Volksnah und bescheiden bis zur Bedürfnislosigkeit: Bischof Kamphaus wurde seinerzeit in seinem Bistum und darüber hinaus fast wie ein Heiliger verehrt. Er wurde 92 Jahre alt.
Alt-Bischof von LimburgFranz Kamphaus ist gestorben – Warum man sich an ihn erinnern sollte
Franz Kamphaus war ein Mann, der Gegensätze in sich vereinte. Von schmaler, zerbrechlicher Statur und über lange Jahre von einem Nervenleiden angegriffen, zeichnete den früheren Bischof von Limburg auch die Dickschädeligkeit des Münsterländers aus. Beharrlich, unbeirrbar, unbeugsam verfolgte der 1932 in Lüdinghausen geborene Geistliche das, was er für richtig erkannt hatte.
Im größten kirchenpolitischen und ethischen Konflikt seines Lebens machte ihn das zu einem Gegenspieler des Papstes und des Vatikans. Wider Willen, wie sogleich hinzuzufügen ist. Denn für einen Kirchenrebellen war der 1959, noch vor der Reformära des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962 bis 1965) zum Priester geweihte Kamphaus viel zu sehr Traditionskatholik, groß geworden mit einer kindlichen Liebe zu seiner Kirche und mit dem selbstverständlichen Sinn für ihre hierarchische Verfassung.
Kamphaus legte sich quer
Aber als in den späten 1990er Jahren der damalige Papst Johannes Paul II. und sein oberster Glaubenshüter, Kardinal Joseph Ratzinger (nachmals Papst Benedikt XVI.) von den deutschen Bischöfen den Ausstieg aus dem staatlichen System der Schwangerenkonfliktberatung verlangten, da legte Kamphaus sich quer. Zuerst zusammen mit einem Dutzend anderer Oberhirten, nach einem ultimativen Machtwort Roms dann ganz allein.
Der Papst und Ratzinger sorgten sich um den unzweideutigen Einsatz der Kirche für das ungeborene Leben. Wenn Frauen mit einem Beratungsschein etwa der Caritas straffrei eine Abtreibung vornehmen lassen könnten, dann sei das eine „Verdunkelung“ der katholischen Lehre und des kirchlichen Zeugnisses.
Kamphaus dagegen, der sich intensiv über die Arbeit der Beratungsstellen informiert hatte, wollte ratsuchende Schwangere in ihrer Not nicht alleine lassen. Wer sich auf das Leben der Menschen mit all seinen Untiefen und Abgründen einlasse, der müsse sich bisweilen die Hände schmutzig machen. Das war seine Überzeugung. Die weiße Weste gehörte für Kamphaus nicht zur Berufskleidung des Seelsorgers. Die Integrität und Glaubwürdigkeit, mit der Kamphaus das vertrat, machten solchen Eindruck auf Johannes Paul, dass er ihn 1999 im Bistum Limburg noch mehrere Jahre gewähren ließ und von einer Amtsenthebung absah.
Fast wie ein Heiliger verehrt
Dafür mag auch eine Rolle gespielt haben, dass Kamphaus in seinem Bistum und darüber hinaus fast wie ein Heiliger verehrt wurde: volksnah, bescheiden bis zur Bedürfnislosigkeit. Der verbeulte Golf, den er für seine Fahrten statt einer schwarzen Limousine nutzte, war ein Statement. Anstelle des Bischofshauses, dessen extravaganter Ausbau durch seinen Nachfolger Franz-Peter Tebartz-van Elst den Kontrast noch augenfälliger und nicht nur für Kamphaus-Fans noch unerträglicher machte, bewohnte Kamphaus ein Zweizimmer-Apartment im Priesterseminar. Und schon lange, bevor Papst Franziskus die „Synodalität“ als katholisch gedimmte Spielart von Demokratie zum Programmwort promovierte, pflegte Kamphaus bis zu seiner Emeritierung als Bischof 2007 über ein Vierteljahrhundert hinweg die angestammten Formen der Mitbestimmung der Gläubigen.
Kamphaus war überdies ein charismatischer, sprachsensibler Verkünder des Evangeliums. Funkelnde Formulierungen wie „Mach’s wie Gott, werde Mensch!“ sind in die Sammlung geflügelter Prediger-Worte eingegangen. Dass Kamphaus den Skandal des sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen nicht als Systemversagen der Kirche begriff, im Zweifel dem Schutz der Institution und der Täter aus dem Priesterstand den Vorrang gab vor einem konsequenten Eintreten für die Opfer – diesen blinden Fleck teilt er mit praktisch allen Hierarchen nicht nur seiner Generation. Am Montag ist Franz Kamphaus im Alter von 92 Jahren in Rüdesheim gestorben.