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Entsetzen nach neuen Äußerungen„Putins Pressesprecher“ – Trump lügt und schlägt sich auf Moskaus Seite

Lesezeit 5 Minuten
US-Präsident Donald Trump hält während einer Rede im Weißen Haus seinen Finger ausgestreckt. (Archivbild)

Auf die Kritik der Ukraine, nicht zu den Gesprächen über ein Ende des Kriegs eingeladen worden zu sein, reagierte Trump mit Schuldzuweisungen. (Archivbild)

Während manche in seiner Partei die Hinrichtung Putins fordern, übernimmt Donald Trump die Narrative und Lügen des Kremls.

Bereits in den vergangenen Tagen sah es so aus, als könnte es kaum noch schlimmer für die Ukraine kommen – nun wurde Kyjiw von Donald Trump eines Besseren belehrt. Nach den ersten Gesprächen über die Köpfe der Ukraine und Europas hinweg mit russischen Diplomaten in Saudi-Arabien ging der US-Präsident am Dienstagabend an die Öffentlichkeit und sorgte schnell erneut für Entsetzen im Westen.

Bei seinen Äußerungen zu Russlands Krieg gegen die Ukraine übernahm Trump russische Propagandaerzählungen und verbreitete eine absurde Lüge über den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. So behauptete Trump etwa, Selenskyjs Zustimmungswerte in der Ukraine lägen nur noch bei vier Prozent, ohne die Quelle dieser Zahl zu nennen.

Donald Trump verbreitet Lüge über Selenskyjs Zustimmungswert

Belege für diese Behauptung finden sich nicht. Laut der jüngsten Erhebung des Kyiv International Institute of Sociology stieg Selenskyjs Beliebtheit in der Ukraine sogar erstmals seit einem Jahr zuletzt wieder an, 57 Prozent der Befragten sprachen dem ukrainischen Präsidenten im Februar ihr Vertrauen aus.

Das amerikanische Verhandlungsteam rund um Außenminister Marco Rubio zusammen mit der russischen Delegation um Sergej Lawrow in Riad.

Das amerikanische Verhandlungsteam rund um Außenminister Marco Rubio zusammen mit der russischen Delegation um Sergej Lawrow in Riad.

Trumps Zahl scheint demnach frei erfunden zu sein und soll offenbar an das russische Narrativ anknüpfen, dass Selenskyj eigentlich gar nicht mehr rechtmäßig im Amt sei. Der Kreml verbreitete diese Behauptung in den letzten Monaten immer wieder. Mit der Realität hat sie nichts zu tun: Die ukrainischen Gesetze sehen keine Neuwahlen vor, solange das Kriegsrecht verhängt ist. In Deutschland ist das ebenfalls so geregelt.

Putins Scheinwahlen interessieren Trump nicht

Zur Rechtmäßigkeit der Wahlen in Russland sagte Trump unterdessen nichts. Dort regiert Kremlchef Wladimir Putin seit Jahrzehnten – und lässt sich regelmäßig in Scheinwahlen im Amt bestätigen. Den Vorwurf, russische Propaganda zu übernehmen, wies Trump unterdessen von sich: „Das ist keine Sache Russlands. Das kommt von mir.“

Anders sieht das ein ehemaliger US-Botschafter in Russland. „Es IST eine Sache Russlands! Trump wiederholt bloß Putins Propaganda“, schrieb Michael McFaul zu den Ausführungen des US-Präsidenten. „Das ist peinlich … und gefährlich“, fügte der Politikwissenschaftler an, der zwischen 2012 und 2014 als US-Botschafter nach Moskau entsandt war.

Donald Trump gibt Ukraine die Schuld am Krieg

Es war jedoch nicht das einzige russische Narrativ, das von Trump übernommen wurde: Auch die grundsätzliche Schuld für den russischen Angriffskrieg gab Trump schließlich der Ukraine. „Heute habe ich gehört: ‚Na ja, wir wurden nicht eingeladen‘“, erklärte der US-Präsident angesichts der scharfen Kritik aus Kyjiw und aus Europa am Vorgehen der US-Regierung, die bisher lediglich die russischen Wünsche zu berücksichtigen scheint.

„Sie sind seit drei Jahren dabei. Sie hätten es nach drei Jahren beenden sollen. Sie hätten es nie beginnen sollen. Sie hätten einen Deal machen können“, sagte Trump. „In der Praxis hätte das bedeutet, dass die Ukraine sich einer Moskau gegenüber loyalen Marionettenregierung in Kyjiw unterwerfen oder schlicht auf die Kämpfe verzichten hätte müssen, um Putin einen Sieg zu bescheren“, fasste der US-Sender CNN trefflich die Bedeutung von Trumps Worten zusammen.

„Putin kann sein Glück in diesen Tagen kaum fassen“

Nicht viel zu sagen hatte Trump unterdessen dazu, wie ein Friedensabkommen mit Russland konkret aussehen könnte. Für Trump scheint es lediglich darum zu gehen, dass er sein Versprechen, für „Frieden“ zu sorgen, einhalten kann. Ob dabei de facto ein russischer Sieg herauskommt, scheint keine größere Bedeutung zu haben.

„Ich bin sicher, Putin kann sein Glück in diesen Tagen kaum fassen“, erklärte McFaul dazu. „Trumps gnadenloses Einknicken gegenüber Putin wird den russischen Diktator nur ermutigen, noch mehr zu verlangen.“

Gegenwind für Trump kam auch von den Republikanern, wenn auch nur vereinzelt. Der Vorsitzende des Senatsausschusses für die Streitkräfte, Roger Wicker, erklärte gegenüber CNN, dass man Putin nicht trauen dürfe. „Putin ist ein Kriegsverbrecher und sollte für den Rest seines Lebens im Gefängnis sitzen, wenn nicht sogar hingerichtet werden“, erklärte Wicker.

Widerworte bei den Republikanern: „Putin sollte hingerichtet werden“

International sorgten Trumps Worte unterdessen für Entsetzen. „Die tapfere Ukraine hat sich bisher allein gegen Russland, den Iran und Nordkorea gewehrt, allesamt mit chinesischer Unterstützung“, schrieb der ehemalige sowjetische Schachweltmeister und nunmehrige Kremlkritiker Garri Kasparow bei X. „Nun scheint es, als müssten sie auch gegen die Vereinigten Staaten kämpfen, während Trump und Musk versuchen, Putin zu retten.“

Widerspruch kam unterdessen auch aus Großbritannien. „Donald Trump ist der Präsident der Vereinigten Staaten und der Sprecher von Wladimir Putin“, schrieb der britische Abgeordnete der Liberal Democrats Ed Davey zu Trumps jüngstem Auftritt. „Nur wir in Großbritannien und Europa werden die Ukraine schützen.“

„Putin hat bei Trump ein offenes Ohr gefunden“

Auch deutsche Russland-Experten wie der Historiker Matthäus Wehowski zeigten sich konsterniert angesichts der Aussagen aus Washington. „Ich tippe darauf, dass im Kreml schon die Siegesparade in Kyjiw geplant wird“, schrieb Wehowski bei X. „Während Biden, Scholz, Macron und Co. Putins Gefasel zurückgewiesen haben, hat er bei Trump ein offenes Ohr gefunden.“

Europa habe nun nur noch die Wahl, entweder „massiv aufzurüsten“ oder sich auf eine „gigantische Flüchtlingswelle“ vorzubereiten, erklärte Wehowski. Sollte es in Moskau bisher keine Vorbereitungen für eine Invasion Moldaus oder des Baltikums gegeben haben, würden diese „spätestens jetzt anlaufen“, führte Wehowski aus.

Moskau nutzt Gespräche mit USA für Drohungen gegen Europa

Tatsächlich hat Moskau die Gespräche mit den USA auch genutzt, um Drohungen an Europa zu richten, in den Moskauer TV-Studios wird über mögliche Angriffe auf EU-Hauptstädte und das Baltikum nahezu täglich diskutiert. Alle Unterstützer der Ukraine würden irgendwann zur Rechenschaft gezogen, hieß es am Dienstag etwa aus dem russischen Außenministerium.

Auch mit Trumps jüngsten Aussagen zeigt man sich im Kreml nun überaus zufrieden. „Ich habe keinen Grund zu der Annahme, dass Präsident Trump irgendetwas tut, um irgendjemandem zu gefallen“, erklärte Außenminister Sergej Lawrow am Mittwoch. „Er ist auch eine Person, die es gewohnt ist, offen zu sprechen. Und solche Leute verbergen normalerweise nicht ihre Meinung über erbärmliche Individuen wie Herrn Selenskyj“, hieß es weiter aus Moskau.

Der ukrainische Präsident, der sich zuletzt betont diplomatisch gegenüber den USA verhalten hatte, am Dienstag aber schließlich seine Reise nach Saudi-Arabien aus Verärgerung über Trumps Vorgehen abgesagt hatte, reagierte am Mittwoch ebenfalls auf Trumps Worte.

Selenskyj weist Trumps Lüge zurück: „Kommt aus Russland“

Der US-Präsident lebe „leider in diesem Bereich der Desinformation“, erklärte der Ukrainer mit Blick aufs Trumps Lüge über seine Zustimmungswerte. „Wir haben diese Falschinformation gesehen, wir nehmen an, dass sie aus Russland kommt.“

Die Kritik aus Kiew zeigte prompt Wirkung in Washington. Am Mittwochnachmittag warf Trump dem ukrainischen Präsidenten schließlich vor, ein „Diktator ohne Wahlen“ zu sein – und wiederholte seine Lüge über angeblich geringe Zustimmungswerte.

Der Artikel wurde nach Trumps erneuter Wortmeldung aktualisiert.