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Welche Strafe dem Whistleblower drohtUS-Regierung sucht nach Deal – ist Assange bald in Freiheit?

Lesezeit 4 Minuten
Eine Demonstrantin hält ein Schild gegen die Auslieferung von Julian Assange hoch. Die USA arbeiten offenbar an einem Auslieferungsdeal. (Archivbild)

Eine Demonstrantin hält ein Schild gegen die Auslieferung von Julian Assange hoch. Die USA arbeiten offenbar an einem Auslieferungsdeal. (Archivbild)

Laut einer US-Zeitung bereitet Washington ein Deal-Angebot für Julian Assange vor. Demnach würde sich der Australier für ein geringeres Vergehen schuldig bekennen und damit vermutlich demnächst freikommen. Der Whistleblower sitzt seit fünf Jahren in Großbritannien im Gefängnis.

Das „Wall Street Journal“ will von Insidern erfahren haben, dass das US-Justizministerium nach Möglichkeiten sucht, den juristischen Marathon von Julian Assange zu beenden. Laut eines Berichts des US-Mediums erwägt das Ministerium, dem australischen Whistleblower zu erlauben, sich für ein geringeres Vergehen schuldig zu bekennen. So könnte er den Missbrauch vertraulicher Informationen eingestehen und über einen derartigen Deal dann aus dem britischen Gefängnis freigelassen werden.

Whistleblowing mit Wikileaks

Mit Wikileaks, einer Enthüllungsplattform im Internet, die er 2006 gründete, veröffentlichte der Australier Tausende Dokumente, die Unternehmen und Regierungen als geheim deklariert hatten und die Kriegsverbrechen, Spionagefälle und Korruption zeigten. Dabei ging es der Plattform darum, Ungerechtigkeiten und illegale Handlungen aufzudecken, die unter dem Mantel der Staatssicherheit vertuscht werden sollten.

Wikileaks neuartiger Journalismus, den Assange selbst „wissenschaftlichen Journalismus“ nennt, hatte in der Folge auch andere alteingesessene Medien animiert, das Material auszuwerten, das vor allem für die USA rufschädigend war. Dazu gehören der britische „Guardian“, die „New York Times“, „El Pais“ in Spanien und der „Spiegel“ in Deutschland. Besonders brisant waren Tausende geheime Dokumente über amerikanische Aktivitäten im Irak und in Afghanistan, die ihm vom damaligen Geheimdienstoffizier Bradley (heute Chelsea) Manning zugespielt worden waren und die er 2010 publizierte. Manning kam dafür ins Gefängnis, doch ein Großteil der Strafe wurde der ehemaligen Soldatin vom einstigen US-Präsidenten Barack Obama erlassen.

Unter dem veröffentlichten Material war ein US-Militärvideo, das zeigt, wie etliche unschuldige Menschen in einem irakischen Stadtteil von New Baghdad ermordet werden, darunter auch zwei Nachrichtenmitarbeiter von Reuters. Für diese Veröffentlichung geheimen Materials wollen die USA Assange vor ein US-Gericht stellen. Assanges Taten hätten die US-amerikanische nationale Sicherheit gefährdet und die namentlich genannten Personen einer großen Gefahr ausgesetzt, hieß es wiederholt von US-amerikanischer Seite.

US-Justiz sieht wohl Deal für Julian Assange vor

Laut des aktuellen Berichts im „Wall Street Journal“ soll das US-Justizministerium nun aber planen, die derzeit 18 Anklagen nach dem Spionagegesetz fallenzulassen, falls sich Assange für ein geringeres Vergehen, nämlich den Missbrauch geheimer Dokumente, schuldig bekennen sollte. Letzteres gilt als eine Art Ordnungswidrigkeit. Ein derartiger Deal könnte – laut der US-Zeitung – wohl vollendet werden, ohne dass Assange in die USA ausgeliefert werden müsste. Da er bereits fünf Jahre Haft in Großbritannien hinter sich hat, würde er damit vermutlich bald freikommen.

Protesters demanding to free Julian Assange march to Downing Street at the end of a two-day hearing at the Royal Courts of Justice in London, Wednesday, Feb. 21, 2024. The 52-year-old WikiLeaks founder Julian Assange has been fighting extradition for more than a decade, including seven years in self-exile in the Ecuadorian Embassy in London and the last five years in a high-security prison. (AP Photo/Kin Cheung)

Protesters demanding to free Julian Assange march to Downing Street at the end of a two-day hearing at the Royal Courts of Justice in London, Wednesday, Feb. 21, 2024. The 52-year-old WikiLeaks founder Julian Assange has been fighting extradition for more than a decade, including seven years in self-exile in the Ecuadorian Embassy in London and the last five years in a high-security prison. (AP Photo/Kin Cheung)

Großbritannien könnte ihn in der Folge dann in sein Heimatland Australien abschieben, wo sich die Regierung offen für Assange einsetzt. Australische Parlamentarierinnen und Parlamentarier – darunter auch Australiens Premierminister Anthony Albanese – stimmten Anfang des Jahres mit überwältigender Mehrheit dafür, dass die USA und Großbritannien dem Wikileaks-Gründer die Heimkehr ermöglichen sollten.

Laut eines Berichts der britischen Zeitung „The Guardian“ weiß Assanges Anwaltsteam jedoch offiziell nichts von den US-amerikanischen Bemühungen, über die das „Wall Street Journal“ berichtet. Barry Pollack, einer von Assanges Verteidigern, lehnte es zudem als „unangemessen“ ab, sich zu äußern, während der Fall von Assange nach wie vor vor dem Obersten Gerichtshof in Großbritannien verhandelt werde.

Altes Gesetz aus Kriegszeiten

Eine Entscheidung des Gerichts, ob Assange gegen seine drohende Auslieferung in die USA Berufung einlegen darf, soll in den kommenden Wochen fallen. Sollte das Gericht gegen ihn urteilen, kann er in Großbritannien selbst keine weiteren juristischen Schritte mehr unternehmen. Seine einzige Hoffnung wäre dann nur noch, sich an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu wenden. In den USA, wo er nach dem Espionage Act von 1917 strafrechtlich verfolgt werden kann, drohen ihm bis zu 175 Jahre Haft, sollte es nicht zu einem Deal kommen. Das heißt, Assange würde ohne Frage im Gefängnis sterben.

Laut Amnesty International wurde das Gesetz, das noch aus Kriegszeiten stammt, noch nie zuvor „zur Bestrafung der legitimen Arbeit“ von Verlegern und Journalisten eingesetzt. Die US-Regierung unter dem früheren demokratischen Präsidenten Barack Obama hatte sich zunächst auch gegen eine Anklage von Assange entschieden, da dies als ein Angriff auf die Pressefreiheit gewertet werden könnte. Doch unter dem republikanischen Nachfolger Donald Trump, der bei den anstehenden US-Wahlen nun erneut für die Republikanische Partei kandidiert, wurde die Anklage im Jahr 2019 neu aufgelegt.