Die SPD kann noch gewinnen, die Grünen verlieren auch in Hamburg. CDU und die Ränder werden stärker. Eine Einordnung.
Wahl in HamburgSPD und Grüne verlieren, bleiben aber Gewinner – Lehren für den Bund

Peter Tschentscher (M, SPD), Erster Bürgermeister von Hamburg, und seine Ehefrau Eva-Maria Tschentscher, Melanie Leonhard (2.vr), Vorsitzende der SPD Hamburg, und Nils Weiland (l), Vorsitzender der SPD Hamburg, stehen bei der Wahlparty der Hamburger SPD in der Markthalle. In Hamburg wurde am Sonntag eine neue Bürgerschaft gewählt.
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Nur eine Woche nach der Bundestagswahl waren die Hamburgerinnen und Hamburger aufgerufen, eine neue Bürgerschaft zu wählen. Der Ausgang der Wahl zeigt: Auch mit Verlusten lässt sich gewinnen. Gold ist trotzdem nicht alles, was glänzt.
In den fast 80 Jahren seit der erstmaligen Bürgerschaftswahl nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs 1946, hat die sozialdemokratische Partei Deutschlands rund 65 Jahre den Ersten Bürgermeister der Hansestadt gestellt. Dass nach der Wahl am gestrigen Sonntag mindestens weitere fünf Jahre hinzukommen werden, ist also keine Überraschung. Wahlsieger und Amtsinhaber Peter Tschentscher wäre dann, sollte er die Amtsperiode überstehen, 12 Jahre am Stück im Amt. Solange, wie noch kein Hamburger Regierungschef vor ihm.
Amtsinhaber Tschentscher ist beliebt
Und davon ist auszugehen: Tschentscher, der dem damals designierten Bundesfinanzminister Olaf Scholz nach dessen Weggang nach Berlin 2018 nachfolgte, ist beliebt. Einer aktuellen Umfrage nach würden 51 Prozent der Hamburgerinnen und Hamburger den 59-Jährigen direkt zum Ersten Bürgermeister wählen, wenn sie könnten.
Und auch die SPD selbst, ist trotz aller jüngeren (Elbtower, Cum-Ex, G20-Gipfel oder der gescheiterten Olympiabewerbung) und älteren (Einführung von Brechmitteleinsatz bei Verdächtigen) Skandale in der Hansestadt unantastbar.
Das liegt vor allem daran, dass es die Hamburger Sozialdemokraten seit jeher schaffen, sowohl die konservative und damit klassische CDU-Klientel in Hamburg abzuholen, als auch ihre Kernwähler und -wählerinnen alter Prägung. Sie ist zu dem eine Großstadtpartei; kümmern sich um Themen wie Wohnungsbau und Mieten, Bildung oder Kultur.
Hamburger strafen die Ampel ab
Bis in die 1980er Jahre holte die SPD mehrfach über 50-Prozent; und damit die absolute Mehrheit an Stimmen. Die 33,5 Prozent, die Peter Tschentscher 2025 sind weit davon entfernt, machen die SPD aber mit großem Abstand zur CDU (19,8 Prozent) erneut zu den Wahlsiegern.
Und da Rot-Grün bei der letzten Wahl 2020 fast eine Zwei-Drittel-Mehrheit an Sitzen in der Bürgerschaft gewinnen konnte, wird die Koalition trotz Verlusten auf beiden Seiten weiterreagieren können.Peter Tschentscher hat bereits angekündigt, zuerst mit den Grünen sprechen zu wollen, die bereits seit 2015 zusammen mit der SPD in Hamburg regieren.
5,7 Prozent hat die SPD im Vergleich zu 2020 eingebüßt, 5,7 Prozent die Grünen (jetzt 18,5 Prozent) – die nun nicht mehr zweitstärkste Kraft sind. Auch die FDP, die bereits vor fünf Jahren den Einzug in die Bürgerschaft verpasst hatte, verlor noch einmal in der Wählergunst: Noch nie schnitten die in Hamburg traditionell schwachen Liberalen so schlecht ab, wie 2025 (2,3 Prozent). Das bis dato schlechteste Ergebnis der Partei datiert aus dem Jahr 1982 (2,6 Prozent).
Wie schon bei der Bundestagswahl haben auch in Hamburg die Ränder zugelegt. Die Linke fährt mit 11,5 Prozent ihr bisher bestes Ergebnis in Hamburg ein, auch die AfD legt zu, bleibt aber mit 7,5 Prozent einstellig.
Geht die Linke-Spitzenkandidatin Özdemir nach Berlin?

Cansu Özdemir, Spitzenkandidatin der Partei die Linke in Hamburg, lächelt bei der Wahlparty ihrer Partei nach der Wahl zur Hamburger Bürgerschaft. Ihre Partei schnitt in der Hansestadt erstmals zweistellig ab. Ob Özdemir in Hamburg bleibt, ist offen: Bei der Bundestagswahl vergangene Woche konnte die Politiker einen Sitz im Bundestag erringen.
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Die Linke-Spitzenkandidatin Cansu Özdemir zeigte sich gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ erfreut über das Ergebnis „Wir kämpfen ab sofort mit 15 Abgeordneten für günstige Mieten, eine moderne Straßenbahn und für Armutsbekämpfung“ in der Hamburgischen Bürgerschaft.Özdemir sieht den Erfolg ihrer Partei nicht nur bei den jungen Wählern, auch - sondern auch bei der Themenkompetenz ihrer Partei. „27 Prozent der Hamburger sehen bei uns eine starke Kompetenz für das Thema bezahlbares Wohnen. 25 Prozent im Bereich Soziale Gerechtigkeit.“
CDU wirbt vor Großen Koalition
Ob Fraktionschefin-Özdemir weiter in Hamburg wirkt, ist allerdings offen. Bei der Bundestagswahl 2025 hatte Özdemir einen Sitz in Berlin errungen. „Wir schauen mal diese Woche“, so Özdemir auf die Frage, ob sie in Hamburg bleibe, gegenüber dieser Zeitung.
Unterdessen wirbt der Hamburger CDU-Landeschef und Fraktionsvorsitzende Dennis Thering für eine Große Koalition. Unter Therings-Führung hat die CDU ihr Ergebnis in Hamburg fast verdoppelt (um 8,6 Prozent auf 19,8 Prozent)
Lehren aus der Hamburg-Wahl
Die Lehren, die der Bund aus der Hamburg Wahl ziehen kann, sind übersichtlich, denn Gesamtdeutschland und die Hansestadt lassen sich kaum vergleichen. Der gebürtige Bremer ist waschechter Hanseat, dem Klischee des Norddeutschen entsprechend ist Tschentschers Politik-Stil unaufgeregt. Der entspricht dem Typus seines Vorgängers Scholz; nur ohne dessen immer wiederkehrende Momente des emotionalen Kontrollverlustes.
Das gilt auch für den grünen Koalitionspartner: Die zweite Bürgermeisterin und Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank, Verkehrssenator Anjes Tjarks, Justizsenatorin Anna Gallina oder der von 2015 bis 2024 amtierende und dann freiwillig ausgeschiedene Umweltsenator Jens Kerstan – sie alle treten unaufgeregt auf.
Auch der Wahlkampf lief in Hamburg anders, als vor der Bundestagswahl. Persönliche Angriffe oder auch nur emotional geführte Debatten gab es nicht. Die Bürgerinnen und Bürger schätzen das.
Und: In Hamburg hat das Thema Migration, anders als im Bund, kaum eine Rolle gespielt. Das trug nicht nur zu weniger Emotionalität und der Fokussierung auf andere Themen bei, sondern dürfte auch dazu beigetragen haben, dass es die AfD in Hamburg weiter schwer hat.
Diese konnte weder zweistellig werden, noch ihr vorheriges Ergebnis von 5,3 Prozent verdoppeln. Dabei sahen Umfragen verschiedener Meinungsinstitute die Partei noch zwischen 9 und 11 Prozent. Am Ende blieb das AfD-Ergebnis mit 7,5 Prozent hinter den Erwartungen. Weder die Führung des Landesverbandes, noch die der Bundespartei kann mit diesem Ergebnis zufrieden sein.