Verfassungsschützer alarmiertKölner Muslimbruderschaft gilt als extrem gefährlich
- In NRW steigt laut Sicherheitsbehörden der Zuspruch zu Organisationen oder Moscheen, die den Muslimbrüdern zugerechnet werden.
- Verfassungsschützer gehen davon aus, dass die „Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V.“ (IGD) das Ziel verfolgt, einen islamischen Gottesstaat in Deutschland zu errichten.
- Die Abu-Bakr-Moschee in der Kölner Südstadt soll Anlaufstelle der Muslimbrüder sein.
Köln – Vier Finger ausgestreckt an einer Hand. Mit dem „R4bia“-Gruß der Muslimbruderschaft (MB) hatte zuletzt der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan seinen Anhängern zugewunken. Bei den Kundgebungen zum Besuch des umstrittenen Staatsoberhaupts in der Zentralmoschee in Köln-Ehrenfeld hatten viele seiner Fans die Geste wiederholt.
Das häufig verwendete Symbol der größten globalen islamistischen Vereinigung ist Ausdruck einer besorgniserregenden Entwicklung hierzulande. Gerade in NRW, so die Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden, steigt der Zuspruch zu Organisationen oder Moscheen, die den ursprünglich aus Ägypten stammenden Muslimbrüdern zugerechnet werden.
IGD mit Hauptsitz in Köln als zentrale Stelle des Netzwerks
Laut dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) firmiert die „Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V.“ (IGD) mit Hauptsitz in Köln als zentrale Stelle des hiesigen MB-Netzwerks. „Mit ihren Bemühungen zur Schaffung eines gesellschaftlichen und politischen Systems auf Grundlage der Scharia (islamische Rechtssammlung) verstößt sie gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung“, teilt der Inlandsnachrichtendienst dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ mit.
Burkhard Freier, Chef der NRW-Verfassungsschützer, geht noch einen Schritt weiter: „Die IGD und das Netzwerk kooperierender Organisationen verfolgen trotz gegenteiliger Beteuerungen vor allem eines: Die Errichtung islamischer Gottesstaaten und in letzter Konsequenz auch in Deutschland.“ Mittelfristig gesehen, warnte Freier, gehe von einer verstärkten Einflussnahme der MB eine weitaus größere Gefahr für die deutsche Demokratie aus, als von der radikal-islamischen Salafisten-Szene, deren militante Protagonisten Terror-Gruppierungen wie Al Kaida oder den „Islamischen Staat“ (IS) unterstützten.
Großzügige Unterstützung von Geldgebern von der arabischen Halbinsel
Die Gründe für diese Einschätzung sind vielfältig: Zum einen verfügen die Führungsfiguren der Bewegung über einen hohen Bildungsgrad, ferner werden sie großzügig durch Geldgeber von der arabischen Halbinsel unterstützt. Laut dem BfV verfügen die MB-Filialen in Deutschland „über ein umfangreiches Schul- und Fortbildungsprogramm für muslimische und religiös interessierte Personen aller Altersgruppen“.
Dazu zählen demnach IGD-Einrichtungen oder kooperierende Gemeinden mit zahlreichen Koranschulen. So etwa auch das „Europäische Institut für Humanwissenschaften“ (EIHW) und der „Deutsche Bund für den Edlen Koran“ (DBEK), die gezielt Jugendliche und junge Erwachsene ansprechen. „Über Predigten, Vorträge und Schulungsangebote erreichen die Agitatoren der IGD und ihrer Partner zehntausende Muslime, um ihr ultrakonservativ geprägtes Koranverständnis zu verbreiten“, berichten die Analytiker des Inlandsgeheimdienstes.
Zahl der Anhänger steigt stetig
Bundesweit schätzen die Behörden den engeren Kreis der Anhänger auf 1000 – Tendenz stetig steigend. Nach eigenen Angaben arbeiten 50 islamische Zentren mit der IGD zusammen. NRW-Staatsschützer zählen 14 Moscheevereine der 109 radikalen Gebetshäuser an Rhein und Ruhr zum Umfeld der Muslimbrüder. Manche religiöse Stätte fungiert gleichermaßen als Anlaufstation für andere islamistische Extremisten: Etwa die Al-Muhajirin-Moschee in Bonn. In Köln gilt die Abu-Bakr-Moschee in der Südstadt als Hort der Muslimbrüder.
Hier ging etwa der islamistische Gefährder Bernhard Falk ein und aus. Einst zu 13 Jahren wegen linksterroristischer Anschläge der Zwei-Mann-Zelle AIZ verurteilt, konvertierte der Extremist im Gefängnis zum Islam. Seither agitiert der Deutsche mit dem Aliasnamen Muntasir bi-llah im Salafisten-Milieu. Falk engagiert sich in einer Art Gefangenenhilfe für terrorverdächtige Islamisten. Häufig sitzt er als Beobachter in Terrorprozessen, greift in seinem Weblog die deutsche Justiz an und mahnt in Briefen an gefangene Brüder: „Sprecht nie mit den Sicherheitsbehörden!“ Falk sympathisiert mit dem Terrornetzwerk Al-Kaida.
„Ablehnende Haltung gegenüber westlichen Werten“
Organisationen der Muslimbrüder wie die IGD propagieren Gewaltfreiheit. Dennoch ziele auch diese Ausrichtung laut BfV darauf ab, „eine ablehnende Haltung gegenüber westlichen Werten zu verstärken und eine Distanz zur Demokratie zu fördern“. Besonders heikel: Die IGD, die sich inzwischen auch Deutsche Muslimische Gemeinschaft nennt, „beeinflusst“ laut den Staatsschützern maßgeblich den Zentralrat der Muslime. Die Dachorganisation mit ihren 35 Mitgliedern und Verbänden sieht sich als Vertreter der 4,4 Millionen Muslime hierzulande.
Nach außen hin tritt die IGD als Vertreter einer weltoffenen, gemäßigten Islamströmung auf. Im inneren Zirkel aber, so die Nachforschungen der Verfassungsschützer, herrsche ein anderer Ton: Hinter verschlossenen Türen sollen führende Mitglieder das Ziel ausgegeben haben, „mittelfristig einen islamischen Staat zu gründen“.
IGD und Co. bestreiten Verbindungen zu islamistischen Kreisen
Aktuell firmiert Khalled Swaid als Präsident der IGD. Obschon sein Verband jegliche Verbindung zur MB zurückweist, finden sich auf seiner Facebook-Seite Aufnahmen vom Handsymbol der Islamisten-Bewegung mit den vier Fingern. Auch legen Tweets Sympathien für die israelfeindliche Boykott-Gruppierung BDS nahe.
Eine weitere zentrale Rolle in Deutschland spielt Khaled Hanafy. Er nimmt diverse Funktionen in verschiedenen MB-nahen Organisationen ein. Zugleich sitzt er dem „Fatwa-Ausschuss Deutschland“ vor. Einem Gremium, das islamische Rechtsgutachten erstellt. Hanafy führt ebenfalls den Verein „Rat der Imame und Gelehrten in Deutschland“ an. Nach Ansicht der Staatsschützer sitzt in diesen Vereinigungen die islamistische Intelligenzia, die schlussendlich ein muslimisches Kalifat anpeilt.
Alarmiert registriert NRW-Verfassungsschutzchef Freier ferner, „dass die hiesigen MB-nahen Vereinigungen verstärkt Flüchtlinge aus den arabischen Staaten in ihren Bannkreis ziehen, um sie für ihre Ziele einzuspannen“. Sowohl die IGD als auch andere Organisationen bestreiten indes jegliche Verbindungen zu islamistischen Kreisen: „Die Vorwürfe einer institutionellen sowie ideellen Verbundenheit mit den Muslimbrüdern weist die Religionsgemeinschaft zurück.“