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Langwieriger Prozess erwartetEx-RAF-Terroristin Daniela Klette vor Gericht – war es versuchter Mord?

Lesezeit 4 Minuten
Transporter vor dem Oberlandesgericht Celle.

Vor dem Start des Gerichtsprozesses ist die Angeklagte mit einem Transporter aus dem Gefängnis zum Oberlandesgericht Celle gebracht worden.

Der Prozess gegen Daniela Klette beginnt unter hohen Sicherheitsvorkehrungen. Inzwischen ist die Angeklagte im Gericht angekommen.

Sie tanzte, soll Nachhilfe in Mathe gegeben haben – und alle paar Jahre mit ihren ehemaligen RAF-Komplizen auf Raubzug gegangen sein. Nach 35 Jahren im Untergrund steht Daniela Klette nun vor dem Landgericht Verden. Aus Sicherheitsgründen beginnt die Verhandlung im Staatsschutzsaal in Celle.

Schon seit vielen Jahren ermittelt die Staatsanwaltschaft Verden gegen die 66-Jährige. Ihre Akte füllt unzählige Ordner, allein die Anklage umfasst laut Gericht mehr als 600 Seiten. Die Ermittler werfen ihr vor, an mindestens 13 Raubüberfällen beteiligt gewesen zu sein. Manchmal fielen Schüsse, so geht es im Prozess auch um versuchten Mord und unerlaubten Waffenbesitz.

Kurz vor dem Beginn des Prozesses gegen die ehemalige RAF-Terroristin ist die Angeklagte im Oberlandesgericht Celle eingetroffen. Die streng bewachte Frau wurde mit einem grauen Transporter von der Justizvollzugsanstalt für Frauen in Vechta nach Celle gefahren.Einsatzkräfte sicherten die Fahrt und Ankunft ab. Mehrere Polizeifahrzeuge waren im Einsatz. Die Angeklagte saß hinter getönten Scheiben in dem Transporter, wie eine dpa-Reporterin berichtete.

Vom Untergrund in den Fokus der Öffentlichkeit

Nach Jahrzehnten im Untergrund werden sich im Prozess alle Augen auf Klette richten. Wie verhält sich eine der jahrelang meistgesuchten Frauen Deutschlands – eine ehemalige RAF-Terroristin, eine mutmaßliche Räuberin?

Spätestens 1990 verschwand Klette von der Bildfläche. In ihrer Wohnung in Berlin-Kreuzberg hortete sie Waffen und Bargeld, nach außen führte sie ein normales Leben. Nachbarn schildern „Claudia“ als freundliche, grauhaarige Nachhilfelehrerin Mitte 60 mit einem langen Zopf und einem Hund.

Millionen für das Leben im Untergrund – war es versuchter Mord?

Was sie bis zur Festnahme im Februar 2024 nicht ahnten: Die Frau aus dem fünften Stock soll an einer Reihe von ebenso spektakulären wie professionellen Raubüberfällen beteiligt gewesen sein. Mit ihren mutmaßlichen Komplizen Ernst-Volker Staub und Burkhard Garweg soll sie zwischen 1999 und 2016 Geldtransporter und Supermärkte in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein überfallen haben, um ihr Leben im Untergrund zu finanzieren. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft erbeutete das Trio 2,7 Millionen Euro.

Bei den Überfällen sollen die ehemaligen Terroristen auch nicht vor Gewalt zurückgeschreckt haben. Laut Anklage sollen sie ihre Opfer mit Elektroschockern oder Schusswaffen bedroht haben. So auch bei einem Überfall auf einen Geldtransporter in Stuhr nahe Bremen im Juni 2015: Ein Maskierter schoss mit einem Schnellfeuergewehr dreimal auf das Fahrzeug, eine Kugel drang in die Fahrerkabine ein und blieb in der Lehne stecken. Die Staatsanwaltschaft wertet die Tat als versuchten Mord.

Ermittler tappen lange im Dunkeln – von Komplizen fehlt weiter jede Spur

Die Überfälle waren nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft monatelang geplant, nichts wurde dem Zufall überlassen. So entdeckten die Ermittler lange Zeit keinen Zusammenhang zwischen den Taten. Bis DNA-Spuren auftauchten, 2015 nahm das niedersächsische Landeskriminalamt eine Zielfahndung nach Klette, Garweg und Staub auf. Von den beiden Komplizen fehlt nach der widerstandslosen Festnahme der 66-Jährigen in Berlin weiter jede Spur.

Auf der Suche nach Beweisen nahmen die Ermittler die Wohnung der Angeklagten auseinander und bauten sie in Hannover wieder auf. Sie fanden nach eigenen Angaben eine täuschend echt wirkende Attrappe einer Handgranate, Waffen, Handschellen, Sturmhauben, ein Kilogramm Gold, mehr als 240.000 Euro Bargeld, digitale Medien sowie Fotos.

Und dann gibt es noch die DNA-Spuren von Klette an Fluchtfahrzeugen. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die 66-Jährige am Steuer saß. Für die Verteidigung jedoch kein eindeutiges Indiz: Es handle sich um sehr komplexe Mischspuren, die theoretisch auch schon Wochen vor den Überfällen hinterlassen worden sein konnten.

Langwieriger Indizienprozess erwartet

„Ja, es wird wohl so sein, dass Frau Klette irgendetwas mit den Überfällen zu tun hatte“, räumte Anwältin Undine Weyers kurz vor dem Prozess in einem Interview der „taz“ ein. „Aber es gibt keinen einzigen Beweis, dass sie an einem der Tatorte war oder welche Rolle sie dabei hatte.“ Klette selbst werde sich über ihre Verteidigung am ersten Prozesstag äußern, jedoch nicht zu einzelnen Vorwürfen.

Ob die mutmaßliche Raubserie vor Gericht aufgeklärt werden kann, bleibt abzuwarten. Zu den Strukturen und Taten der RAF wird es voraussichtlich nur wenige Einblicke geben. Zu diesem Komplex wird eine weitere Anklage erwartet. Dann könnte es unter anderem um Klettes mögliche Rolle bei Anschlägen auf die Deutsche Bank 1990, die US-Botschaft in Bonn 1991 und ein hessisches Gefängnis 1993 gehen.

Für die Verhandlung der Raubüberfälle hat das Landgericht Verden zunächst Termine bis Dezember festgelegt – doch der Prozess wird vermutlich deutlich länger dauern. (dpa)