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Karikaturist Heiko Sakurai„Olaf Scholz macht mir viel Spaß“

Lesezeit 5 Minuten
Neues Selfie der Fortschritte-bei-Abschiebungen-Koalition

Neues Selfie der Fortschritte-bei-Abschiebungen-Koalition

Heiko Sakurai, langjähriger Karikaturist des Kölner Stadt-Anzeiger, über sein neustes Bild und darüber, wie sich seine Arbeit verändert hat.

Herr Sakurai, wie kamen Sie auf Ihre aktuelle Karikatur?

Wenn Sie sich an die Anfänge der Ampel 2021 erinnern, dann begann atmosphärisch alles mit einem Selfie führender Politiker von Grünen und FDP nach Sondierungsgesprächen über eine Koalition, die dann als „Koalition des Fortschritts“ antrat. Wir wissen alle, was seitdem passiert ist: Es begann der der Ukraine-Krieg, und seither jagt ein Schlamassel das nächste.

Sie spielen im Bild mit einem Bild?

Ich habe nach einem Ausdruck dafür gesucht, was vom Aufbruch übrig ist – mit einem neuen Selfie der Koalitionäre als Polizisten, die nach dem Anschlag von Solingen in einer neuen, harten Realität angekommen sind – mit Abschiebungen und verschärfter Migrationspolitik.

Guckt Robert Habeck deshalb so griesgrämig? Und hat Olaf Scholz deshalb die Augen geschlossen?

Beim Kanzler ging es mir um das schlumpfige Scholz-Gesicht, und bei Habeck dachte ich tatsächlich: Er trägt das jetzt alles mit, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass er sich darüber freut.

Wir Karikaturisten stellen uns Fragen, die uns vor - sagen wir - 30 Jahren nicht gekommen wären.
Heiko Sakurai

Sie haben vor mehr als 30 Jahren mit dem Karikieren begonnen. Ist das Geschäft die Jahre generell schwieriger geworden?

Die Atmosphäre für Satire insgesamt ist schwieriger geworden. Altmeister Harald Schmidt zum Beispiel hat gesagt, er hätte heute keine Lust mehr zu so etwas wie seinem Latenight-Talk. Auch wir Karikaturisten stellen uns Fragen, die uns vor – sagen wir – 30 Jahren noch nicht gekommen wären.

Was für Fragen? Und gab es eine Zäsur?

Der entscheidende Einschnitt für mich war der 11. September 2001 mit dem islamistischen Terroranschlag auf das World Trade Center. Von da an ging es Richtung Kulturkampf, mit einer realen Bedrohung – auch für Künstler: Darf man noch ungestraft Witze über Religion machen? Es folgten 2005 die Mohammed-Karikaturen mit den Morddrohungen gegen meinen dänischen Kollegen Kurt Westergaard und zehn Jahre später der Mordanschlag auf das französische Satire-Magazin Charlie Hebdo. Dazu kommen die Aggressionen, die durch die sozialen Medien massiv angeheizt werden. Dadurch gerät man auch als Karikaturist viel schneller ins Fadenkreuz mindestens verbaler Angriffe. Das hat eine ganz andere Qualität als früher.

Mein Ansatz ist nicht Exekution und Fallbeil.
Heiko Sakurai

Damit stellt sich die Frage: Was darf Satire – noch?

Auch das hat sich durch die Diskussionen über Minderheitenrechte und Identitätspolitik verschoben. Nicht diskriminiert zu werden, ist ein richtiger und wichtiger Anspruch, der aber mit Meinungsfreiheit und Satire kollidieren kann.

Drehen Sie mit der Frage nach möglicher Diskriminierung bei Ihrer Arbeit eine Kontrollschleife im Kopf?

Das trifft es ganz gut.

Und fühlen Sie sich dadurch eingeengt?

Schon. Allerdings ist dieses Moment der Selbstkontrolle ohnehin Teil meines Charakters. Ich gehöre nicht zu denen, die die volle Härte dessen ausnutzen, was in der Karikatur möglich wäre. Mein Ansatz ist nicht Exekution und Fallbeil. Bei Kollegen wie denen von Charlie Hebdo kann ich sehr wohl darüber lachen. Meistens jedenfalls. Aber selbst wenn nicht, würde ich immer sagen: Sie haben das Recht auf ihre Art von Humor.

Das Maß an Unbekümmertheit schwindet.
Heiko Sakurai

Trotzdem bejahen Sie ein Gefühl der Einengung.

Ich merke jedenfalls, dass das Maß an Unbekümmertheit schwindet. Das finde ich einerseits schade. Andererseits verbannen wir bestimmte Begriffe wie das N-Wort aus dem öffentlichen Diskurs und auch aus der Literatur. Und das aus gutem Grund, wie ich finde. Dann muss ich als Zeichner aber doch auch überlegen, ob ich einen anonymen Afrikaner mit Gummireifenlippen zeichne.

Wie ziehen Sie die Grenze zwischen erlaubtem Stereotyp und unerlaubtem Stigma?

Das ist genau die Schwierigkeit. Die „New York Times“ hat sich ihr entzogen, indem sie seit ein paar Jahren gar keine Karikaturen mehr veröffentlicht. Ich finde das richtig schlimm, weil die vielleicht wichtigste Zeitung der Welt dem Format der politischen Karikatur das Vertrauen entzogen hat, einen journalistisch-aufklärerischen Beitrag leisten zu können.

Wenn man eine x-beliebige schwarze Person mit Gummireifen-Lippen versieht, ist das rassistisch.
Heiko Sakurai

Wie kam es zu diesem Vertrauensverlust?

Auslöser war, soweit ich mich erinnere, eine Zeichnung mit Donald Trump und Benjamin Netanjahu. Voraus gegangen war eine landesweite hitzige Diskussion über eine Karikatur aus dem Jahr 2018, mit der die Tennisspielerin Serena Williams für unsportliches Verhalten im Finale der US Open kritisiert wurde.

Was war das Problem?

Die Kontroverse entzündete sich an der Frage, ob Williams‘ Gesichtszüge, Frisur und Körperbau einfach nur in der für Karikaturen charakteristischen Weise überzeichnet waren – oder ab sich darin rassistische Stereotype gegen Schwarze Bahn brachen.

Was denken Sie?

Ich finde, wenn man eine x-beliebige schwarze Person mit bestimmten Merkmalen versieht wie den besagten dicken Lippen, Kraushaar-Mähne und so weiter, dann ist das rassistisch. Wenn ich mir aber eine bestimmte Person vornehme, die nun mal aussieht, wie sie aussieht, muss ich sie auch so zeichnen dürfen. Sonst bekommen am Ende ausgerechnet diejenigen, die Stereotype benutzen, um auszugrenzen und zu diskriminieren, auch noch Recht.

Wer oder was macht Ihnen zurzeit beim Zeichnen am meisten Spaß?

Früher habe ich total gern Angela Merkel gezeichnet, davor Gerhard Schröder. Inzwischen macht mir auch Olaf Scholz viel Spaß. Das sind schon Typen irgendwie, alle drei. Auch Scholz.

Das Gespräch führte Joachim Frank


Heiko Sakurai bei „frank&frei“

Was darf Karikatur? Diese Frage bespricht Heiko Sakurai mit Joachim Frank im Talk „frank&frei“ des „Kölner Stadt-Anzeiger“. Sakurai erzählt anhand zahlreicher eigener Karikaturen über seine Arbeit.

Mittwoch, 4. September, um 19 Uhr in der Karl-Rahner-Akademie, Jabachstraße 4-8, 50676 Köln. Eintritt 10 Euro (ermäßigt und mit KStA-ABOCARD 5 Euro). Anmeldung per Telefon 0221/801078-0 oder per Mail info@karl-rahner-akademie.de