Deutscher JahrhundertboxerWas das Leben von Max Schmeling ganz besonders macht
- Vor 90 Jahren wird der deutsche Jahrhundert-Boxer Max Schmeling in New York Weltmeister im Schwergewicht.
- Seine Art, sein Lebenswandel und seine Großzügigkeit machen ihn zu einem Sporthelden.
- Ein Porträt eines extrem bewegten Lebens, auch geprägt von zwei Weltkriegen.
Es ist nicht seine krachende Rechte, die Max Schmeling zum ersten deutschen Schwergewichts-Weltmeister macht. Und nicht seine Art, in der zweiten Hälfte eines Kampfes aufzudrehen. Maximilian Adolph Otto Siegfried Schmeling, geboren in Klein Luckow am Rande der Uckermark, aufgewachsen in Hamburg und zum Boxer gereift in Köln, genannt der „Ulan vom Rhein“, bestieg am 12. Juni 1930 den ultimativen Thron des Profiboxens, weil ihn sein Gegner Jack Sharkey unter der Gürtellinie traf.
Es war nicht der Sieg, den Schmeling sich gewünscht hatte. Aber dieser Triumph vor 90 Jahren gehört unbestritten zu jenen, die entscheidend waren für seinen Werdegang. Die aus dem Sohn einer Bauerstochter und eines Steuermannes den „Deutschen Sportler des 20. Jahrhunderts“ machten, zu dem er 1999 gekürt wurde. „Dass ich zum Idol wurde, verdanke ich mehr der Zeit als mir selber“, schrieb Schmeling in seinen Erinnerungen. Ganz die bodenständige Persönlichkeit, die er bei allem Erfolg, Ruhm und Reichtum immer geblieben war. Aber auch scharfsichtig die eigene Geschichte betrachtend, denn es lässt sich nicht leugnen: Dass Schmeling sich durch die bewegte deutsche Historie des 20. Jahrhunderts boxte, trägt entscheidend zur Faszination seines Lebenswegs bei.
Er war der Liebling der Bohème in der Weimarer Republik und durchlebte die Zeit des Faschismus weitgehend unpolitisch – er verkehrte einerseits mit Adolf Hitler und nahm dessen Glückwünsche an, und er beharrte andererseits auf seinem jüdischen Manager und beschützte in der Pogromnacht von 1938 zwei junge Juden. Schmeling war im Zweiten Weltkrieg als Fallschirmjäger an der Front und kehrte als Flüchtling zurück, verlor sein Hab und Gut, wurde während des Wiederaufbaus als Unternehmer erneut reich und bewahrte sich bis zu seinem Tod mit 99 Jahren sein großzügiges Wesen, das ihn zu unermüdlicher Wohltätigkeit trieb.
Einer seiner meist zitierten Sätze lautet: „Wenn es einem gutgeht, soll man dafür sorgen, dass es auch anderen gutgeht.“
An jenem 12. Juni 1930 war es nicht einmal zwei Jahre her, dass Schmeling seinen ersten Kampf in den USA bestritten hatte. Nur fünf Duelle und einen Wechsel von seinem deutschen Manager Arthur Bülow zum Amerikaner Joe Jacobs hatte er benötigt, um im Mutterland des Profiboxens zum annehmbaren Gegner des Amerikaners Jack Sharkey im Kampf um die vakante WM-Krone zu avancieren.
In einem Radiointerview kurz vor dem Kampf gab er sich „zuversichtlich und nachdenklich“. Denn: „Wir Deutschen haben im Boxsport nichts hinter uns, aber alles vor uns.“ Das deutsche Profiboxen wurde damals geboren, ebenso wie die Medienwelt. Und Schmeling wurde zu einem ihrer ersten Stars. Millionen Fans verfolgten die Übertragungen seiner Kämpfe an knisternden Radio-Kisten.
Vor Ort ins Yankee-Stadion in der New Yorker Bronx kamen 80 000 Zuschauer. Sie wollten Sharkey siegen sehen. Mit 93 Kilogramm verteilt auf 1,83 Meter war der Amerikaner acht Kilogramm schwerer als der Deutsche und zwei Zentimeter kleiner. In den ersten drei Runden war er Schmeling klar überlegen, attackierte mit harten Schlägen, landete aber keinen entscheidenden Treffer. In der vierten Runde dann fabrizierte Sharkey einen unappetitlichen Tiefschlag, Schmeling ging mit einem Aufschrei zu Boden. Der Ringrichter zögerte – und erklärte den Außenseiter schließlich zum ersten und bis heute einzigen deutschen Profi-Boxweltmeister im Schwergewicht.
Als Amateur beim Mülheimer Box-Club und beim SC Colonia
Max Schmeling war 16, als er die ersten Lektionen des Boxens lernte. Angestachelt vom Kinofilm über den WM-Kampf im Schwergewicht zwischen Jack Dempsey und Georges Carpentier nahm er 1921 ersten Boxunterricht. Ein Jahr später zog er ins Rheinland, die damalige Hochburg des Boxens in Deutschland. Er arbeitete für eine Brunnenbaufirma in Düsseldorf, wurde 1923 in eine Filiale nach Köln-Mülheim versetzt, boxte als Amateur beim Mülheimer Box-Club und beim SC Colonia. Im August 1924 schließlich feierte er in der Tonhalle in Düsseldorf seinen ersten Sieg als Profiboxer.
Zur Person
Max Schmeling, geboren am 28. September 1905 in Klein Luckow im Osten Mecklenburg-Vorpommerns, gestorben am 2. Februar 2005 in Wenzendorf im Landkreis Harburg in der Nähe Hamburgs. Schmeling war von 1933 bis zum Tod seiner Frau im Jahre 1987 mit der Schauspielerin Anny Ondra verheiratet, das Paar blieb kinderlos. Schmeling war zwischen 1930 und 1932 Box-Weltmeister im Schwergewicht. Bis heute gilt er als einer der populärsten Sportler Deutschlands, als dessen Jahrhundertsportler er gekürt wurde. (ksta)
Bis zum 31. Oktober 1948 folgten 69 weitere Duelle im Ring. 56 gewann Schmeling, 39 durch Knock-out. Allerdings verlor er auch zehn Kämpfe und boxte viermal unentschieden. Das ist keine schillernde Bilanz. Lediglich vier WM-Kämpfe machen vermeintlich auch nicht so richtig viel her. Zum Vergleich: Muhammad Ali, „Der Größte“, feierte in 61 Kämpfen 56 Siege, er verlor fünfmal – und in 35 seiner Kämpfe ging es um Weltmeisterschaftsehren. Doch es ist eben nicht die Anzahl seiner Kämpfe oder Siege, die Schmelings Größe bedingen.
Schmeling und Ondra – ein Traumpaar ohne Kinder
Es sind sein Weg, seine Art, sein Durchhaltevermögen. Als es ihn 1928 in die USA zog, hatte er in Deutschland als Deutscher Meister und Europameister für Furore gesorgt. Damals galten diese Titel noch etwas. Seine Erfolge waren Schmelings Ticket in die deutschen Künstlerkreise, wo er 1930 die Liebe seines Lebens traf, die Schauspielerin Anny Ondra. 1933 heirateten der Boxer und seine Anny und blieben bis zu Ondras Tod im Jahr 1987 ein Traumpaar. Ohne Skandale oder Allüren – aber auch ohne Kinder.
Ein Jahr nach seinem WM-Sieg über Jack Sharkey verteidigte Schmeling den Titel in Amerika erfolgreich gegen Young Stribling. Und wieder ein Jahr später trat er im Madison Square Garden zum Rückkampf gegen Sharkey an. Auch die Amerikaner mochten ihn inzwischen, wollten lieber den Deutschen als den als Prahler geltenden Sharkey gewinnen sehen. Schmeling reiste zuversichtlich an und kämpfte überzeugend. Dennoch verlor er seinen Titel durch „split decision“, ein uneinheitliches Punkturteil der Kampfrichter. Sein Manager Joe Jacobs brüllte: „Wir wurden beraubt!“ Schmeling, leichenblass, gratulierte dem Sieger.
Er geriet daraufhin in eine sportliche Krise, kassierte 1933 und 1934 zwei weitere Niederlagen und ein Unentschieden, berappelte sich wieder und durfte schließlich 1936 gegen den großen und bis dahin ungeschlagenen Joe Louis antreten. Schmeling besiegte seinen Gegner durch K. o. in der zwölften Runde, völlig überraschend und zur großen Freude von Hitlers Propagandamaschinerie. Der Kampf kam als „Schmelings Sieg – ein deutscher Sieg“ in die Kinos. Als sich Schmeling und Louis, die später zu Freunden fürs Leben wurden, zwei Jahre später, im Juni 1938, zum zweiten Mal im Ring trafen, feierte der Amerikaner einen Erstrundensieg. Und Schmeling sah das rückblickend in seinen Erinnerungen auch positiv, da er sonst „vielleicht zum Parade-Arier“ erhoben worden wäre.
Nach der Niederlage gegen Louis machte Schmeling noch einen EM-Kampf, dann zog Deutschland in den Krieg. 1947 und 1948 stieg er noch fünfmal in den Ring, aber nur, um „neues Startgeld zusammenzukloppen“ – Schmeling war zu diesem Zeitpunkt schon über 40 Jahre alt. Seine Kontakte nach Amerika waren es schließlich, die ihm zu neuem Reichtum verhelfen. Schmeling wurde auf Betreiben eines Freundes aus den USA in Norddeutschland Handelsvertreter für Coca-Cola. Nach dem Tod von Joe Louis im April 1981 beteiligt sich Schmeling an dessen Beerdigungskosten, schon zu Lebzeiten hatte er seinem größten Gegner mal finanziell ausgeholfen. Am 2. Februar 2005, wenige Monate vor seinem 100. Geburtstag am 28. September, starb auch Max Schmeling, der größte deutsche Boxer und Jahrhundertsportler.