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Hilfe, wir gehen unterWie wir die Welt retten können – ein Erklärungsversuch

Lesezeit 4 Minuten

Die Welt geht unter.

  1. Frank Nägele versucht in seiner Kolumne „Durch meine Brille” über existentielle Fragen nach. In dieser Folge über den Klimawandel.
  2. Das kleine Problem: Selten war der Egoismus der Nationen größer.
  3. Die Supermächte bestimmen hier den Ton, und andere Länder wie Brasilien, Großbritannien, die Türkei, Ungarn und Polen sehen wenig Grund, Chauvinismus, Fremdenfeindlichkeit und Personenkult Einhalt zu gebieten.
  4. Wie wir die Welt trotzdem retten können? Ein Erklärungsversuch.

Die Menschheit hat sich eine halbe Million Jahre bis zum heutigen Stand entwickelt, um alles, was ihr wichtig ist, in Geldwert abzurechnen. Was Gewinn macht, darf bleiben. Die Ursache für Verlust hat kein Existenzrecht. Dieses Prinzip wird als Naturgesetz anerkannt wie die Schwerkraft. Kein Bereich des Lebens bleibt von ihm verschont.

Ein Unternehmen, dessen Bilanzen dauerhaft negativ sind, wird vom Markt verschwinden. Eine Branche, in der nichts zu verdienen ist, wird aussterben. Das sind normale wirtschaftliche Vorgänge. Aber das Prinzip reicht weit über die klassische Ökonomie hinaus. Auch eine so segensreiche Einrichtung wie ein Krankenhaus, in dem Leben gerettet und Verletzungen kuriert werden, hat sich ihm zu unterwerfen. Wenn es zur Ursache für Verlust wird, tritt die Heilung von Menschen in den Hintergrund. Dasselbe gilt für die schönen Dinge der Kultur, die Erziehung von Kindern, den Umgang mit Alten und Leidenden, für Städte, Regionen und Länder. Alles kann pleitegehen, wenn das, was wir in Geldwert ausdrücken können, negativ ist.

Wer die Welt retten will, muss das berücksichtigen. Eine Börse, in der das Wohl der Menschheit wirklich eine Rolle spielen würde, könnte nicht auskommen ohne Indizes für das Wichtigste: Ozeane, Luft, Pflanzen und Tiere. Nach den klassischen ökonomischen Gesetzen gibt es hier ein Problem. Betrachten wir einmal das Auto: Angenommen, die Regierungen der Welt würden das elementare Interesse an unseren Lebensbedingungen ernst nehmen und ab morgen nur noch weitgehend saubere und ökonomische Automobile erlauben, hätte das unmittelbare Folgen. Die Aktien fast aller Autobauer würden abstürzen, die aller betroffenen Industrien ebenfalls. Die Finanzwelt erlitte weltweit einen massiven Kurssturz mit Auswirkungen, die jeder spüren würde. Deshalb wird das, was nötig wäre, um die Welt zu retten, nach den alten Regeln nicht in der nötigen Geschwindigkeit passieren.

Frank Nägele ist Redakteur im Sport-Ressort. In seiner Kolumne schreibt er über alles, was (ihm) im Leben wirklich wichtig ist.

Vielleicht muss man ganz naiv denken, um Auswege zu finden. Zum Beispiel so: Unsere Welt, die nur gemeinsam überleben oder untergehen kann, verpflichtet sich zur Einführung einer globalen Luft-, Wasser-und Lebens-Aktie, durch die unser Umgang mit dem Planeten angezeigt wird. Erreichen wir bestimmte Klimaziele, steigt sie an, und mit ihr steigen im selben Maße alle Kurse – nach einer klaren, kalten Logik. Denn es kann nur gut sein für unsere heilige Ökonomie, wenn die Menschheit in der jetzigen Form die nächsten 100 Jahre überlebt. Wenn die Meere aber weiterhin vermüllt und leergefischt werden, fällt die Lebensaktie. Alle anderen fallen mit, weil sie mit ihr multipliziert werden müssen. Apple, Google, Microsoft, Daimler – alles auf Talfahrt wegen zugemüllter Meere.

Es wäre interessant, zu sehen, welches Klimabewusstsein unsere Wirtschaftsriesen über Nacht entwickeln würden und zu welchen Anstrengungen sie fähig wären. Nur so könnte man allen auf der Erde konkret klarmachen, was gerade mit ihr passiert.

Freiwillige Einsicht und Idealismus wären natürlich das Beste, aber mit dem Blick auf die politische Lage der Welt muss man da eher skeptisch sein. Selten war der Egoismus der Nationen größer. Die Supermächte bestimmen hier den Ton, und andere Länder wie Brasilien, Großbritannien, die Türkei, Ungarn und Polen sehen wenig Grund, Chauvinismus, Fremdenfeindlichkeit und Personenkult Einhalt zu gebieten. Der Umgang mit der Natur, die Klimaerwärmung, die Zerstörung der Urwälder und der fahrlässige Umgang mit dem immer knapper werdenden Überlebensstoff Süßwasser spielen in ihren Überlegungen eine sehr untergeordnete Rolle.

In Deutschland ist das ein wenig anders. Hier hat sich immerhin eine Partei, die Ökologie einst als ihr Hauptanliegen formuliert hat, auch durch die allgemeine Sorge um die Zukunft des Planeten zur zweitstärksten Kraft entwickelt. Aber dieses derzeitige Hoch der Grünen ist allenfalls ein Indikator für ein neues Bewusstsein. Es ist noch nicht dem Praxistest für Tiefe und Nachhaltigkeit durch den Verzicht einer großen Mehrheit der Bevölkerung auf viele umweltbelastende Annehmlichkeiten unseres Wohlstandslebens unterzogen worden.

Ich glaube, dass die Idealisten als Beispielgeber wichtig sind. Aber den Erfolg einer Sache bestimmen weiterhin die Trägheit der Masse und der Wunsch nach materiellem Vorteil. Und die Macht liegt, wie es immer war, bei den Besitzenden. Meine Überzeugung ist deshalb: Wir werden unsere Welt nur retten können, wenn man Geld damit verdienen kann.