Bis zur Entscheidung des stramm rechten US-Verfassungsgerichts dient das Urteil Möchtegern-Autokraten als willkommenes Opfernarrativ.
Kein Grund zum JubelnWarum das Colorado-Urteil Trumps Präsidentschaftskandidatur nicht stoppen wird
Wirklich? Bei genauerem Hinsehen bietet das Urteil des Obersten Gerichts des Bundesstaats keinen Anlass zum Jubeln. Rechtlich tritt die Streichung des Ex-Präsidenten vom Wahlzettel ohnehin erst in Kraft, wenn bis zum 4. Januar niemand den Supreme Court in Washington angerufen hat. Die Trump-Kampagne hat umgehend Berufung angekündigt. Viel spricht daher dafür, dass die Entscheidung für Monate auf Eis liegt, bevor sie mutmaßlich vom stramm rechten US-Verfassungsgericht ganz gekippt wird.
Für Trumps Opfernarrativ ist das Urteil aus Colorado willkommenes Material
Schwerer noch wiegen die politischen Bedenken gegen den Ausschluss des führenden republikanischen Bewerbers von den Wahlen. Zwar kann kein Zweifel daran bestehen, dass Trump den Putschversuch im Januar 2021 angefacht hat, doch verurteilt ist er noch nicht. Seither aber hat sich der Ex-Präsident weiter dramatisch radikalisiert. Er hetzt immer hemmungsloser gegen Minderheiten, nutzt faschistische Sprachbilder und kokettiert mit einer Diktatur. Seine Anhänger stört das nicht.
Trump ist ein Demagoge, ein Brandstifter, der sich selbst als Opfer stilisiert. Das Urteil aus Colorado liefert ihm dafür willkommenes Material. Tatsächlich droht der Rechtspopulist bei einer Wiederwahl die Demokratie zu zerstören. Das muss mit aller Kraft verhindert werden. Doch mit juristischen Winkelzügen und Verfassungszusätzen aus der Bürgerkriegszeit wird das nicht gelingen. Den politischen Horror kann nur der Souverän beenden – die amerikanischen Wähler.