Eine Kita möchte nicht mehr den Namen der von den Nazis ermordeten Jüdin Anne Frank tragen. Die Empörung ist riesig, der Bürgermeister rudert zurück.
Eklat um KindertagesstätteKita will Anne Frank aus Namen streichen und löst hitzige Debatte aus
Eine Kindertagesstätte in Tangerhütte in Sachsen-Anhalt hat angekündigt, seinen Namen ändern zu wollen, und damit einen Eklat ausgelöst. Das Kuratorium der städtischen Einrichtung hat sich für die Tilgung des Namens Kindertagesstätte „Anne Frank“ ausgesprochen, wie die Lokalpresse berichtete.
Kita „Anne Frank“ will nicht mehr an berühmte Jüdin erinnern
Nach 53 Jahren soll die Einrichtung, die unter dem Motto „Mit- und Füreinander – Akzeptiere mich so wie ich bin“ geführt wird, künftig „Weltentdecker“ heißen. Dies sei „kindgerechter“ und würde „besser zum Konzept passen“, erklärte Bürgermeister Andreas Brohm (45, parteilos). Auch die Eltern der Kinder, die in der Einrichtung betreut werden, würden den Schritt begrüßen, hieß es in Lokalmedienberichten.
Noch zu DDR-Zeiten war die Kindertagesstätte Anfang der 1970er Jahre nach Anne Frank benannt worden und erinnerte seither an das 1929 in Frankfurt geborene Kind jüdischer Eltern. Anne Franks Familie floh nach der Machtergreifung von Adolf Hitlers NSDAP in die Niederlande und musste ab 1942 versteckt leben. 1945 starb Anne Frank im Alter von 15 Jahren im Konzentrationslager Bergen-Belsen, sie wurde von den Nazis nur rund zwei Monate vor Ende des Zweiten Weltkrieges ermordet.
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Anne Frank wurde zur weltbekannten Symbolfigur – Vorhaben der Kita stößt auf heftige Kritik
Ab dem 12. Juni 1942 schrieb Anne Frank bis zum August 1944 ein Tagebuch, ihre Einträge wurden später als „Tagebuch der Anne Frank“ veröffentlicht. Franks Aufzeichnungen, die schon in den 1950er Jahren zum meistverkauften Taschenbuch und meist aufgeführten Bühnenstück in der Bundesrepublik Deutschland wurden, machten das jüdische Mädchen weltberühmt.
Anne Frank wurde zu einer Symbolfigur gegen die Unmenschlichkeit des Völkermordes in der Zeit des Nationalsozialismus und zur Identifikationsfigur, weshalb Schulen, Bildungsstätten, Straßen und Kitas nach ihr benannt wurden. Die angestrebte Namensänderung der Kita „Anne Frank“ löste – inmitten der vermehrt registrierten antisemitischen Gewalttaten infolge des Nahost-Konflikts – eine hitzige Debatte aus.
Politiker und jüdische Verbände kritisieren Vorhaben der Kita „Anne Frank“
„Wie geschichtsblind kann man sein?“, kommentierte die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ). Auch Politikerinnen und Politiker schalteten sich ein. Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Sven Schulze (44, CDU) erklärte, die CDU im Stadtrat von Tangerhütte werde einer Umbenennung der Kindertagesstätte „Anne Frank“ „selbstverständlich nicht zustimmen“. „Nicht nur in der heutigen Zeit, sondern generell ist solch ein Vorschlag völlig abwegig, instinktlos und kleingeistig“, schrieb der Politiker auf X (vormals Twitter).
Das Internationale Auschwitz Komitee (IAK) schrieb bei X: „Wenn man die eigene Geschichte gerade in diesen Zeiten von neuem Antisemitismus und Rechtsextremismus so leichtfertig abzuräumen bereit ist und der Name von Anne Frank im öffentlichen Raum als ungeeignet wahrgenommen wird, kann einem im Blick auf die Erinnerungskultur in unserem Lande nur angst und bange werden“.
Der Geschäftsführende Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, Christoph Heubner, kritisierte die geplante Umbenennung in einem offenen Brief. Er mahnte an, die Entscheidung noch einmal zu überdenken. Seine Worte wurden inzwischen offenbar erhört.
Bürgermeister rudert bei Kita „Anne Frank“ plötzlich zurück
Wie die „Magdeburger Volksstimme“ am Montagmorgen berichtet, hat Tangerhüttes Bürgermeister Andreas Brohm (parteilos) überraschend zurückgerudert. Es sei demnach noch nichts entschieden, die Diskussionen liefen noch, „ohne dass aktuell eine Entscheidung darüber anstünde“, erklärte Brohm schriftlich.
Die Namensänderung sei „weit vor den aktuellen Diskussionen und Ereignissen […] bereits Anfang 2023“ erstmals diskutiert worden. Die Kita habe mit der Namensänderung einen „fundamentalen Neuanfang sichtbar“ machen wollen. Auf der Website der Kita finden sich keine weiteren Informationen zu dem Vorgang. Wie es in dem Fall weitergeht und bis wann mit einer Entscheidung zu rechnen ist, ist unklar.