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Nach 246 Tagen in Gefangenschaft26-jährige Israelin schildert erstmals Details ihrer Hamas-Geiselhaft

Lesezeit 3 Minuten
Die israelische Geisel Noa Argamani (r) umarmt im Sheba Tel-HaShomer Medical Centre ihren Vater, nachdem sie von der israelischen Armee aus der Gefangenschaft im Gazastreifen befreit wurde.

Die israelische Geisel Noa Argamani (r.) umarmt im Sheba Tel-HaShomer Medical Centre ihren Vater, nachdem sie von der israelischen Armee aus der Gefangenschaft im Gazastreifen befreit wurde.

Nach ihrer Befreiung spricht Noa Argamani über ihre Geiselhaft. Die Hamas meldet derweil 274 Tote durch den israelischen Spezialeinsatz.

Nach ihrer Befreiung aus dem Gazastreifen durch die israelische Armee sind neue Details über die Geiselhaft der 26-jährigen Noa Argamani bekanntgeworden. Die israelische Nachrichtenseite ynet schrieb am Montag, die junge Frau sei nach ihrer Entführung vom Nova-Musikfestival am 7. Oktober in den Gazastreifen von Wohnung zu Wohnung gebracht worden. Am Samstag wurden sie und drei weitere Geiseln in einem dramatischen Militäreinsatz befreit. Laut Armee kam es dabei zu heftigen Gefechten mit bewaffneten Palästinensern. Nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde wurden 274 Palästinenser getötet. Unabhängig überprüfen lassen sich die Angaben allerdings nicht.

Viermal sei sie seit ihrer Entführung nur knapp dem Tod entgangen, berichtete Argamani nun. Die erste lebensbedrohliche Situation sei die Entführung selbst gewesen. Videos, die Argamanis verzweifeltes Flehen nach Hilfe zeigten, gingen damals um die Welt. Direkt nach ihrer Ankunft im Gazastreifen habe ein Mob die Geiseln dann lynchen wollen, berichtete die 26-Jährige dem Sender Channel 13. Eine weitere lebensgefährliche Situation sei ein Raketenangriff der israelischen Luftwaffe gewesen, erklärte die befreite Geisel.

Israelin über Befreiung: „Ich dachte, das war’s – aber ich blieb am Leben“

Der Spezialeinsatz zu ihrer Befreiung am Samstag sei schließlich die vierte lebensbedrohliche Situation gewesen. „Ich sah die Rakete in das Haus eindringen und war mir sicher, dass ich sterben würde“, berichtete Argamani ihren Familienangehörigen über die Operation. „Ich dachte, das war’s – aber ich blieb am Leben“, wurde sie von der „Jerusalem Post“ zitiert.

Argamani sei nach ihrer Entführung mit zwei männlichen Geiseln festgehalten worden, die später getötet wurden, berichtete die ynet unterdessen. Bei einem gehe man davon aus, dass er bei einem israelischen Angriff ums Leben gekommen sei, der andere sei von den Kidnappern ermordet worden.

Noa Argamani musste für Geiselnehmer kochen – und durfte nur selten duschen

Den Berichten zufolge lernte Argamani während ihrer Zeit als Geisel gut Arabisch. Sie sei dadurch eine Art „Repräsentantin“ anderer weiblicher Geiseln geworden, mit denen sie vorübergehend zusammen festgehalten worden sei.

Argamani, die nach israelischen Angaben aus einer Wohnung palästinensischer Zivilisten in dem Flüchtlingsviertel Nuseirat befreit wurde, musste demnach regelmäßig für die Familie kochen und Geschirr spülen. An die frische Luft habe sie nur selten gedurft – und wenn, dann nur als arabische Frau verkleidet. Auch das Duschen sei ihr nur selten ermöglicht worden, berichtete Argamani.

Noa Argamani (l.) nach ihrer Befreiung zusammen mit ihrem Vater (2. v. l.), einem israelischen Soldaten und einem Arzt in einem Krankenhaus nahe Tel Aviv.

Noa Argamani (l.) nach ihrer Befreiung zusammen mit ihrem Vater (2. v. l.), einem israelischen Soldaten und einem Arzt in einem Krankenhaus nahe Tel Aviv.

Seit ihrer Befreiung nach 246 Tagen in Geiselhaft sei Argamani sehr intensiv an der Betreuung ihrer Mutter im Krankenhaus beteiligt, berichtete ynet weiter. Die aus China stammende Frau hat Krebs im Endstadium. Sie hatte in den vergangenen Monaten immer wieder darum gebeten, ihre Tochter noch einmal sehen zu können. Am Sonntag sei Argamani zwei Stunden lang allein mit ihrer Mutter im Behandlungszimmer gewesen. Auch ihre Tanten seien inzwischen aus China angereist, um sie zu treffen.

Noa Argamani soll von Al-Dschasira-Journalist festgehalten worden sein

Der Vater hatte berichtet, beim ersten Treffen am Samstag habe die Mutter wegen ihres angeschlagenen Zustands kaum auf ihre Tochter reagieren können. Sie hat einen Hirntumor vierten Grades. „Ich glaube, dass sie verstanden hat, dass Noa befreit worden ist“, sagte der Vater. „Sie konnte ihr einfach nicht sagen, was sie ihr acht Monate lang sagen wollte.“

Auch über die mutmaßlichen Peiniger der Israelin wurden weitere Details bekannt. Laut der israelischen Zeitung „Israel Hayom“ soll das Haus, aus dem die 26-Jährige befreit worden war, einem Journalisten gehört haben, der für den von Katar finanzierten TV-Sender Al-Dschasira als Kameramann und Fotograf gearbeitet habe.

Er und seine Familie seien bei dem israelischen Spezialeinsatz getötet worden, hieß es weiter. Offizielle israelische Stellen haben das allerdings bisher nicht bestätigt. Bislang heißt es lediglich, die Geiseln seien von Zivilisten gefangen gehalten worden. (das/dpa)