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Riesiges GenerationenprojektKlimaneutralität bis 2050 – Das ist der Green Deal der EU

Lesezeit 4 Minuten
Ursula von der Leyen Green Deal

Ursula von der Leyen, Präsidentin der EU-Kommission

Brüssel – Die Europäische Union nimmt Anlauf, bis 2050 der erste „klimaneutrale“ Kontinent der Erde zu werden. Dafür präsentierte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen am Mittwoch einen Fahrplan, den sogenannten Green Deal, und verglich das Generationenprojekt mit der ersten Mondlandung in den 1960er Jahren. Zuerst müssen aber beim EU-Gipfel am Donnerstag alle EU-Staaten von dem neuen Klimaziel überzeugt werden. Davon erhofft sich die EU Schub für einen Erfolg der Weltklimakonferenz in Madrid.

Globale Erderwärmung soll gestoppt werden

Klimaneutralität 2050 bedeutet, dass dann keine neuen Treibhausgase aus Europa mehr in die Atmosphäre gelangen. Sie müssen vermieden oder gespeichert werden. Damit soll das Pariser Klimaabkommen von 2015 umgesetzt und die globale Erwärmung möglichst bei 1,5 Grad gestoppt werden. Genau um dieses Ziel geht es auch in Madrid, wo sich die Staatengemeinschaft seit knapp zwei Wochen erneut über die genauen Regeln zur Umsetzung des Pariser Abkommens streitet.

Dort forderte am Mittwoch die schwedische Aktivistin Greta Thunberg erneut mehr Tempo beim Klimaschutz und kritisierte die wohlhabenden Staaten. „2050 Treibhausgas-Neutralität zu erreichen, bedeutet gar nichts, wenn die Emissionen inzwischen noch für ein paar Jahre weitergehen wie bisher“, warnte die junge Schwedin, die vom US-Magazin „Time“ zur Person des Jahres 2019 gekürt wurde.

EU-Kommissionschefin von der Leyen will in ihrem „Green Deal“ beides: Klimaneutralität 2050 und ein schärferes Etappenziel für 2030. Bis dahin sollen die Emissionen um 50 bis 55 Prozent unter dem Wert von 1990 liegen. Bisher hatte sich die EU ein Minus von 40 Prozent vorgenommen. Umweltschützer fordern sogar eine Verminderung um 65 Prozent binnen zehn Jahren. Doch schon um die anvisierten EU-Ziele zu erreichen, ist ein grundlegender Umbau von Energieversorgung, Industrie, Verkehr und Landwirtschaft nötig.

„Die Wirtschaft mit dem Planeten versöhnen“

Der „Green Deal“ ist im Wesentlichen die Ankündigung von Gesetzentwürfen und Programmen für 2020 und 2021, die den Wandel bewerkstelligen sollen. Von der Leyen sprach von einem Fahrplan zum Handeln. „Er hat 50 Aktionen bis 2050 für ein klima- und umweltfreundliches Europa“, sagte sie. „Unser Ziel ist, unsere Wirtschaft mit unserem Planeten zu versöhnen und dafür zu sorgen, dass es für unsere Menschen funktioniert.“ Es gehe um die Senkung der Treibhausgase, aber in gleichem Maße auch um die Schaffung neuer Jobs und um ein neues Wirtschaften.

Scharfe Umweltauflagen für die Industrie

Einzelne Punkte sind zum Beispiel die Verschärfung der EU-Gesetze zur Energieeffizienz und zum Ausbau erneuerbarer Energien. Die europäische Industrie, die künftig scharfe Umweltauflagen erfüllen muss, soll mit einem „Carbon Border Mechanism“ vor klimaschädlich produzierten Billigimporten geschützt werden. Ein Fonds soll 100 Milliarden Euro Hilfen für Regionen mobilisieren, denen die Umstellung besonders viel abverlangt.

Im Europaparlament, wo von der Leyen ihr Programm am Mittwochnachmittag als erstes vorstellte, kann sie auf breite Unterstützung zählen. Die großen Fraktionen Europäische Volkspartei, Sozialdemokraten, Liberale und Grüne signalisierten grundsätzliche Rückendeckung. Die Linke will ein noch ehrgeizigeres Programm.

Polen, Ungarn und Tschechien wehren sich

Im Europäischen Rat der Staats- und Regierungschefs gibt es ebenfalls breite Rückendeckung, auch von Deutschland. Allerdings wehrten sich vor dem EU-Gipfel am Donnerstag Polen, Ungarn und Tschechien weiter gegen die Festlegung der „Klimaneutralität 2050“ ohne konkrete Zusagen für finanzielle Hilfen. EU-Ratschef Charles Michel appellierte an alle Staaten, das neue Klimaziel mitzutragen.

Aus der Wirtschaft kommen kritische Stimmen. Der Bundesverband der Deutschen Industrie monierte, die ständige Verschärfung der Klimaziele führe zu einer Verunsicherung der Konsumenten und Unternehmen. Das sei „Gift für langlebige Investitionen“. Der AfD-Europaabgeordnete Jörg Meuthen nannte von der Leyen die „Vollstreckerin der grünsozialistischen Agenda“.

Boom von SUVs hält an

Viele Klimaschützer loben von der Leyens Pläne grundsätzlich, fordern aber schnelleres Handeln. In Madrid sagte auch UN-Generalsekretär António Guterres, die nächsten zwölf Monate seien entscheidend. „2020 müssen wir liefern, was die Wissenschaft als Muss festgeschrieben hat, oder wir und alle folgenden Generationen werden einen unerträglichen Preis zahlen“, sagte Guterres. Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) nannte die EU-Pläne einen „wichtigen Impuls“ für die Verhandlungen in Madrid. Am Rande der Klimakonferenz wurde am Mittwoch eine nicht angemeldete Kundgebung von Sicherheitsleuten aufgelöst, was Umweltverbände empörte.

Von der Leyen lobte ausdrücklich, dass viele Bürger ihre Gewohnheiten und den Lebensstil bereits umstellten. Allerdings wurde am Mittwoch auch bekannt, dass der Boom von SUVs und Geländewagen in Deutschland anhält: 2019 werden nach Zahlen des Kraftfahrtbundesamts erstmals in einem Jahr mehr als eine Million dieser Fahrzeuge neu zugelassen. Sie sind wegen ihres oft hohen Verbrauchs umstritten. (dpa)