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Forsa-Studie zur AfDMehrheit befürwortet Abgrenzung der Parteien

Lesezeit 4 Minuten
Tino Chrupalla, Bundessprecher der AfD, spricht auf einer AfD-Kundgebung

Tino Chrupalla, Bundessprecher der AfD, spricht auf einer AfD-Kundgebung

Aktuelle Umfragen und die Ergebnisse von Landtagswahlen in Ostdeutschland geben deutlich Aufschluss darüber, wie die demokratischen Parteien mit der AfD umgehen sollten.

Es geht mal wieder ein Gespenst um in Berliner Parteizentralen: der Höhenflug der AfD in den Meinungsumfragen mitsamt den jüngsten Wahlerfolgen der rechten Partei im Landkreis Sonneberg (Thüringen) sowie am vorigen Sonntag bei der Wahl des Bürgermeisters in der sachsen-anhaltinischen Kleinstadt Raguhn-Jeßnitz. Wie sollen die demokratischen Kräfte darauf reagieren?

Ostdeutsche CDU-Funktionäre rücken von einer Strategie strikter Abgrenzung ab. Allparteienbündnisse gegen die AfD stärkten die Rechtspopulisten und schadeten damit der Demokratie, befand der CDU-Vorsitzende von Thüringen, Mario Voigt. Auch sein Brandenburger Kollege Jan Redmann sieht eine Alle-gegen-eine-„Polarisierung“ nach eigenen Worten kritisch.

Joachim  Frank

Joachim Frank

Chefkorrespondent und Mitglied der Chefredaktion beim „Kölner Stadt-Anzeiger“. Der gebürtige Schwabe mit münsterländischem Migrationshintergrund lebt seit 1996 mit Unterbrechungen in Köln und ist beke...

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Das Meinungsforschungsinstitut Forsa hält mit Wahlergebnissen und demoskopischen Befunden dagegen. „Abgesehen davon, dass die AfD, deren Anhänger das demokratische System in Deutschland und seine politischen Institutionen mehrheitlich ablehnen, gegen alle demokratischen Parteien polarisiert und nicht umgekehrt, belegen die Umfragen ein klares Meinungsbild zum Charakter der AfD und zum gewünschten Umgang der anderen Parteien mit ihr“, sagt Forsa-Geschäftsführer Peter Matuschek.

Drei Viertel der Bürger halten die AfD für keine normale demokratische Partei

Im Forsa-„Trendbarometer“ für RTL/n-tv gaben 76 Prozent Befragten an, dass sie AfD für keine normale demokratische Partei halten, sondern sie am rechtsradikalen Rand ansiedeln. Laut ZDF-Politbarometer sind 78 Prozent der Bundesbürger der Ansicht, dass rechtsextremes Gedankengut in der AfD (sehr) weit verbreitet sei.

Dementsprechend befürworten 73 Prozent der Bundesbürger – wie in Vorwoche von Forsa ermittelt – den Ausschluss von Koalitionen mit der AfD.

Erwartungsgemäß sehen das nur die Anhänger der AfD deutlich anders. Sie sprechen sich zu 95 Prozent für Bündnisse mit ihrer Partei aus. Fast spiegelbildlich ist die Klientel der Parteien aus dem demokratischen Spektrum gegen solche Koalitionen, nur elf Prozent dafür.

Die beiden Wahlergebnisse in Sonneberg und Raguhn-Jeßnitz mit ihren lokalen Besonderheiten ändern aus Matuscheks Sicht nichts an diesem Befund einer Brandmauer in den Köpfen. Der Forsa-Geschäftsführer verweist auf die Besonderheiten einer Stichwahl, die es weder bei Bundestags- noch bei Landtagswahlen gebe.

In Sachsen und Sachsen-Anhalt haben die CDU-Regierungschefs „die Kurve gekriegt“

Neben der aktuell ermittelten Einstellung der Bürgerinnen und Bürger ist nach Aussage Matuscheks insbesondere „ein Rückblick auf konkrete Wahlen und die Auseinandersetzung der demokratischen Parteien mit der AfD aufschlussreich“. So zeigten die vergangenen Landtagswahlen in den ostdeutschen Bundesländern, „wie Wahlen gegen die AfD erfolgreich bestritten werden können“: nämlich mit klarer Abgrenzung.

Mit diesem Kurs gelang der CDU sowohl in der Landtagswahl 2019 in Sachsen (mit einem Zuwachs von sechs Prozent oder 17 000 Stimmen) als auch in der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt 2021 (mit einem Plus von neun Prozent oder. 30 000 Stimmen) mit einem dezidierten Abgrenzungswahlkampf ein besseres Wahlergebnis als in der Bundestagswahl 2017. Als Wahlkämpfer hätten die CDU-Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (Dresden) und Reiner Haseloff (Magdeburg) „die Kurve gekriegt“ und die AfD auf Abstand gehalten.

Auch die Landtagswahl in Brandenburg 2019, in der die SPD unter Ministerpräsident Dietmar Woidke ihren Stimmenanteil gegenüber der Bundestagswahl sogar um 24 Prozent oder 69 000 Stimmen führt Matuschek als Beispiel für den Erfolg eines Umgangs mit der AfD an, der nun ausgerechnet von ostdeutschen CDU-Politikern in Zweifel gezogen wird.

CDU-Niederlagen bei zu großer Nähe zu AfD-Positionen in Ton und Inhalt

Anders als die Union in Sachsen und Sachsen-Anhalt oder die SPD in Brandenburg verlor die Thüringer CDU mit einem eher schwammigen Kurs gegenüber der AfD in der Landtagswahl 2019 mehr ein Drittel ihrer Wähler aus der Bundestagswahl 2017.

Darüber hinaus zeige auch der Blick auf einzelne Wahlkreisergebnisse, dass CDU-Kandidaten mit einer Politik der Abgrenzung zur AfD ihr Mandat verteidigen konnten, während Bewerber, die sich der AfD in Inhalt und Ton angenähert und – wie in Sachsen – mitunter auch „Wahlkampfhilfe“ ihres umstrittenen Parteifreunds Hans-Georg Maaßen, des früheren Verfassungsschutz-Präsidenten, in Anspruch genommen hatten, überdurchschnittlich an Stimmen und schließlich auch ihr Mandat an die AfD-Konkurrenz verloren.

Für das „Trendbarometer“ erfragte Forsa auch die Einschätzung der Bürgerinnen und Bürger zur neuen Strategie von CDU-Chef Friedrich Merz gegenüber den Grünen. Vor dem Hintergrund der guten Umfragewerte für die AfD und unter dem Eindruck der Landratswahl in Sonneberg hatte Merz die Grünen „auf absehbare Zeit'“ zum Hauptgegner in der Bundesregierung erklärt und seine Partei — gegen Bedenken aus den eigenen Reihen — zur verschärften Auseinandersetzung aufgerufen.

Dass dieser Kurs den Unionsparteien bei kommenden Wahlen helfen wird, glaubt allerdings nur eine Minderheit von 29 Prozent der Bundesbürger. 57 Prozent meinen dagegen, dieser Kurs werde der Union eher schaden. Auch von den Unionsanhängern selbst sehen 60 Prozent die Positionierung des CDU-Chefs zu den Grünen skeptisch. 52 Prozent glauben sogar, dass sie der Union schade.

Die einzige Wählergruppe, so Matuschek mit Blick auf die jüngste Forsa-Umfrage, „die mehrheitlich glaubt, der Union werde eine verstärkte Auseinandersetzung mit den Grünen nützen, sind: die Anhänger der AfD“.