns über den Mann vorlagen, weitergegeben."
Anis Amris hatte Kontakte zum Salafistennetzwerk um Abu Walaa
Nach der Ablehnung des Asylantrags im Juli 2016 habe Amri nicht sofort abgeschoben werden können, "weil er keine gültigen Ausweispapiere hatte", so der Innenminister. Die Ausländerbehörde in Kleve habe sich dann - wie in solchen Fällen üblich - im August 2016 bei den tunesischen Behörden um Ersatzpapiere bemüht. "Tunesien hat zunächst bestritten, dass diese Person ihr Staatsbürger sei", sagte Jäger. "Die Papiere wurden lange Zeit nicht ausgestellt. Sie sind heute eingetroffen. Ich will diesen Umstand nicht weiter kommentieren."
Die von der Ausländerbehörde des Kreises Kleve ausgestellten Duldungspapiere auf Anis Amri wurden in dem Laster gefunden, der am Montagabend auf den Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche gerast war. Bei der Tat waren zwölf Menschen ums Leben gekommen und rund 50 teils lebensbedrohlich verletzt worden.
Kontakte zu Abu Walaa
Nach Informationen des "Kölner Stadt-Anzeiger" hatte Anis Amri Kontakte zum Islamisten-Netzwerk des kürzlich in NRW verhafteten Salafisten-Predigers Abu Walaa. Das Magazin "Focus" berichtet, Amri sei in dem Duisburger Reisebüro radikalisiert worden, in dem auch einer der Attentäter auf das Sikh-Gebetshaus in Essen verkehrt hat.
Anis Amri für kurze Zeit in Abschiebehaft
Der mutmaßliche Berlin-Attentäter, der mehrere Aliasnamen benutzt haben soll, sei mit Beschluss des Amtsgerichts Ravensburg im Juli 2016 für kurze Zeit in Abschiebehaft genommen worden, heißt es. Zuvor soll er monatelang auf Anweisung der Generalstaatsanwaltschaft überwacht worden sein, erklärten Berliner Ermittlungsbehörden am Mittwochabend.
Jäger wollte dies ebenso wenig kommentieren wie Berichte, nach denen Amri versucht haben soll, sich über einen V-Mann der Polizei in NRW Waffen zu besorgen. Unklar ist, wie er aus dem Blickfeld der Sicherheitsbehörden geraten konnte. "Bei der Beurteilung eines Gefährders gibt es normalerweise keine Lücken, weil die von den Behörden gemeinsam vorgenommen wird", so Jäger.
Der polnische Lkw-Fahrer soll laut "Bild" bis zum Attentat gelebt haben. Ein Ermittler habe von einem Kampf gesprochen. Nach dem Anschlag wurde der Pole tot im Lkw gefunden. Für Hinweise, die zur Ergreifung des Verdächtigen führen, wurde eine Belohnung von 100.000 Euro ausgesetzt.