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Früherer Salafist Sven LauDie Wandlung des einstigen „Staatsfeindes Nummer 1“

Lesezeit 6 Minuten
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Sven Lau Ende Juli 2017 während der Gerichtsverhandlung vor dem Oberlandesgericht in Düsseldorf

  1. Sven Lau galt jahrelang als extrem gefährlicher Salafist, aber in der Haft hat er sich offenbar gewandelt.
  2. 2017 wurde er zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt.
  3. Lau nimmt am Aussteigerprogramm des Landes für Salafisten teil.

Düsseldorf/Willich – Der Mann mit der weißen islamischen Gebetsmütze galt als einer der gefährlichsten Salafisten in Deutschland. Ein Islamist, der den Hass nicht nur mit Worten säte. Sven Lau wurde vom Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) im Juli 2017 zu einer fünfeinhalbjährigen Haftstrafe verurteilt, weil er eine Terrorvereinigung unterstützt haben soll.

Jetzt kommt der einstige „Staatsfeind Nummer 1“, wie ihn der „Focus“ nannte, vorzeitig aus dem Gefängnis frei. Es sei davon auszugehen, dass Lau nach Verbüßung der mehrjährigen Haft künftig keine Straftaten mehr begehen werde: „Von seiner ursprünglichen radikal-islamischen Haltung hat er sich deutlich distanziert“, teilte das OLG am Donnerstag mit.

Lau saß bislang in der Justizvollzugsanstalt Willich ein. Seine Reststrafe werde nun unter strengen Auflagen zur Bewährung ausgesetzt, hieß es. So müsse der 38-Jährige weiterhin an dem Programm für Aussteiger aus dem Salafismus teilnehmen, erklärte ein Gerichtssprecher. Zudem sei ihm verboten worden, mit den Weggefährten von früher Kontakt aufzunehmen oder radikale Moscheen zu besuchen.

Viele Stunden im Aussteigerprogramm

Aus dem Gerichtsbeschluss vom 13. Mai geht nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeigers“ hervor, dass Lau im Rahmen des Aussteigerprogramms an 39 Sitzungen teilnahm, die insgesamt 140 Stunden lang gedauert haben. Die Gutachter seien zu dem Schluss gekommen, dass die „Deradikalisierung weit vorangeschritten sei“. Seine Fortschritte hätten von den Experten „glaubhaft dargestellt“ werden können.

Wer Lau als Hassprediger erlebte, hatte nicht erwartet, dass ein derartiger Sinneswandel möglich sein würde. Er schien von seiner Weltsicht absolut überzeugt zu sein. Die Nachricht von der Abkehr kommt daher überraschend.

Sven Lau am 22. September 2014

„Unsere Religion ist die wahre Religion. Wir sind überzeugt von unserer Botschaft. Deswegen werden wir bis zu unserem Lebensende mit Gottes Erlaubnis dies so weiterführen. Ich bin bereit, für diesen Weg zu sterben.“

Die Ernsthaftigkeit des Ausstiegs wurde dem Gericht gleich von mehreren Gutachtern bescheinigt: „Der Senat hat vor seiner Entscheidung unter anderem Stellungnahmen der Justizvollzugsanstalt sowie des Aussteigerprogramms für Islamisten eingeholt, einen renommierten Sachverständigen zurate gezogen und den Generalbundesanwalt Stellung nehmen lassen“, erklärte das Oberlandesgericht.

„Terrornetzwerk beherrscht“

Die Verhandlung gegen Lau im Jahr 2017 hatte sich über 53 Prozesstage hingezogen. Der damalige Salafist wurde schließlich wegen der Unterstützung der Terroreinheit Jamwa in Syrien verurteilt. Das OLG sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte zwei Anhänger zu einer deutschen Islamisten-Truppe vermittelt hatte.

Zudem ließ er Dschihadisten offenbar Nachtsichtgeräte und Geld zukommen. Lau, so befand der Vorsitzende, habe „ein Unterstützungsnetzwerk für islamistische Terrorgruppen aufgebaut und beherrscht“. Dies sei durch Chats, SMS, abgehörte Telefonate und Videos bewiesen, die im Dezember 2015 zu seiner Verhaftung geführt hatten.

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Der islamistische Prediger Sven Lau, auch Abu Adam genannt, spricht  im Juni 2012 in Köln auf einer Veranstaltung von Salafisten. 

Den Schuldspruch stützte der OLG-Senat ferner auf die Aussagen von zurückgekehrten Gotteskriegern, die die Vorwürfe gegen Lau in ihren polizeilichen Vernehmungen bestätigt hatten.

Der frühere Feuerwehrmann aus Mönchengladbach war Ende der 90er Jahre zum Islam konvertiert. Über Youtube propagierte Lau eine archaische Form des Islams, die Koran und Sunna (die Überlieferungen der Handlungsweise des Propheten Mohammed) sowie die Regeln der Scharia als einzig selig machenden Weg ins Paradies verhieß.

Alles Westliche lehnten Lau und seine Anhänger strikt ab. Demjenigen, der sich nicht bekehren ließ, drohe nach seinem Tod ein Schicksal in der Hölle.

Ein vermeintlich harter Kämpfer

In seiner Außendarstellung hatte sich Lau gerne als beinharter Kämpfer präsentiert. Auf einem Foto aus dem Jahr 2013 posierte „Abu Adam“ bei islamischen Terrorbrigaden im syrischen Aleppo auf einem T-62-Panzer mit einer Kalaschnikow in der Hand.

Die Gründung des fundamentalistischen Verein „Einladung zum Paradies“ im Gladbacher Stadtteil Eicken war eine Provokation, ebenso wie seine Teilnahme an der „Scharia-Polizei“ in Wuppertal, mit der er bundesweit für Schlagzeilen sorgte. Im Herbst 2014 hatte der Youtube-Star der Salafistenszene den Staat mit den Nacht-Patrouillen herausgefordert.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sah das Gewaltmonopol gefährdet und forderte ein hartes Durchgreifen. Der Mann mit dem brünetten Bart sah sich durch das große Medienecho ermutigt.

Der vermeintlich starke Mann offenbarte allerdings auch eine andere Seite. Beim Prozess im Hochsicherheitstrakt, der zu seiner Verurteilung führte, nahm Lau die Gelegenheit wahr, das letzte Wort zu sprechen.

Schluchzer während des Schlussworts

Dabei drangen plötzlich Schluchzer durch das Mikrofon, Lau stockte die Stimme. Der Vorsitzende Richter bot dem Angeklagten daraufhin an, die Verhandlung zu unterbrechen. Aber der Islamist sammelte sich wieder.

Dann berichtete er dem Gericht von seinen Erlebnissen in der 22-monatigen Untersuchungshaft. In dieser Zeit sei er schlecht behandelt worden. Mithäftlinge hätten ihn bespuckt und als „dreckige IS-Ratte“ beschimpft.

Das Aussteigerprogramm für Islamisten

Der Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen bietet Hilfe für den Ausstieg aus dem Islamismus an. Das Programm verfolgt das Ziel, Ausstiegswillige auf ihrem Weg zurück in die demokratische Gesellschaft zu begleiten.

Ein wesentliches Element der Ausstiegsarbeit ist die Aufarbeitung der extremistischen Vergangenheit und Ideologie. In persönlichen Gesprächen werden Einstiegsprozesse beleuchtet und undemokratische Denkmuster hinterfragt. Daneben ist die Stabilisierung der persönlichen Lebensverhältnisse ein weiteres wesentliches Element. Das Programm leistet Hilfestellung im Alltag wie zum Beispiel Unterstützung bei der Wohnungssuche.

Voraussetzungen für eine Teilnahme am Programm sind Freiwilligkeit und ein klarer Ausstiegswille. Die Teammitglieder verfügen über berufliche Vorerfahrungen aus den Bereichen Polizei, Verfassungsschutz, Justiz, Islamwissenschaft und Psychologie. (gmv)

Auch die Trennung von der Familie falle ihm extrem schwer. Seine Frau dürfe er nur durch eine Trennscheibe sehen. „Ich kann nicht mal meine Kinder umarmen“, beklagte sich Lau . Und sprach einen Bitte aus: „Ich wünschte, dass ich in Gefangenschaft so behandelt werden würde wie alle anderen. Ich sitze mit Mördern in der JVA, die haben nicht so schwere Sicherheitsvorkehrungen wie ich.“

Unter Tränen erklärte Lau weiter, welche Auswirkungen die Inhaftierung für den Alltag seiner Kinder habe. Die würden in der Schule von anderen Kindern beleidigt und gemobbt. „Ich hoffe, dass das Gericht den Menschen sieht, den Familienvater. Ich möchte zurück zu meinen Kindern.“ Auch bei seinem Ausstieg ist Sehnsucht nach der Familie offenbar eine Hauptantriebsfeder.

Engmaschige Auflagen

Sebastian Fiedler, Landesvorsitzender des Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK), ist zufrieden damit, dass das Gericht Lau mit engmaschigen Bewährungsauflagen belegt hat. „Dadurch ist sichergestellt, dass er im Blick bleibt und wieder in Haft zurück muss, wenn er sein Sinneswandel nur vorgetäuscht gewesen sein sollte oder er zurück in die Salafistenszene rutscht“, sagte Fiedler dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Unklar ist, wie die Führungsriege der Islamisten in NRW auf die Freilassung des Abtrünnigen reagiert. NRW-Innenminister Herbert Reul sagte unserer Redaktion, Lau habe „jetzt vom Gericht eine zweite Chance bekommen. Es liegt an ihm, ob er sie nutzt. Sonst ist es mit der Freiheit ganz schnell wieder vorbei.“

Die NRW-Sicherheitsbehörden würden Lau aber auf jeden Fall weiter im Blick behalten. „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“, betonte der CDU-Politiker aus Leichlingen.