Mit jeder Beschwerde direkt in die Notaufnahme? Der Kassenärztechef will das verhindern – mit einer Gebühr. Im Interview erklärt ein Notaufnahme-Leiter, was er von der Idee hält.
Gebühr für Notaufnahme?„Nicht jeder Patient kann das bezahlen“

Die Notaufnahme eines Krankenhauses (Symbolbild)
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Die Notaufnahmen deutscher Krankenhäuser sind voll – längst nicht immer nur mit Patienten, die auch tatsächlich ein Notfall sind. Andreas Gassen, Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, hat deshalb vorgeschlagen, von Patienten in bestimmten Fällen eine Gebühr zu verlangen, die direkt in die Notaufnahme gehen, ohne vorher die Leitstelle anzurufen. Der Vorschlag hat für viele Diskussionen gesorgt. Dr. Florian Unbehaun, Leiter der Zentralen Notaufnahme (ZNA) am Klinikum Hanau, erläutert im Gespräch mit unserer Redaktion, was er von der Idee hält.
Herr Dr. Unbehaun, der Chef der Kassenärzte, Andreas Gassen, befürwortet eine Gebühr für Patienten, die ohne vorherige telefonische Ersteinschätzung in die Notaufnahme kommen. Was halten Sie von diesem Vorschlag?
Ich halte eine entsprechende Gebühr für nicht umsetzbar, da nicht jeder, der dringend medizinische Hilfe braucht, auch in der Lage wäre, diese Gebühr zu entrichten.
Wie viele Patienten kommen denn pro Jahr durchschnittlich in die Notaufnahme des Klinikums und wie viele davon sind tatsächlich Notfälle?
Pro Jahr kommen zirka 35.000 Patienten in unsere Zentrale Notaufnahme, davon sind schätzungsweise 85 bis 90 Prozent tatsächlich medizinische Notfälle. Die übrigen 10 bis 15 Prozent sind Patienten, deren Behandlung eigentlich in den ambulanten Sektor fallen würde.
Wie haben sich diese Zahlen in den vergangenen Jahren entwickelt?
Die Anzahl der ZNA-Patienten, die kein medizinischer Notfall sind, ist deutlich rückläufig, sie hat sich in den vergangenen Jahren um mehrere Tausend Fälle reduziert. Das liegt zum einen daran, dass wir Patienten, die keine notfallmedizinische Behandlung benötigen, gezielt zu niedergelassenen Ärzten schicken und vor allem auch daran, dass der Ärztliche Bereitschaftsdienst abends, nachts und am Wochenende vor Ort im Klinikum ist.
Eine weitere Maßnahme zur Reduzierung wäre, wenn durchgehend ein Arzt der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) am Klinikum verfügbar wäre und man dann gemeinsam beurteilt, ob ein Patient als medizinischer Notfall in die Notaufnahme muss oder an einen niedergelassenen Arzt weitergeleitet wird.
Wie stellen Sie sicher, dass angesichts der Zahl von Nicht-Notfällen die Versorgung derer gewährleistet bleibt, die tatsächlich dringend medizinischer Behandlung bedürfen?
Patienten werden bei uns immer nach Dringlichkeit behandelt, nicht nach dem Zeitpunkt ihres Eintreffens. Hierfür nutzen wir ein erweitertes, validiertes Triagesystem, das die Dringlichkeit der jeweiligen Behandlung festlegt.
Was genau führt Menschen, die kein medizinischer Notfall sind, in die ZNA? Sind das Hypochonder, Menschen, die sonntags Langeweile haben oder die schlicht ihre Situation völlig falsch einschätzen?
Patienten, die unter einer ausgeprägten Krankheitsangst leiden, machen hier wahrscheinlich den geringsten Anteil aus. Häufig kommen Patienten, weil ihre Hausarztpraxis gerade geschlossen hat oder die Terminwartezeiten für Facharztbehandlungen sehr lang sind. Das sind dann meistens Menschen, die sich selbst als medizinischen Notfall einschätzen und glauben, dass sie dringend behandelt werden müssen.
Laut Gassen sind Patienten, die noch eigenständig in die Notaufnahme kommen können, oftmals kein wirklicher medizinischer Notfall. Kann das ein Indikator sein? Oder anders gefragt: Wann bin ich denn tatsächlich ein Fall für die Notaufnahme?
Das ist meiner Einschätzung nach kein Indikator. Wir sehen immer wieder Patienten, die trotz schwerer Erkrankung fußläufig in die Notaufnahme kommen und akut medizinisch versorgt werden müssen.