Der frühere Sicherheitsberater Keith Kellogg wird Trumps künftiger Ukraine-Gesandter. Der nüchterne Ex-General will den Frontverlauf einfrieren und beide Parteien an den Verhandlungstisch zwingen. Kiew würde weitere US-Waffen erhalten, soll aber bis auf Weiteres auf eine Nato-Mitgliedschaft verzichten müssen.
Trumps Sonderbeauftragter KelloggDer Mann, der nicht Grenell heißt
Im Fox-News-Studio war die Empörung groß. „Das Weiße Haus sagt mal wieder nichts“, schimpfte Moderator John Roberts nach der Freigabe weitreichender US-Raketen für ukrainische Angriffe auf Ziele in Russland in der vorigen Woche: „Warum macht Biden das jetzt? Er kippt Trump das Problem vor die Tür.“ Doch der Studiogast reagierte anders als erwartet. „Trump hat Biden damit einen größeren Hebel gegeben“, erwiderte Keith Kellogg ruhig. „Wirklich?“, stammelte der perplexe Moderator: „Das ist interessant.“
Viel weiß die amerikanische Öffentlichkeit nicht über den weißhaarigen Mann mit der randlosen Brille, der den Interviewer mit seiner Antwort erkennbar überraschte. „Er war von Anfang an auf meiner Seite“, hob der neue Präsident Donald Trump am Mittwoch in einem Online-Post hervor. Tatsächlich wirkte Kellogg schon im Wahlkampf 2016 als sein außenpolitischer Berater. Nun soll der inzwischen 80-jährige Ex-General – ein Trump-Loyalist ohne markantes eigenes Profil – als Sondergesandter für die Ukraine und Russland eine zentrale Rolle bei der Beendigung des seit fast drei Jahren tobenden Krieges spielen.
Wie Kellogg den Krieg beenden will
Bei manchem Beobachter in Europa löst die Personalie spontan vor allem deshalb eine gewisse Erleichterung aus, weil Trumps Wahl nicht auf Richard Grenell fiel. Der Ex-Botschafter, der mit seiner extrem undiplomatischen Art während seiner Dienstzeit in Deutschland viel Porzellan zerschlagen hatte, war in verschiedenen Medien als Favorit gehandelt worden. Im Vergleich zu dem schneidigen Provokateur wirkt Kellogg, der im Vietnam- und im Golfkrieg gekämpft und später als Nationaler Sicherheitsberater für Ex-Vizepräsident Mike Pence gearbeitet hat, deutlich erfahrener und besonnener.
Trump hat im Wahlkampf immer wieder die amerikanische Militärhilfe für die Ukraine kritisiert und versprochen, den Krieg in kurzer Zeit zu beenden. Details nannte er freilich nicht, weshalb viele Experten in Europa fürchten, der neue Präsident könne mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin einen Deal zulasten der Ukraine schließen. Bei der Nominierung von Kellogg erklärte er nun: „Gemeinsam werden wir FRIEDEN DURCH STÄRKE sichern.“
Das passt zu einem rund 30-seitigen Papier, das Kellogg im April mit einem Kollegen bei der Trump-nahen Denkfabrik „America First Policy Institute“ verfasste. „Amerika zuerst, Russland und die Ukraine“ lautet der eher unoriginelle Titel der Ausarbeitung, die einen Waffenstillstand unter Einfrieren der Kampflinien und den Beginn von Friedensgesprächen vorsieht. „Wir sagen den Ukrainern: ‚Ihr müsst an den Verhandlungstisch kommen. Sonst trocknet die Hilfe von den Vereinigten Staaten aus‘. Und wir sagen Putin: ‚Du musst an den Verhandlungstisch kommen. Sonst geben wir den Ukrainern alles, was sie brauchen, um Dich auf dem Schlachtfeld zu erledigen‘“, fasste Kellogg in einem Interview den Kerngedanken zusammen.
Ukraine soll „aus einer Position der Stärke“ verhandeln
Aus falscher Angst vor einer Eskalation habe Präsident Biden die Ukraine lange nicht robust genug mit Flugzeugen, Panzern und weitreichenden Raketen unterstützt und gleichzeitig in der Diplomatie mit dem Kreml versagt, heißt es in dem Papier. „Die erste Voraussetzung für einen America-First-Ansatz ist ein kompetenter und entschlossener Commander-in-Chief.“ Der Satz liest sich wohl nicht zufällig wie eine Grußadresse an Trump.
Die Ukraine solle „aus einer Position der Stärke“ verhandeln, wird in dem Papier versichert. Deshalb würden die USA sie nach einem Waffenstillstand weiter mit Waffen zur Verteidigung und zur Verhinderung eines weiteren Vorrückens der russischen Truppen versorgen. Diese Zusage soll aber nur gelten, wenn Kiew an den Friedensgesprächen teilnimmt. Auf der anderen Seite soll Putin mit der brisanten Zusage an den Verhandlungstisch gelockt werden, dass die von Präsident Wolodymyr Selenskyj angestrebte Nato-Mitgliedschaft der Ukraine „für einen längeren Zeitraum“ vom Tisch sei.
Laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters haben Kellogg und sein Kollege Fred Fleitz im Juni Trump ihren Plan vorgestellt. „Ich behaupte nicht, dass er mit jedem Wort übereinstimmt“, berichtete Fleitz anschließend, „aber wir sind mit der Reaktion sehr zufrieden.“ Dafür spricht die durchaus überraschende Berufung von Kellogg. Nicht immer hat der frühere Sicherheitsberater von Mike Pence nämlich bedingungslos an Trumps Seite gestanden: Im Untersuchungsausschuss zum Kapitolsturm bestätigte er, dass hochrangige Mitarbeiter Trump frühzeitig zu einem Einschreiten gegen den randalierenden Mob gedrängt hätten, dieser jedoch nichts unternommen habe. Andere Berater hat Trump wegen ähnlicher Aussagen geschasst. Kellogg betraut er mit seiner wohl wichtigsten außenpolitischen Aufgabe.
In der Ukraine setzt der Ex-General nun auf eine Strategie der Deeskalation durch Eskalation. Biden hätte die weitreichenden ATACMS-Raketen „schon vor einem Jahr“ für den Einsatz gegen Russland freigeben müssen, kritisierte Kellogg in dem Fox-News-Interview: „Wenn man Krieg führt, führt man Krieg.“ Die neuen Waffen gäben Trump ein zusätzliches Druckmittel: „Er kann nun nach links oder nach rechts gehen.“