Corona-DebatteSchäuble bekommt Lob für provokante Äußerungen
- Die Politik dürfe sich in der Corona-Krise nicht ausschließlich am Schutz des Lebens orientieren, fordert der Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble.
- Dies löste eine Debatte in Politik und Gesellschaft aus.
- Der 77 Jahre alte Politiker, der selbst zur Hochrisikogruppe zählt, fürchtet, dass die Stimmung in der Gesellschaft bald kippen wird – damit ist er nicht alleine.
Berlin/Köln – Mit einer Warnung, dem Schutz des Lebens in der Corona-Krise absoluten Vorrang vor allen anderen Gütern zu geben, hat Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) eine Debatte in Politik und Gesellschaft ausgelöst. Die Vorsitzende des Europäischen Ethikrats, die Kölner Professorin Christiane Woopen, sprach vom Zutagetreten verdrängter gesellschaftlicher Verwerfungen, über die ein neues und vertieftes Nachdenken erforderlich sei. „Die Corona-Krise stößt uns mit Wucht auf Themen, die für unsere Gesellschaft und unser Wirtschaftssystem fundamental sind“, sagte Woopen dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Jetzt sei die Zeit und erzwungenermaßen auch die Gelegenheit, „neu und vertieft darüber nachzudenken, wie wir unsere Zukunft gestalten möchten“.
„Die Menschenwürde schließt nicht aus, dass wir sterben müssen“
Der katholische Bischof von Essen, Franz-Josef Overbeck, lobte Schäubles Debattenbeitrag als „differenziertes Bild der gegenwärtigen sehr komplexen Lage“. Overbeck sagte dieser Zeitung, er halte es nicht nur für unangemessen, sondern sogar für gefährlich, unter Verweis auf den absolut übergeordneten Schutz des Lebens „jede weitere notwendige Diskussion moralisch von vornherein unmöglich zu machen“. Stattdessen brauche es den „Mut, offen zu benennen, dass es keine einfachen und unstrittigen Wege aus der Krise geben wird“, so Overbeck.
Schäuble hatte dem Berliner „Tagesspiegel“ gesagt: „Wenn ich höre, alles andere habe vor dem Schutz von Leben zurückzutreten, dann muss ich sagen: Das ist in dieser Absolutheit nicht richtig.“ Wenn es im Grundgesetz überhaupt einen absoluten Wert gebe, dann sei es die Menschenwürde.
„Die ist unantastbar. Aber sie schließt nicht aus, dass wir sterben müssen“, betonte der Bundestagspräsident. „Der Staat muss für alle die bestmögliche gesundheitliche Versorgung gewährleisten. Aber Menschen werden weiter auch an Corona sterben.“
Schäuble selbst gehört zur Hochrisikogruppe
Der 77 Jahre alte Politiker, der seit einem Attentat 1990 im Rollstuhl sitzt, brachte auch seinen eigenen Fall zur Sprache: „Mit allen Vorbelastungen und bei meinem Alter bin ich Hochrisikogruppe. Meine Angst ist aber begrenzt. Wir sterben alle.“
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Schäuble warnte, in der Corona-Krise könnte die Stimmung in der Bevölkerung bald kippen. „Es wird schwieriger, je länger es dauert. Zwei Jahre lang einfach alles stillzulegen, auch das hätte fürchterliche Folgen.“
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz warf Schäuble hingegen vor, er bringe die Würde gegen den Schutz des Lebens in Stellung. (mit kna)