- In der vergangenen Woche haben sich zwischen 600 und 1300 Menschen pro Tag in Deutschland mit dem Coronavirus infiziert.
- Die Kliniken geraten aber unter anderem aufgrund des gesunkenen Durchschnittsalters der Infizierten noch nicht in Not.
- Im Winter treffen allerdings Corona und die saisonübliche Influenza aufeinander. Außerdem wird sich unser Alltag erneut verändern.
Köln – Die Sorge vor steigenden Infektionszahlen und in der Folge vor neuen Einschränkungen im Alltag mit Beginn der kälteren Jahreszeiten ist groß. Hinzu kommt, dass das Gesundheitssystem im Winter durch jährliche Grippewellen ohnehin beansprucht wird. Was passiert, wenn Corona und Influenza zusammentreffen? Die Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Die Ausgangslage
Die Zahl der nachgewiesenen Covid-19-Fälle in Deutschland hat am Montag die Marke von 250 000 geknackt, 9325 Menschen sind bislang an den Folgen der Erkrankung gestorben. Die Zahl der Neuinfektionen schnellte im August zum Ende der Reisezeit auf bis zu 2000 pro Tag nach oben. Die Lage hat sich inzwischen wieder etwas beruhigt: In der vergangenen Woche lag sie zwischen 600 und 1300 pro Tag. Akut erkrankt sind aktuell bundesweit knapp 20 000 Menschen. Im Vergleich zum Höhepunkt der Pandemie im April und Mai hat sich der Anteil der Patienten mit schwerem Verlauf deutlich reduziert.
Das liege zum einen am geringeren Durchschnittsalter der Patienten, sagt Clara Lehmann, Infektiologin an der Uniklinik Köln und Mitglied des Corona-Expertenteams des „Kölner Stadt-Anzeiger“. Es könne aber auch sein, „dass sich SARS-CoV-2 so verändert hat, dass es mildernde Auswirkungen auf den Krankheitsverlauf von Covid-19 hat“, so Lehmann weiter. Nur in der kreisfreien Stadt Landshut wird derzeit die Marke von 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in den vergangenen sieben Tagen knapp überschritten (51,1). In NRW liegt die 7-Tages-Inzidenz in allen Landkreisen bei unter 25.
Situation in Krankenhäusern
Bundesweit werden nach Angaben des DIVI-Registers aktuell 226 Covid-19-Patienten auf Intensivstationen behandelt, darunter 134 Menschen, die beamtet werden müssen. Nachdem im Frühjahr der Lockdown vor allem aufgrund der Sorge vor nicht ausreichenden Kapazitäten in Krankenhäusern verhängt worden war, sind die Kliniken von Engpässen derzeit weit entfernt.
Bundesweit sind rund 10000 Intensivbetten aktuell frei. Es sei nicht zu erwarten, dass das Gesundheitssystem in die Knie geht, sagt Uwe Janssens, Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI). „Wir sind ganz klar besser vorbereitet.“
Grippe-Welle und Impfung
Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) beginnt die Grippesaison üblicherweise Anfang Oktober und dauert bis Mitte Mai an. „Die jährliche Grippewelle hat in den vergangenen Jahren meist im Januar begonnen und drei bis vier Monate gedauert“, so das RKI.
Die Zahl der Erkrankungen steigt üblicherweise im Herbst im Vergleich zu den Sommermonaten deutlich an und erreichte in den vergangenen Jahren zumeist im Februar ihren Höhepunkt.
Wissenschaftler aus Großbritannien warnen explizit vor einer Grippe-Welle während der Corona-Pandemie. Weil sich Menschen vermehrt in geschlossenen Räumen aufhielten, steige das Infektionsrisiko. Die Experten gehen für Großbritannien von einem „Worst-Case-Szenario“ mit bis zu 120 000 Toten aus.
Ärztepräsident Klaus Reinhardt glaubt hingegen, dass die Grippesaison unter anderem wegen der Corona-Hygieneregeln harmloser verlaufen könnte als in früheren Jahren. „Durch die Corona-Routine, also durch häufiges Händewaschen, Maskentragen und Abstandhalten, werden Infektionen insgesamt reduziert“, sagte Reinhardt den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Trotz der Corona-Pandemie spricht sich die Ständige Impfkommission (Stiko) weiterhin für Grippeimpfungen vor allem für Risikogruppen in Deutschland aus. Der Fokus in der Grippesaison 2020/21 solle „klar auf Risikogruppen für schwere Krankheitsverläufe liegen“, schreibt das Expertengremium am RKI in einer aktuellen Stellungnahme. Als Beispiele werden Senioren und chronisch Kranke genannt.
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Die Stiko stellt sich damit gegen Vorschläge, die Impfempfehlung auf die gesamte Bevölkerung auszuweiten. Zum Schutz der Menschen und zur Entlastung der Gesundheitssysteme sei der größte Effekt zu erreichen, wenn die Impfquoten vor allem in den Risikogruppen „erheblich gesteigert“ würden, betont die Kommission. Möglichst geimpft werden sollten laut dem Papier auch Ärzte, Pflegekräfte, Schwangere und Bewohnern von Alten- und Pflegeheimen.
Ärzte hatten zuvor dazu geraten, auch Kinder impfen zu lassen, da die Viren oft in Schulen und Kindergärten grassierten. „Durch eine Ausweitung der Impfempfehlung auf die gesamte Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland könnte es zu einer Unterversorgung der Risikogruppen kommen“, so die Stiko.
Wie ändert sich die Lage?
Aufgrund der bevorstehenden kälteren Jahreszeiten werden Veranstaltungen, Gastronomie-Angebote und private Treffen nicht mehr unter freiem Himmel stattfinden können. Die schwarz-gelbe Landesregierung will daher künftig auf technische Lösungen wie etwa Luftfilter in der Gastronomie und im Einzelhandel setzen. Außerdem sprach sich Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ dafür aus, der Gastronomie das Aufstellen von Heizpilzen zu erlauben. „Wir wollen den Wirten mehr Außengastronomie ermöglichen. Heizpilze aufstellen zu können, gehört mit zu diesem Konzept“, so Laschet.
Weil die hohen Infektionszahlen im August unter anderem auf infizierte Reiserückkehrer zurückzuführen sind, rief Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) die Bürger am Wochenende eindringlich dazu auf, Herbstferien und Weihnachtsurlaub in Deutschland zu verbringen. Man habe beim Winterurlaub in Ischgl und im Sommerurlaub gesehen, dass „zumindest bestimmte Arten von Reisen und Urlaub Risiken mit sich bringen und Infektionen mit zurück nach Deutschland bringen“, sagte Spahn Samstag in Berlin. „Das haben wir mit großem Aufwand, aber jetzt für diese Reiserückkehrer-Situation gut in den Griff bekommen.“ (mit dpa)