Die CDU hat die Wahl deutlich gewonnen. Friedrich Merz hat beste Chancen, der nächste Bundeskanzler zu werden. Nun geht die Partnersuche los - kein leichtes Unterfangen.
„Hauptsache gewonnen“CDU-Chef Friedrich Merz hat es geschafft – fast
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Der Jubel nach der 18-Uhr-Prognose war rund um Friedrich Merz laut, aber die Stimmung zunächst verhalten. Noch vor kurzem hatte die Union mit weit über 30 Prozent gerechnet.
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Tagelang hatten die Vorbereitungen im Adenauerhaus gedauert. Riesige weiße Zelte wurden auf die Straße gestellt, die Bühne im Foyer aufgebaut, die Kabel für Dutzende Kameras und Mikrofone verlegt. An diesem Abend sollte bloß nichts schief gehen - 1000 Gäste waren erwartet worden. Das Interesse und die Erwartungen sind riesengroß an die Partei, die nun den Kanzler stellen dürfte: Die Union hat die Bundestagswahl 2025 gewonnen. Der Kanzlerkandidat und CDU-Vorsitzende Friedrich Merz hat es geschafft. Vielleicht nicht so klar wie erhofft, aber gewonnen.
Der Jubel nach der 18-Uhr-Prognose war laut, aber die Stimmung zunächst verhalten. Noch vor kurzem hatte die Union mit weit über 30 Prozent gerechnet. Ein CDU-Politiker verzog das Gesicht leicht enttäuscht. „Das wird schon noch besser“, raunt er.
Schnell kursiert die Parole: Hauptsache gewonnen. Für Merz ist die Schmach der CDU von 2021 damit überwunden. Damals rauschten die Schwesterparteien mit Armin Laschet als Spitzenkandidat auf 24,1 Prozent ab. Plötzlich war das Kanzleramt weg.
Bei erfolgreichen Koalitionsverhandlungen wird nun Merz der nächste Kanzler der Bundesrepublik werden. Nummer 10. In einer Reihe mit Konrad Adenauer, Helmut Kohl - und seiner einstigen Erzfeindin Angela Merkel. Noch vor wenigen Jahren hätte man diesen Ausgang nicht einmal ahnen können.
Merz will schon in der nächsten Woche Gespräche beginnen
Wenn es nach Merz geht, will er schon nächste Woche mit den ersten Koalitionsgesprächen beginnen. Im „kleinen Sondierungskreis“, wie es in der Union heißt, und mit allen Parteien der demokratischen Mitte. Die Gespräche werden schwierig, so viel ist klar.
Einen „Politikwechsel“ hat der verheiratete Familien- und Großvater, der im November 70 Jahre alt wird, versprochen. „Meine Vision? Ganz einfach: Ein Land, das wieder nach vorne schaut, das wieder zuversichtlich ist, in dem Arbeit Spaß macht, in dem Arbeit sich lohnt, das innovativ ist, das wieder Erfindungen hat, das wieder vorankommt“, sagte Merz in der Woche vor der Wahl.
Was der CDU-Chef durchsetzen will: Zurückweisungen von Flüchtlingen an den deutschen Grenzen, die Abschaffung des Bürgergeldes in seiner jetzigen Form und eine Wirtschaftspolitik weg von Subventionen hin zu besseren Rahmenbedingungen in Form von Steuerentlastungen.
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Trotz der Siegesaussichten war der Wahlkampf der Union bis zuletzt turbulent. Merz, der gerne auf die Methode Kopf-durch-die-Wand setzt, trieb manche Mitglieder gar zur Verzweiflung.
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Auch über den Ressortzuschnitt der Bundesregierung macht sich die Union konkrete Gedanken: Sie will ein Digitalministerium schaffen und dafür ein anderes einsparen. Man werde in keine Koalition gehen, in der der Politikwechsel in der Wirtschafts- und Migrationspolitik nicht vollzogen werde, sagte Merz. Klingt wie eine Koalitionsbedingung.
Turbulenter Wahlkampf
Trotz der Siegesaussichten war der Wahlkampf der Union bis zuletzt turbulent. Merz, der gerne auf die Methode Kopf-durch-die-Wand setzt, trieb manche Mitglieder gar zur Verzweiflung. Eigentlich wollte sich die CDU vor allem auf das Thema Wirtschaft konzentrieren. „Fleiß muss sich wieder lohnen“, stand in großen Lettern auf den türkisfarbenen Plakaten.
Dann kamen die Anschläge von Magdeburg, Aschaffenburg und München. Migration war damit das Hauptthema, denn die mutmaßlichen Täter waren Ausländer oder abgelehnte Asylbewerber. CDU und CSU schwenkten um. Und Merz setzte noch einen drauf, indem er quasi im Alleingang im Bundestag Anträge zur Abstimmung aufsetzen ließ - und in einem Fall mit den Stimmen von AfD, FDP und Fraktionslosen eine Mehrheit bekam. Dieser Tabubruch führte zu Anti-CDU-Demonstrationen im ganzen Land, zur Distanzierung der Kirchen.
Der Sauerländer, der monatelang auf Nummer sicher gegangen war, wirkte plötzlich wieder wie der alte Merz: impulsiv, ohne Strategie, von Emotionen geleitet. Die Nervosität in Teilen der Union stieg wie der Wasserpegel der Sauerländer Ruhr bei starkem Regen minütlich an. „Den Sturm aushalten“, appellierte Merz intern. Sie hielten aus.
Dass ausgerechnet Merz, den Angela Merkel 2002 vom Fraktionsvorsitz gedrängt hatte, ins Kanzleramt einziehen würde, war lange nicht absehbar. Viele Jahre vergab er von der Außenlinie schlechte Noten für die Politik der Kanzlerin, bis er 2018 wieder im politischen Berlin erschien und in der Bundespressekonferenz seine Kandidatur für den Parteivorsitz als Nachfolge von Merkel bekannt gab. Gegen Annegret Kramp-Karrenbauer konnte er sich damals nicht durchsetzen - so wie zwei Jahre später nicht gegen Armin Laschet.
2021 plante Merz zwar eine Rückkehr in den Bundestag, jedoch zu einer Zeit, als es noch so aussah, als dürfte sein Parteifreund Laschet Kanzler werden. An den CDU-Vorsitz dachte er nicht mehr. Die Karten wurden mit der Wahlniederlage neu gemischt.
Große Sehnsucht in der Partei nach einem wie Merz
Die Sehnsucht in der CDU war groß nach einem wie Merz, um dem sich gerade zu ein Mythos rankte. Er würde eine Abkehr von der Merkel-Ära bringen, er würde die AfD wieder kleinmachen, so die Hoffnung. Die Inhaltslosigkeit und die verlorenen Wähler an die AfD waren ein Grund für die Wahlniederlage. Merz‘ Moment war gekommen. Aber zuerst fand er eine zerstrittene Union ohne Selbstbewusstsein vor. Manche in der Fraktion hätten nicht gewusst, wie man einen Gesetzentwurf schreibe, heißt es.
Dass Merz seiner Partei eine deutlich konservativere Programmatik verpasste, ist für manche im liberalen Flügel bis heute schwer erträglich. Die Neuaufstellung machte dem CDU-Chef aber den Frieden mit der CSU leichter, nachdem deren Vorsitzender Markus Söder dem Kandidaten Laschet den Wahlkampf verhagelt hatte. „Das machst du mit mir nicht“, soll Merz dem Bayer gesagt haben. Ein Basta, das bei Söder mehr oder minder wirkte.
Nicht nur Höhen hatte die Union mit Merz, sondern auch viele Tiefen. Da war sein Vorwurf des „Sozialtourismus“ an Ukrainer, für den sich der Parteivorsitzende später entschuldigte. Dann die Kritik an respektlosen Schülern mit Migrationshintergrund, die sich wie „Paschas“ aufführten, und die Behauptung, Flüchtlinge würden bei Zahnarztterminen bevorzugt. Wirklich gefährlich für Merz war jedoch eine andere Interview-Antwort: die im Sommer 2023 so verstandene Aussage, er würde der AfD in den Kommunen Tür und Tor öffnen.
Es war der Moment, in dem er am meisten wankte. Der Moment, in dem viele in der Union dachten: Jetzt ist es vorbei.
Aber das war es nicht. Heute heißt es, dass es auch dem Generalsekretär Carsten Linnemann zu verdanken sei, dass Merz sich halten konnte und schließlich in der Pole Position für die Kanzlerkandidatur stand. Auch Merz selbst habe dazugelernt, loben Parteifreunde. Die Zeit der „unglücklichen Auftritte“ sei vorbei, atmen CDU-Politiker auf. Linnemann dürfte eine Schlüsselposition in einer Regierung Merz einnehmen, ebenso wie der Fraktionsgeschäftsführer Thorsten Frei, der Merz oft den Rücken freihielt.
Fraglich ist, ob es so bleibt. In den kommenden Monaten wird der CSU-Chef die Verhandlungen maßgeblich mitprägen wollen - sowie die Besetzung der Kabinettsposten. Die CSU hat viele Stimmen zum Ergebnis beigesteuert. Einen Landwirtschaftsminister hat Söder bereits im Wahlkampf benannt, eine Koalition unter Beteiligung der Grünen will er verhindern. Einen Blankocheck könne man der SPD nicht ausstellen, heißt es dagegen aus der CDU. „Herr Söder schreibt mir gar nichts vor“, sagte Merz vor der Wahl. Ob er Recht behält, wird sich zeigen.