Ein Mann für viele KrisenEx-Ministerpräsident Wolfgang Clement wird 80 Jahre alt
Wolfgang Clement hat immer viel Glück gehabt im Leben. Das sagt er selbst, und man glaubt ihm das gern. Denn während er es ausspricht, sitzt er im Wohnzimmer seines Bonner Bungalows in der Nähe des Rheins, und die Sonne scheint durch die Terrassenfenster. An der Wand hängt ein Foto, das Wolfgang und Karin Clement inmitten ihrer Familie zeigt. Sie haben fünf Töchter und 13 Enkel: „Acht Jungen, fünf Mädchen“, listet Karin Clement auf. Wolfgang Clement feiert an diesem Dienstag seinen 80. Geburtstag.
„Ich hab auch beruflich viel Glück gehabt im Leben“, sagt er. 1960 zum Beispiel, da wollte er Journalist werden, obwohl sein Vater gar nicht damit einverstanden war. Er schrieb alle Zeitungen in seiner Heimatstadt Bochum und Gegend an, doch nur der Lokalchef der „Westfälischen Rundschau“ antwortete. Dort fing er an. Etliche Jahre später wurde dieser Lokalchef Günter Hammer Chefredakteur des Blattes und machte Clement zu seinem Vertreter. „Dieser Mann war der erste große Glücksfall meines beruflichen Lebens.“
Der nächste hieß Hans-Jürgen Wischnewski, ein SPD-Urgestein. „Er hat mich auch im Namen Willy Brandts gefragt, ob ich Sprecher der SPD werden wollte.“ Das war 1981. Clement rief daraufhin den SPD-Landesvorsitzenden und NRW-Ministerpräsidenten Johannes Rau an und fragte, ob er mal zu ihm kommen dürfe, um die Sache mit ihm zu besprechen.
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„Und so habe ich Johannes Rau kennengelernt. Er hat mir dann geschildert, wie das ist, wenn man im Präsidium zusammensitzt mit Brandt, Schmidt und Wehner.“ Das Verhältnis zwischen den „großen Drei“ der Nachkriegs-SPD – der eine Parteivorsitzender und Ex-Kanzler, der andere amtierender Kanzler, der dritte Fraktionschef – war 1981 äußerst angespannt, namentlich zwischen Brandt und Wehner. Beide besprachen in dieser Zeit – in der die sozialliberale Koalition erkennbar auf ihr Ende zuging – nur noch das Notwendigste miteinander.
Clement machte den Job des SPD-Vorstandssprechers bis fast zum Ende des Bundestagswahlkampfes 1986/87, als er in jenem schrecklichen Sitzungsraum Parteichef Brandt und dem SPD-Kanzlerkandidaten Rau ins Gesicht sagte, dass einer von ihnen zurücktreten müsse, da sie im Wahlkampf einen geradezu gegensätzlichen Kurs verfolgten – konfliktträchtig versus „Versöhnen statt spalten“.
Als sie das prompt ablehnten, warf er selbst hin, kehrte zurück in den Journalismus und zog nach Hamburg, um dort Chefredakteur der „Hamburger Morgenpost“ zu werden. Rau machte sich dann einen Spaß daraus, ihm die Zeitung mit eigenhändig rot markierten Rechtschreibfehlern zurückzuschicken.
Enges Verhältnis zu Johannes Rau
1989 holte ihn Rau als Chef der Staatskanzlei nach Düsseldorf. Im Laufe der Jahre wurde er öffentlich zunehmend als Kronprinz des NRW-Landesvaters charakterisiert, wobei er selbst betont, dass er ursprünglich gar nicht Ministerpräsident habe werden wollen. Das Verhältnis zu Rau war zeitweise so eng, dass die beiden Familien gemeinsam Urlaub machten. Doch der gegen Ende der 90er Jahre aufziehende Wechsel des Ministerpräsidenten ins Bundespräsidialamt schlug sich in mehr und mehr wuchernden Spekulationen über einen tatsächlich oder vermeintlich drängelnden Nachfolger nieder.
„Das war schrecklich und spitzte sich so zu, dass unser Verhältnis darunter am Ende sehr gelitten hat“, sagt Clement. „Ich habe später wieder den Kontakt zu ihm gesucht und auch gefunden, aber es wird dann leider nichts wieder so, wie es war.“ 1998 wurde Clement schließlich selbst Ministerpräsident. Vier Jahre später kam der Ruf aus Berlin: Bundeskanzler Schröder bekniete ihn, als „Superminister“ für Wirtschaft und Arbeit ins rot-grüne Kabinett einzutreten. Clement gab nach – was nicht überall auf Verständnis stieß: „Edmund Stoiber hat einmal zu mir gesagt: »Wie konnten Sie nur aus dem Amt des Ministerpräsidenten des größten der deutschen Länder in die zweite Reihe der Berliner politischen Szene wechseln?«“
Clement sah das anders. In der damals schwierigen Industrie- und Arbeitsmarktlage in NRW sei es ihm um eine grundlegende Veränderung der politischen Rahmenbedingungen gegangen. Die Reformagenda 2010, die er wesentlich mit umsetzte, gilt heute als seine herausragende Leistung. Damit begann aber auch die Entfremdung von der SPD, die 2008 mit seinem Parteiaustritt endete.
Seinen Geburtstag feiert Clement daheim in Bonn. Das Großfamilientreffen in der Toskana ist coronabedingt aufgeschoben. „80 Jahre“, sagt er. „Hätt' ich mir früher auch nicht träumen lassen. Aber es waren tolle Zeiten dabei.“ (dpa)