AboAbonnieren

Duell mit ModeratorKamala Harris liefert sich bei rechtem Sender Fox News Schlagabtausch – entscheidende Frage bleibt offen

Lesezeit 4 Minuten
16.10.2024, USA, Washingtoner Kreuzung: Die demokratische Präsidentschaftskandidatin und US-Vizepräsidentin Kamala Harris spricht bei einer Wahlkampfveranstaltung im Washington Crossing Historic Park.

Die demokratische Präsidentschaftskandidatin und US-Vizepräsidentin Kamala Harris spricht bei einer Wahlkampfveranstaltung im Washington Crossing Historic Park.

Eigentlich wollte Kamala Harris beim rechten Sender Fox News um die Unterstützung von moderaten Republikanern werben. Doch das Interview entwickelte sich schnell zu einem konfrontativen Schlagabtausch.

In jüngster Zeit ist Donald Trump mit dem rechten Sender Fox News öfter unzufrieden. Zu ausführlich lasse der Murdoch-Kanal seine politischen Gegner zu Wort kommen, beschwert sich der Ex-Präsident. Am Donnerstag aber bedankte sich der 78-Jährige mit einem Lob: „Beim Interview mit der lügenden Kamala Harris hat Bret Baier einen großartigen Job gemacht“, postete er auf seiner Plattform „Truth Social“.

Wenige Stunden zuvor hatte sich Harris eine halbe Stunde lang den Fragen des Moderators gestellt, der in der Riege der Fox-Propagandisten als vergleichsweise gemäßigt gilt. Doch mangelnde Härte wollte sich Baier offenbar nicht nachsagen lassen, und so geriet das Gespräch schnell zu einem regelrechten Duell. Mit einer Reihe hartnäckiger Fragen zur Einwanderungspolitik brachte Baier die demokratische Präsidentschaftskandidatin anfangs arg in die Defensive. Doch irgendwann konterte Harris mit eisigem Blick: „Sie müssen mich ausreden lassen. Ich versuche gerade, auf ihr Argument einzugehen.“ Der Moderator schien verdattert. „Yes, Ma'am!“, erwiderte er kleinlaut.

Auch von demokratischer Seite gab es daher anschließend offiziell lautstarkes Lob - allerdings für Harris. „Ich bin wirklich stolz, wie sie ihre Positionen dargelegt hat“, erklärte der eloquente Verkehrsminister Pete Buttigieg in einem anderen Interview: „Das war eine Demonstration von Stärke.“

Moderator bringt Harris bei Fragen zur Einwanderungspolitik in die Defensive

Tatsächlich war Harris in den vergangenen Wochen von den amerikanischen Medien massiv für ihre extrem vorsichtige Öffentlichkeitsarbeit kritisiert worden. Anders als ihr Rivale Donald Trump hat sich die 59-Jährige lange nicht von klassischen Medien interviewen lassen und keine Pressekonferenz gegeben. Auf dem Parteitag der Demokraten in Chicago und auch später umgab sie sich vor allem mit Influencern, die auf ihren Online-Kanälen weitgehend distanzlose Werbebotschaften transportieren. Ihre Antworten auf Fragen nach ihren Überzeugungen und ihrem Programm klingen stets taktisch genau kalibriert.

Erst in den vergangenen Tagen ist Harris etwas aus der Deckung gekommen. Doch wirklich kritisch wurde sie weder in der CBS-Sendung „60 Minutes“ noch beim Late-Night-Talker Stephen Colbert und schon gar nicht in dem Podcast „Call Her Daddy“ angegangen, der vor allem von jungen Frauen gehört wird. Alle diese Auftritte zielten im wesentlichen auf die Mobilisierung der eigenen Anhängerschaft. Mit dem Interview bei Fox News betrat Harris also zum ersten Mal echtes mediales Feindesland.

Kritik an Harris für ihre vorsichtige Öffentlichkeitsarbeit

Ob man das heftige Wortgefecht mit Baier als Erfolg oder Misserfolg wertet, hängt von der Blickweise ab. Die Kandidatin, die von ihrem Ehemann Doug Emhoff als „badass woman“ (knallharte Frau) angepriesen wird, bot dem Moderator nach den ersten Minuten zunehmend konfrontativ und entschieden Paroli. „Ich bin noch nicht fertig!“ und „Dürfte ich bitte ausreden?“ konterte sie immer wieder seine Nachfragen.

Ihren wohl stärksten Moment hatte sie, als es um Trumps Ankündigung ging, „den Feind im Inneren“ mit dem Militär zu bekämpfen. Da spielte Baier einen Videoschnipsel ein, in dem Trump seine ungeheuerliche Drohung kleinredete. „Bei allem Respekt“, widersprach Haris: „Das ist nicht der richtige Clip.“ Ernst und entschlossen warnte sie vor den Gefahren einer zweiten Präsidentschaft des Demokratieverächters.

Harris bietet Fox-Moderator Paroli

Das kam bei ihren Anhängern sehr gut an. Doch eigentlich ist Harris' strategisches Ziel gerade ein anderes: Sie will (und muss) unentschlossene Wähler und moderate Republikaner auf ihre Seite ziehen. Umfragen zeigen, dass viele Amerikaner mit ihrer Unterstützung zögern, weil sie immer noch zu wenig über die Politikerin und ihre wirklichen Ziele wissen. Harris müsse den Fox-Zuschauern daher möglichst viel von sich zeigen und nicht zentral auf Trump einschlagen, hatten Politikberater vor der Sendung geraten.

Doch bei dieser Aufgabe versagte die Demokratin. Bei dem für konservative Zuschauer zentralen Einwanderungsthema scheute sie eine Distanzierung von der früheren Biden-Politik und konnte ihre eigene Kehrtwende zu einem härteren Kurs nicht erklären.

Harris muss moderarte Republikaner auf ihre Seite ziehen

Auf die Frage, weshalb die Mehrheit der Amerikaner Trump beim Thema Wirtschaft mehr trauen als ihr, gab sie nur die Standardantwort, ihre Pläne wiesen in die Zukunft, während der Republikaner Steuersenkungen für Reiche plane. „Mehr als 70 Prozent der Amerikaner sagen, das Land bewegt sich in die falsche Richtung“, wandte Baier schließlich ein. Was Harris, die in den vergangenen dreieinhalb Jahren Vizepräsidentin gewesen sei, dazu sage? „Und Donald Trump hat sich (in der Zeit, d. Red.) für das Amt beworben.“, erwiderte sie krude.

Bewusst vermied Harris eine inhaltliche Distanzierung vom amtierenden Präsidenten, sagte dann aber irgendwann: „Lassen Sie mich ganz klar sagen, dass meine Präsidentschaft keine Fortsetzung der Präsidentschaft von Joe Biden sein wird.“ Vielmehr verkörpere sie eine neue Generation und wolle „frische, neue Ideen“ einbringen. Gerne hätte man darüber mehr erfahren. Doch die Harris-Berater im Hintergrund drängten: Man müsse weiter. So endete das Interview nach 30 Minuten mit dem Hinweis der Kandidatin, mehr über ihre Pläne könne man auf ihrer Webseite nachlesen. Ob damit viele konservative Fernsehzuschauer überzeugt wurden, wird sich bei den Umfragen in den nächsten Tagen zeigen. (rnd)