Ertrunkener FlüchtlingsjungeLetzte Ruhe für Aylan Kurdi in Kobane

Ein Familienbild zeigt Aylan und Galip Kurdi
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Gerd Braune, Frank Nordhausen und Holger Schmale – Sie sind wieder in Syrien. Der kleine Aylan, der auf der Flucht nach Europa ertrank und dessen Foto die Welt erschütterte, ist in seiner Heimatstadt Kobane beigesetzt worden, gemeinsam mit seiner Mutter und seinem Bruder. Auch sie starben im Meer. Vater Abdullah Kurdi, der als einziger den Fluchtversuch überlebt hatte, trug seine Familie zu Grabe. Dem kurdischen Sender Rudaw sagte der Vater: „Ich hoffe, dass meine Geschichte die Menschen dazu bringt, den Flüchtlingen mehr zu helfen.“
Sein Sohn Aylan Kurdi wurde geboren, als die Enklave Kobane bereits unter dem Versorgungsembargo seitens der Türkei und unter Angriffen islamistischer Milizen litt. Als der IS Kobane im vergangenen Oktober angriff, flüchtete die Familie über die Grenze in die Türkei, die so viele Flüchtlinge wie kein anderes Land weltweit aufgenommen hat, darunter bisher mehr als zwei Millionen Syrer. Sie leben oft unter ärmlichsten Umständen, denn die Türkei ist längst an ihre Aufnahmegrenze gelangt. Dort sahen die Kurdis ebenso wenig eine Zukunft für sich wie in ihrer zerstörten Heimat. Deshalb wollte die Familie nach Kanada weiter, wo Verwandte leben. Vater Kurdi, seine Frau Rehan, der dreijährige Aylan und der zwei Jahre ältere Galip hatten vergeblich versucht, ein Visum zu erhalten, sagte Abdullah Kurdis Schwester Tima, die in Vancouver lebt. Den Kurdis blieb nur der Weg über das Wasser.
23 Menschen in zwei winzigen Booten
Insgesamt 23 Passagiere waren sie, Männer, Frauen, Kinder, als sie schließlich am Mittwoch in der türkischen Stadt Bodrum zwei winzige Boote bestiegen, um die knapp fünf Kilometer entfernte griechische Insel Kos zu erreichen.
Das Boot mit den Kurdis sank kurz nach der Abfahrt. Vater Abdullah Kurdi berichtete am Donnerstag dem oppositionellen syrischen Radiosender Rosana FM unter Tränen von seinem Kampf, seine Frau und seine Kinder vor dem Ertrinken zu retten.
Abdullahs Schwester Tima Kurdi berichtete Journalisten, dass ihr Bruder nach seiner Rettung bei den Verwandten in Kanada angerufen habe. „Alles, was er sagte, war: Meine Frau und meine beiden Jungen sind tot.“ Tima Kurdi ist bereits vor 20 Jahren ausgewandert. Im Frühjahr hatte sie sich darum bemüht, ihre Angehörigen nach Kanada zu bringen. Für ihren Bruder Mohammad hatte sie einen Antrag gestellt, der aber von den kanadischen Behörden wegen Unvollständigkeit zurückgewiesen worden war. Für Abdullah war die Hoffnung zerstört, er könne legal nach Kanada reisen. Tima schickte Geld, damit er die Schmuggler bezahlen konnte. Jetzt macht sie sich Vorwürfe, dass sie mit ihrem Geld die tödliche Überfahrt finanzierte.
Inzwischen stellen kanadische Medien kritische Fragen. Einst war ihr Land berühmt dafür, dass es für Menschen in Not Herz zeigte. Aber in den vergangenen zehn Jahren sind die Hürden für Flüchtlinge erhöht worden und die Zahl der akzeptierten Anträge gefallen. Die Behauptung des konservativen Premierministers Stephen Harper, Kanada habe „eines der großzügigsten Verfahren für die Aufnahme von Flüchtlingen“, wird vielfach bezweifelt. Tima Kurdi scheut sich vor Schuldzuweisungen. „Ich gebe nicht der kanadischen Regierung die Schuld. Ich werfe der ganzen Welt vor, den Flüchtlingen nicht genug zu helfen.“ Vor zwei Wochen habe sie noch mit Galip telefoniert. „Tante, kannst Du mir ein Fahrrad kaufen?“ hatte der Junge gefragt.