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Brics-Gipfel in RusslandPutins Kampfansage an die alte Weltordnung

Lesezeit 5 Minuten
ARCHIV - 18.10.2024, Russland, Moskau: Der russische Präsident Wladimir Putin nimmt am BRICS-Wirtschaftsforum teil. (zu dpa: «Im Schatten des Ukraine-Kriegs lädt Putin zum Brics-Gipfel») Foto: Alexander Zemlianichenko/Pool AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Russlands Präsident Wladimir Putin will beim Brics-Gipfel zeigen, dass Russland nicht isoliert ist.

Wenn Wladimir Putin ab Dienstag im russischen Kasan zum Brics-Gipfels lädt, geht es um die Schaffung einer neuen multipolaren Welt. Putin will zeigen, dass Russland international nicht isoliert ist.

Es ist die größte Veranstaltung, die Russland seit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine abhält. Auf dem Brics-Gipfel im russischen Kasan von Dienstag bis Donnerstag werden die Vertreter von 32 Ländern erwartet, davon 24 Staatschefs. Entsprechend hoch ist der Aufwand, den die Hauptstadt der autonomen Republik Tatarstan betreibt, um sich als guter Gastgeber zu präsentieren.

Etliche Straßen in der Millionenstadt wurden neu gepflastert, im örtlichen Nahverkehr verkehren neue Busse, und der Bahnhofsvorplatz wurde begrünt. Viele Hotels erstrahlen nach einer Renovierung in neuem Licht. Für die Bürger Kasans geht der Gipfel allerdings mit Einschränkungen einher. Der Individualverkehr in einigen Teilen der Stadt wurde begrenzt und die Sicherheitsvorkehrungen verschärft. An die Einwohner der Stadt erging die Anweisung, Pässe bei sich zu tragen. Der Kasaner Kreml ist geschlossen, Studenten und Beamte sowie die Angestellten einer Reihe von Unternehmen sollen ihre Arbeit virtuell verrichten.

Das alles ist ein Beleg dafür, wie wichtig der Gipfel für Russlands Präsidenten Wladimir Putin ist. Denn nachdem er sein Land im Februar 2022 in die Ukraine hatte einmarschieren lassen, verhängte der Westen weitreichende Wirtschaftssanktionen, schnitt das Land vom Zugang zum globalen Bankensystem ab und versuchte, Russland diplomatisch vom Rest der Welt zu isolieren. Putin will in Kasan nun belegen, dass diese Isolierung nicht gelungen ist.

Fast die Hälfte der Weltbevölkerung und mehr als 35 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung

Und in der Tat ist das zum Teil wohl so: Die Brics-Gruppe, zu der seit 2009 beziehungsweise 2010 Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika zählen, ist seitdem um weitere Länder erweitert worden, darunter Ägypten, Äthiopien und den Iran. Zahlreiche weitere Staaten haben sich um eine Mitgliedschaft beworben oder Interesse an einem Beitritt bekundet. Zuletzt stellten Syrien und Aserbaidschan einen Antrag auf Mitgliedschaft, Kuba hat erklärt, als Partnerland aufgenommen werden zu wollen. Die Staatengemeinschaft umfasst heute Länder, die fast die Hälfte der Weltbevölkerung und mehr als 35 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung repräsentieren, gemessen an der Kaufkraft.

Grafik-Karte Nr. 107975, Querformat 110x75 mm, "Die Brics-Gruppe", Redaktion: B. Schaller, Grafik: B. Bolte

Die Konferenz in Kasan, zu der der Kreml 20 Länder eingeladen hat, die sich eine Mitgliedschaft vorstellen können, darunter Saudi-Arabien, Thailand und Vietnam, soll eine eindrucksvolle Demonstration der wirtschaftlichen Macht einer neuen Weltordnung darstellen, die nicht vom Westen dominiert wird. Einer der wichtigsten Tagesordnungspunkte wird die Aufnahme neuer Mitgliedsländer sein. Das Anwachsen der Gruppe könnte die bisherigen globalen Machtverhältnisse tatsächlich grundsätzlich verändern. Es geht um die Schaffung einer neuen multipolaren Welt.

Putin: Abnehmende Rolle der G7 in der Weltwirtschaft

„Bei diesem Gipfel geht es darum, dass Putin kontert“, sagt Alexander Gabuew, Direktor des Carnegie Russia Eurasia Center in Berlin. Der russische Präsident stelle den Krieg seines Landes in der Ukraine als „die Speerspitze der Zerstörung der alten Weltordnung und der Hilfe beim Aufbau einer neuen“ dar, so Gabuew.

Im Vorfeld der Brics-Konferenz gab Putin in der vergangenen Woche in Moskau zu verstehen, für wie relevant er die Brics-Gruppe hält: „In den letzten zehn Jahren kamen mehr als 40 Prozent des globalen BIP-Wachstums der gesamten Weltwirtschaft aus den Brics-Ländern“, sagte er und erklärte, dass die Gruppe der sieben Industrieländer (G7, Anm. der Red.) eine abnehmende Rolle in der Weltwirtschaft spiele.

Neues Brics-Zahlungssystem angedacht

Am letztjährigen Brics-Gipfel in Südafrika konnte der Kremlchef nicht teilnehmen, da gegen ihn ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs vorliegt, den Südafrika unterzeichnet hat. Er hätte mit seiner Verhaftung rechnen müssen.

In diesem Jahr will der russische Präsident versuchen, an persönlichen Treffen nachzuholen, was ihm vergangenes Jahr in Südafrika verwehrt blieb. Neben dem Treffen im größeren Gruppenformat sind 17 bilaterale Treffen von ihm vorgesehen.

Wie gehen China und Indien bei dem Treffen aufeinander zu?

„Wenn Wladimir Putin neben all diesen Staats- und Regierungschefs steht, die Hände schüttelt und Fotos macht, wird er versuchen, der Welt zu sagen, dass Russland nicht isoliert ist“, sagt Gabuew. Moskau und Peking denken schon seit Längerem über eine Veränderung des globalen Finanzsystems nach. Auf dem Brics-Gipfel in Südafrika wurde die Schaffung einer eigenen Brics-Währung diskutiert, die jedoch nicht zustande kam. In Kasan soll nun über ein Brics-Zahlungssystem nachgedacht werden, die sogenannte Brics-Bridg“, die Russland dabei helfen würde, die Probleme zu umgehen, die das Land aufgrund des sanktionsbedingten Rauswurfs aus dem Bankennetzwerk Swift hat.

Für Gastgeber Putin wird das Treffen mit dem chinesischen Staatschef Xi Jinping von überragender Bedeutung sein. Die vierte persönliche Begegnung zwischen den beiden Staatsoberhäuptern seit Russlands Invasion in der Ukraine im Februar 2022 könnte das bilaterale Verhältnis zwischen den zwei Ländern vertiefen. Trotz des zunehmenden Drucks des Westens auf China, die russischen Kriegsanstrengungen nicht zu unterstützen, haben Xi und Putin ihre Beziehungen intensiviert, wohl auch wegen ihrer gemeinsamen Vorbehalte gegenüber den Vereinigten Staaten.

China macht eine Brics-Mitgliedschaft interessant

Die Brics-Gruppe ist für viele Länder vor allem wegen der Mitgliedschaft Chinas interessant. Das Reich der Mitte stellt circa 60 Prozent der Wirtschaftsleistung der Staatengemeinschaft, die es Peking ermöglicht, in den anderen Mitgliedsstaaten Investitionen vorzunehmen und Kredite zu gewähren.

Mit Interesse werden Experten auch beobachten, wie Xi und der indische Premier Narendra Modi aufeinander zugehen. Die zwei bevölkerungsreichsten Länder der Welt sind geostrategische Rivalen und haben territoriale Streitigkeiten entlang ihrer gemeinsamen Grenze. Beide Länder beanspruchen eine Führungsrolle im globalen Süden. Während China auf die Unterstützung isolierter, antiwestlicher Mitgliedsstaaten wie Russland und Iran und eine Abkehr vom Westen setzt, wollen sich Indien, Brasilien und Südafrika, die wichtigsten Demokratien der Gruppe, nicht von den USA lossagen. Für diese Länder bietet die Brics-Gruppe die Möglichkeit, zwischen Peking und Washington zu vermitteln.