Interview mit UmweltministerinUrsula Heinen-Esser: „Die Menschen brauchen Grün“
- Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) über ein Flächensparprogramm in NRW und Naturschutz in Krisenzeiten.
Die Landesregierung hatte zum Amtsantritt erklärt, die Begrenzung des Flächenverbrauchs auf fünf Hektar pro Tag habe nichts gebracht. In Köln wird derweil diskutiert, ob Kleingärten weichen müssen, um Wohnungsbau sicherzustellen. Man hat den Eindruck, die Bezirksregierungen behandeln das Thema Flächenverbrauch mit Vorsicht. Die Landesregierung tut das Gegenteil.Heinen-Esser: Der Eindruck trügt. Wir arbeiten intensiv an einem Flächensparprogramm und daran, Flächen in den Innenstädten zu revitalisieren. So sind wir gerade in der Ressortabstimmung mit dem Bau- und dem Wirtschaftsministerium für ein Flächensparprogramm in NRW. Bausteine sind zum Beispiel die Aufbereitung industriell vorbelasteter Brachflächen oder die Entwicklung eines Katasters, das diese Brachen erfasst. Zusätzlich soll eine Art Zertifikathandel dazu dienen, Bauland zwischen schrumpfenden und wachsenden Kommunen auszugleichen.
Was bedeutet das?
Ziel sind weniger Brachflächen in den Städten – entweder nutzt man die für Wohnungsbau oder für grüne Infrastruktur. Wir brauchen individualisierte Maßnahmen zur Einsparung. Wer Fläche verbraucht, muss woanders Fläche bereitstellen.
Der Regionalverband Rheinland sagt: Ein geringer Flächenverbrauch ist das Ziel Nummer eins, weil alles, was daraus folgt, dem Umweltschutz nutzt. Das ist ein Plädoyer für Geschosswohnungsbau statt Einfamilienhäuser.
Und wer sagt den jungen Familien, dass sie kein Haus haben dürfen? Wir haben gerade mit Corona erlebt, wie wichtig es ist, dass Menschen raus ins Grüne kommen, vielleicht auch ins eigene Grüne. Soll die Politik sagen: Wir wollen keinen Einfamilienhaus-Bau wegen des Flächenverbrauchs? Oder sollte man nicht intelligenter vorgehen: Wo bauen wir Einfamilienhäuser? Und wie bauen wir? Vielleicht kann man dort bauen, wo vorher etwas anderes gestanden hat. Es muss ja nicht immer zwingend neue Fläche sein.
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Wo würden Sie denn das zum Beispiel im Großraum Köln sehen?
Es gibt Gewerbegebiete, die heute nicht mehr so genutzt werden. Und auch beim Gewerbeflächenbau muss man überlegen: Warum baut man große eingeschossige Hallen auf die grüne Wiese? Warum setzt man einen großen Discounter dahin mit einem riesigen, versiegelten Parkplatz statt Tiefgarage – das sind die Mega-Probleme. Im Gewerbebau muss man nicht zwingend in die Breite gehen, man kann ja auch in die Höhe bauen. Und man könnte die Dächer und Fassaden begrünen oder mit Photovoltaik sinnvoll nutzen. Aber es ist billiger, den Parkplatz zu asphaltieren.
Nun gibt es die Volksinitiative Artenvielfalt in NRW. Was denken Sie, was kommt da auf Sie zu?
Die von den Naturschutzverbänden gestartete Initiative kann zu einem zusätzlichen Appell werden, dass jede und jeder seinen Beitrag leisten muss, die Artenvielfalt zu stärken. Gewiss werden wir eine intensive Diskussion führen über einige Themen. Beim 5-Hektar-Ziel werben wir zum Beispiel für unser Flächensparprogramm. Ein anderes Thema ist das Verbot von Pflanzenschutzmitteln. Wir können nicht in ganz NRW extensive Landwirtschaft betreiben.
Warum eigentlich nicht?
Wir haben gemerkt in Corona-Zeiten, dass es Einfluss hat auf die Versorgungslage, wenn Lieferketten aus dem Ausland unterbrochen werden. Wir sollten also bei einem hohen Versorgungsgrad mit landwirtschaftlichen Produkten in Deutschland bleiben. Wir brauchen einen Mix aus ökologischer und konventioneller Landwirtschaft. Ein weiterer Punkt ist ein zweiter Nationalpark. Ich habe damit kein Problem. Die Senne am Teutoburger Wald, ein Truppenübungsplatz der Briten, steht für uns nicht zur Verfügung. Wirklich ein traumhaftes Gebiet, fantastisch gepflegt.
Was ist das Problem da? Dass die Briten nicht weggehen?
Es gibt einen Konflikt zwischen Holzwirtschaft und Naturschützern. Es geht dabei um die Nachnutzung, wenn die Briten mal weggehen. Meine Empfehlung wäre: Das sollten wir nicht von Düsseldorf aus entscheiden. Die Region sollte selbst entscheiden, ob sie einen Nationalpark will. Mit dem Nationalpark in der Eifel hat das zum Beispiel perfekt funktioniert: Die Bevölkerung wollte ihn und wenn alle ihn wollen, dann gelingt das auch. Aber wenn die Hälfte der Bevölkerung dagegen ist, wird es schwierig.