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Paragraf 218Bundestag: Keine Bewegung zu Abstimmung über Neuregelung von Abtreibung

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Anlässlich der Sachverständigenanhörung vom Rechtsausschuss demonstrieren Bündnisse mit einem überdimensionalen Uterus für sexuelle Selbstbestimmung und für die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen vor dem Paul-Löbe-Haus.

Anlässlich der Sachverständigenanhörung vom Rechtsausschuss demonstrieren Bündnisse mit einem überdimensionalen Uterus für sexuelle Selbstbestimmung und für die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen vor dem Paul-Löbe-Haus. (Archivbild)

Der Rechtsausschuss des Bundestags hat Experten zu einer möglichen Änderung des Abtreibungsrechts angehört. Danach passierte - nichts. Die Befürworter hoffen dennoch weiter.

Im Bundestag zeichnet sich weiterhin keine Abstimmung über eine Änderung der rechtlichen Regeln zu Abtreibungen noch vor der Wahl ab. Eine der Initiatorinnen eines entsprechenden Gesetzentwurfs, die SPD-Abgeordnete Carmen Wegge, sagte am Montagabend nach einer Expertenanhörung im Rechtsausschuss, eine Abstimmung wäre noch möglich.

Man wolle diese aber „nur mit einer klaren demokratischen Mehrheit erwirken“. Ohne positive Signale von der Union und der FDP riskiere man eine Zufallsmehrheit mit Stimmen der AfD. „Diese rote Linie überschreiten wir nicht.“ Man werde bis zur Wahl am 23. Februar und danach für eine Änderung kämpfen.

Paragraf 218: Gesetzentwurf über Änderung der rechtlichen Regeln zu Abtreibungen sehr umstritten

In der Anhörung war der Gesetzentwurf unter den Experten sehr umstritten. Manche Sachverständige hielten die geplante Änderung mit Blick auf den Schutz ungeborenen Lebens für verfassungswidrig, andere hielten sie hingegen für verfassungsrechtlich möglich und für eine bessere Versorgung bei Schwangerschaftsabbrüchen für notwendig. Am Ende der Anhörung wurde die Sitzung des Ausschusses ohne weitere Absprachen zum weiteren Vorgehen beendet.

Kern des vorliegenden interfraktionellen Gesetzentwurfes ist es, Schwangerschaftsabbrüche aus dem Strafgesetz herauszunehmen. Abbrüche bis zur zwölften Woche sollen stattdessen „rechtmäßig und straffrei“ sein und im Schwangerschaftskonfliktgesetz geregelt werden. Dass der Bundestag noch vor der Bundestagswahl über den Entwurf abstimmt, galt zuletzt als sehr unwahrscheinlich, da am Dienstag bereits der letzte geplante Sitzungstag des Bundestags in der laufenden Legislaturperiode ist. SPD und Grüne sowie ein Teil der FDP sind für eine Reform, Union und AfD dagegen.

Der Jurist Gregor Thüsing, der auch Mitglied des Deutschen Ethikrates ist, warb in der Anhörung dafür, dem Thema nach der Wahl mehr Zeit und Raum zu geben. Er kritisierte den vorliegenden Gesetzentwurf als „juristisch radikal“, da er eine deutliche Absenkung des Schutzes des ungeborenen Lebens nach sich ziehen würde. Damit werde die „Brandmauer des Lebensschutzes eingerissen“.

Die Strafrechtlerin Frauke Rostalski, ebenfalls Mitglied des Ethikrates, hält den Gesetzentwurf ebenfalls für verfassungswidrig. Eine mangelhafte Versorgungslage sei empirisch zudem nicht nachgewiesen. In der Abwägung des Lebensschutzes und der Selbstbestimmung der Frau genieße der Lebensschutz Vorrang. Rostalski warb dafür, als Gesellschaft etwa mehr für Alleinerziehende oder Eltern von Kindern mit Behinderung zu tun, um die Selbstbestimmung zu stärken. Die katholische Kirche hatte ebenfalls bemängelt, dass der Gesetzentwurf den Schutz des ungeborenen Kindes deutlich zurücknehme.

Abtreibungen: Befürworterinnen des Gesetzentwurfs heben Grundrechte von Schwangeren hervor

Befürworterinnen des Gesetzentwurfs wie die Verfassungsrechtlerin Frauke Brosius-Gersdorf oder die Juristin Liane Wörner warben hingegen dafür, die Neuregelung zu beschließen. Sie wirke einer Stigmatisierung von Schwangeren entgegen.

Brosius-Gersdorf sagte, das Lebensrecht des ungeborenen Kindes stehe in der Frühphase der Schwangerschaft in der Abwägung hinter den Grundrechten der Schwangeren zurück. Beide Juristinnen gehörten einer von der früheren Ampel-Koalition eingesetzten Kommission an, die im April 2024 eine Liberalisierung von Abtreibungen empfohlen hatte.

Die Vorsitzende des Deutschen Frauenrats, Beate von Miquel, sagte, es sei Zeit, Ärzte und ungewollt Schwangere nicht länger zu stigmatisieren und zu kriminalisieren. Der Koordinator der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe für die aktuelle Leitlinie zum Schwangerschaftsabbruch, Matthias David von der Berliner Charité, sagte, aus seiner Sicht sei gerade die bestehende dreitägige Beratungsfrist sehr wichtig.

Derzeit sind in Deutschland Schwangerschaftsabbrüche laut Paragraf 218 des Strafgesetzbuchs rechtswidrig. Abtreibungen in den ersten zwölf Wochen bleiben aber straffrei, wenn die Frau sich zuvor beraten lässt. Ebenso straffrei bleibt der Eingriff aus medizinischen Gründen sowie nach einer Vergewaltigung. Um den in den 1990er Jahren erzielten Kompromiss wurde seinerzeit lange gerungen. (kna)