Islamismus-VerdachtIrrfahrt eines 19-Jährigen war Grund für Anti-Terror-Einsatz
- In mehreren Städten in Nordrhein-Westfalen und in Ulm hat die Polizei am Freitag und Samstag mutmaßliche Islamisten festgenommen.
- Es bestehe der Verdacht einer schweren staatsgefährdenden Straftat, hieß es bei der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf.
- Doch die Beweise reichen nicht für einen Haftbefehl, am Mittag kündigte die Staatsanwaltschaft an, dass die elf Männer wieder auf freien Fuß kommen.
Düsseldorf – Seit Februar hatte die Staatsschutzabteilung der Düsseldorfer Polizei eine sechsköpfige Gruppe überwiegend tadschikischer Staatsbürger im Blickfeld. Die Verdächtigen sollen sich nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ in hiesigen Islamisten-Kreisen bewegt haben. In Chats oder über andere Kommunikationsmittel sollen sie sich über Waffen und Sprengstoff ausgetauscht haben. In einem Telefonat sprachen sie darüber, dass etwas explodieren würde.
Die NRW-Sicherheitsbehörden befürchteten, dass eine Zelle mit Bezügen zur Terror-Organisation „Islamischer Staat“ (IS) womöglich hierzulande Anschläge plante. Allerdings wusste man nicht, wo, wann und wie. Folglich wollte die zuständige Generalsstaatsanwaltschaft Düsseldorf eigentlich noch mit einer Durchsuchungsaktion warten, um weitere Erkenntnisse durch verdeckte Ermittlungen und belauschte Telefonate zu gewinnen.
Kein Zusammenhang mit Irrfahrt in Essen
Am Freitagmorgen aber machte ein unglücklicher Zufall diese Pläne zunichte. Ein junger Mann war in Essen wie ein Besessener unter anderem durch eine Fußgängerzone gerast. Höchst alarmiert ging die Polizei zunächst von einer Amokfahrt aus. Als die Beamten den 19-jährigen Fahrer festnahmen, entpuppte er sich als Tadschike. Zunächst dachten die Strafverfolger, der Raser gehöre ebenfalls zu der beobachteten, mutmaßlichen tadschikischen Zelle. „Da hat man gedacht, jetzt geht’s los“, heißt es in Ermittlerkreisen.
„Das war der Grund, dass die Durchsuchungsaktion am gestrigen Tage angelaufen ist, um sicherzustellen, dass die Verdächtigen in unserem Tatkomplex nicht tatsächlich an dem Tag etwas umsetzen“, sagte der Düsseldorfer Oberstaatsanwalt Daniel Vollmert unserer Redaktion. Es habe zwar keinen Verdacht gegeben, „dass die eine Amokfahrt planen. Aber es gibt ja genügend Beispiel für terroristische Anschläge unter Verwendung eines Kraftfahrzeugs“. Deshalb sei zu diesem Zeitpunkt nicht auszuschließen gewesen, dass der 19-Jährige in Essen zu der Gruppierung gehöre.
Staatsschützer in mehreren NRW-Städten im Einsatz
Die geplante Razzia gegen die Gruppierung wurde im Zuge der Gefahrenabwehr vorgezogen. Die Fehler und Schlampereien wie im Fall des Berliner LKW-Attentäters Anis Amri sollten sich nicht wiederholen.
Am Freitag und am Samstagmorgen durchsuchten Staatsschützer diverse Objekte in Essen, Duisburg, Wuppertal, Düsseldorf und Ulm. Nach Angaben von Daniel Vollmert, Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf, wurden elf Personen im Alter zwischen 24 und 35 Jahren zunächst festgenommen. In Düsseldorf sei ein Mann am Freitagnachmittag auf offener Straße in der Nähe der Kunstakademie festgenommen worden, sagte Vollmert. Eine Festnahme habe es auch in Essen gegeben. Wo und wann die anderen Personen festgenommen wurden, wurde zunächst nicht bekannt.
Ermittlungen laufen gegen eine sechsköpfige Gruppe
Nachdem sich aber weder Sprengstoff noch Waffen bei ihnen fanden, kamen die Verdächtigen wieder frei. Auch stellte sich heraus, dass der junge Raser aus Essen, der die Polizeiaktion ausgelöst hatte, keine Kontakte zu den Beschuldigten hatte. Die Ermittler wollen nun beschlagnahmte Computer und weitere Datenträger nach verwertbaren auf etwaige Terror-Pläne oder Verbindungen zum IS untersuchen. Der sechsköpfige Kern der Gruppe soll nach unseren Informationen Kontakte zu IS-Mitgliedern im Ausland unterhalten. Die Ermittlungen wegen einer staatsgefährdenden Straftat laufen auch nach der Freilassung weiter.