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Kolumne zu Greta ThunbergIn einer Welt wie heute hätten wir früher auch geschwänzt!

Lesezeit 4 Minuten
Thunberg

Gretha Thunbergs dramatische Rede auf dem Klimagipfel der Vereinten Nationen wird heiß diskutiert.

  1. Greta Thunberg hat natürlich Recht. Der Klimawandel fällt in unsere Verantwortung.
  2. Dass sie sich weigert, Dinge einfach zu ertragen, ist gut. Das sollten wir alle tun.
  3. Eine Kolumne.

Köln – Greta Tunberg, die so wütend ist auf uns Ältere, hat natürlich Recht: Wir sind verantwortlich für die Welt, wie sie ist. Wir haben alles Schlechte nicht verhindert und alles, was besser sein könnte, nicht Realität werden lassen.

Der Klimawandel fällt in unsere Verantwortung – und vor allem dieser Lebensstil, der die Welt zugrunde zu richten droht. Allerdings haben wir uns vor 20, 40, 50, 60 Jahren in einer ähnlichen Situation befunden wie die heutige Jugend. Auch wir haben Dinge, die die Welt bedrohten, schlecht gefunden, viele von uns sind wütend geworden, haben angeklagt und protestiert, und nicht wenige von uns haben sogar gekämpft.

Kämpfe in den Jahrzehnten

Die Aufarbeitung der deutschen Kriegsschuld hätte es in den 60er und 70er Jahren nicht gegeben ohne Menschen, die heute Rentner sind. Den Kampf gegen den Paragrafen 218, der Schwangerschaftsabbruch ohne Ausnahme als Verbrechen behandelte, ebenso wenig. Man lebte in einer von Umweltgiften spürbarer als heute kontaminierten Umwelt in permanenter Angst vor der Atombombe. Der Gedanke, im Zentrum des Kalten Krieges in einer Explosion zu verglühen oder an den Nachwirkungen des atomaren Fallouts zu sterben, war in meiner Jugend im geteilten Deutschland real. Heute weiß man, wie knapp die Menschheit mehrmals nur knapp an einem atomaren dritten Weltkrieg vorbeigeschrammt war.

Thunberg

Gretha Thunbergs dramatische Rede auf dem Klimagipfel der Vereinten Nationen wird heiß diskutiert.

Wir Älteren haben uns gegen Aufrüstung und Atomkraftwerke gewehrt und den heute Jungen Rechte erkämpft, die inzwischen als selbstverständlich gelten. Wir sind keine unverantwortlichen Weltverschlechterer. Richtig ist aber: Den Klimawandel haben wir nicht verhindert. Den hat niemand verhindert. Dazu wäre die Erkenntnis nötig gewesen, dass dieses global als alternativlos anerkannte Lebenskonzept vom Wachstum um jeden Preis falsch ist.

Und jemand hätte die Macht haben müssen, es abzustellen. So viel Weitsicht und Macht zugleich hat aber niemand auf der Welt. Unter Freiheit verstehen wir alle: Kaufen, so viel wir wollen. Konsumieren, so viel wir wollen. Hinfahren, wohin wir wollen. Hinfliegen, wohin wir wollen. Und das alles, wann immer wir wollen. Dadurch entstehen Arbeitsplätze.

Viel Weitsicht gefragt

Wenn jeder Mensch aber nur das besitzen würde, was er braucht, auf alle unnötigen Reisen und allen nötigen Luxus verzichten würde, individuelle Fortbewegung mit dem Auto infrage stellen würde, könnte man damit die Emission der Treibhausgase dramatisch reduzieren. Aber es wären auf der Stelle Millionen Arbeitsplätze gefährdet, ebenso Aktienkurse, der soziale Friede und eine halbwegs stabile Politik. Regierungen, die so etwas ernsthaft versuchten, würden vermutlich auf der Stelle abgewählt. So sind die Dinge in unserem System verzahnt, das Geld und Wachstum um jeden Preis braucht. Und das waren sie schon, als alle Generationen, die heute noch leben, auf diese Welt gekommen sind.

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Auf meinem Schulweg zum Gymnasium bin ich neun Jahre lang jeden Tag an diesem Schlot vorbeigekommen, der schwarzen Ruß in den Himmel gepustet hat. Ich sah den Dreck aufsteigen und begriff, dass er einfach in unserer Atmosphäre bleibt, ohne deren Luft wir alle sterben müssen. Das war für mich mit zehn, elf Jahren ein riesengroßer Schock. Und ich habe Papa gefragt und Mama und die Lehrer und die Freunde. Alle haben gesagt, dass es nicht schön ist, aber normal, und sich der Dreck irgendwie in unserer Atmosphäre verteilt. Die Zeiten waren eben anders. Inmitten der Wolken von Zigarettenrauch, in denen ich aufwuchs, habe ich den Schlot irgendwie ertragen gelernt. Man hat viel diskutiert damals, aber eben über andere Dinge.

Das ist meine Antwort auf die Anklage der jungen Schwedin Greta Thunberg, die zum Gesicht und Symbol einer Bewegung geworden ist, die uns alle interessieren muss: Keine Generation wurde in eine perfekte Welt geboren, deshalb ist keine allein schuld an ihrem Zustand. Aber es ist gut, wenn man sich weigert, Dinge zu ertragen. Ich habe kein Problem damit, wenn die Jugend dafür freitags die Schule schwänzt. Wir damals hätten es in einer Welt, wie sie heute ist, für dieselben Ziele auch getan.