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Kölner Jura-Professorin„Leihmütter sind keine Gebärmaschinen“

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Es gibt viele Halbwahrheiten rund um die Geburt - was stimmt wirklich?

  1. Die Leihmutterschaft ist in Deutschland verboten. Die Ampel-Koalition will das ändern.
  2. Frauke Rostalski, Strafrechtsprofessorin in Köln und Mitglied im Deutschen Ethikrat, begrüßt das. Im Interview erklärt sie die Gründe und erläutert ihre Vorstellung einer künftigen Regelung.
  3. Am 1. Juni um 18 Uhr findet zum Thema auch eine von Rostalski organisierte Zoom-Konferenz mit Expertinnen aus Rechtswissenschaft und Politik statt.

KölnFrau Professorin Rostalski, die Koalition will eine Legalisierung der Leihmutterschaft prüfen. Sie unterstützen dieses Vorhaben. Warum?

Frauke Rostalski: Weil die besseren Argumente für die bedingte Erlaubnis einer „altruistischen“ Leihmutterschaft sprechen. Hinter dem Verbot steht in erster Linie die Befürchtung, dass die Leihmutter keine freie, verantwortliche Entscheidung trifft. Das kann man durch Vorschriften für das Verfahren sehr gut absichern, so dass wir kein Verbot mehr brauchen. Dagegen beeinträchtigt ein solches Verbot die Freiheitsrechte sowohl der Eltern als auch der Leihmutter massiv – insbesondere das Recht auf freie Fortpflanzung.

Jura Professorin

Frauke Rostalski, Professorin für Strafrecht in Köln

Aber die Leihmutter pflanzt sich doch gerade nicht fort.

Auch das ist theoretisch möglich, wenn zum Beispiel Eizellen der Leihmutter verwendet werden dürften. Das allerdings zieht einen solchen Schwanz rechtlicher Probleme nach sich, dass wir gut daran tun, es mit Eizell- und Samenspenden der Eltern oder von Dritten bewenden zu lassen.

Was bedeutet „altruistische Leihmutterschaft“?

„Altruistisch“ meint den Ausschluss eines kommerziellen Interesses und einer geschäftsmäßigen Betätigung mit Entlohnung der Leihmutter. Ihr die entstehenden Aufwendungen zu erstatten, etwa für ärztliche Untersuchungen, steht auf einem anderen Blatt. Da hielte ich es für richtig, dass die Wunscheltern auch für die Kosten aufkommen.

Wer soll Leihmutter sein dürfen?

Es braucht eine freie, verantwortliche Entscheidung der Frau zu einer Leihmutterschaft. Dazu muss gehören, dass sie weiß, worauf sie sich einlässt. Ein Kriterium, um dies absichern, könnte darin liegen, dass sie selbst schon einmal ein eigenes Kind ausgetragen hat. Ich fände es daher sinnvoll, das zu einer Voraussetzung für die Leihmutterschaft zu erklären – neben anderen Verfahrensregeln.

Wie wollen Sie denn verhindern, dass Wunscheltern doch mit finanziellen Anreizen locken?

Die Gefahr einer Art Schattenwirtschaft ist nicht von der Hand zu weisen. Es gibt sie allerdings schon heute – in der hoch problematischen Form eines Leihmutter-Tourismus unter menschenunwürdigen Bedingungen. In einer globalisierten Welt können wir die Augen vor solchen Phänomenen nicht verschließen und so tun, als ginge uns das nichts an, weil wir in Deutschland ja unser schönes Verbot haben. Stattdessen sollten wir im eigenen Land Rahmenbedingungen schaffen, die den Leihmutter-Tourismus überflüssig machen. Verstöße gegen die entsprechenden Regeln kann man dann immer noch eigens sanktionieren.

Wenn Frauen künftig dafür herangezogen werden können, ein ungeborenes Kind anderer Leute auszutragen – kommt das dem bösen Begriff von der Frau als „Gebärmaschine“ nicht sehr nahe?

Ich kenne das Argument von konservativer Seite. Dagegen gebe ich zu bedenken, dass wir Frauen auch gestatten, ihren Körper gegen Geld zu verkaufen.

Gegen die Legalisierung der Prostitution kämpfen Feministinnen wie Alice Schwarzer seit Jahrzehnten.

Sie vertreten damit aber nicht die Mehrheit – und die Gesetzeslage ist nun mal eine andere. Für die rechtliche Bewertung der Leihmutterschaft gilt: Wenn eine erwachsene Frau für eine andere ein Kind zur Welt bringt und damit einem Menschen das Leben schenkt, dann finde ich es problematisch, das von vornherein negativ zu framen. Bei einer freiwilligen Entscheidung kann die Leihmutter auch nicht in ihrer Würde verletzt werden. Sie ist keine „Gebärmaschine“, sondern nimmt ihre Selbstbestimmung wahr. Das sollten wir als Gesellschaft akzeptieren.

Sollen Leihmutterschaften auch erlaubt sein, wenn die Wunschmutter die körperlichen Belastungen einer Schwangerschaft vermeiden will – zum Beispiel aus beruflichen Gründen?

Solche Lifestyle-Leihmutterschaften halte ich für sehr problematisch. Sie sollten auch weiterhin verboten bleiben. Hier droht sonst nicht zuletzt eine soziale Schieflage mit einer Zweiklassengesellschaft, in der sich die Gutsituierten eine Leihmutter nehmen, während die „normale Schwangerschaft“ dann eher etwas fürs „gemeine Volk“ ist. Um das zu vermeiden, sollten wir die altruistische Leihmutterschaft zum einen auf Fälle beschränken, in denen eine Frau aus medizinischen Gründen kein Kind bekommen kann, und zum anderen auf homosexuelle Paare.

Im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) steht: Mutter ist, wer das Kind zur Welt bringt. Das passt nun überhaupt nicht zur Idee der Leihmutterschaft.

Das stimmt. Aber diese Vorschrift ist exakt zum Ausschluss der Leihmutterschaft ins Gesetz gekommen. Würde diese jetzt legalisiert, dann hätte das natürlich Folgen für die gesellschaftliche Vorstellung von Elternschaft und für das Familienrecht. Und sinnvollerweise müsste auch die von Ihnen erwähnte Norm im BGB entsprechend verändert oder ganz gestrichen werden.

Eine Schwangerschaft lässt eine innere Bindung der Frau zum ungeborenen Kind entstehen. Das gilt auch für die Leihmutter. Und dann soll sie das Kind abgeben müssen?

Das ist ein gewichtiges Argument, das den Gesetzgeber zum Verbot der Leihmutterschaft veranlasst hat. Innere Konflikte für die Leihmutter sind ebenso wenig auszuschließen wie spätere Probleme des Kindes mit der eigenen Identität, wenn es von seiner Herkunft erfährt. Allerdings sind diese Gefahren laut Studien nicht so eindeutig und auch nicht so groß, wie Gegner der Leihmutterschaft es oft behaupten. Man könnte sie zudem mit familienrechtlichen Bestimmungen wie einem Umgangsrecht für die Leihmutter einhegen. Zudem dürfen wir Menschen – in diesem Fall Leihmüttern – freie Entscheidungen nicht allein deshalb verbieten, weil damit Risiken einhergehen. Das gilt selbst dann, wenn Risiken so groß wären, dass viele Menschen die Entscheidung als unvernünftig einstufen würden, denn: Selbst unvernünftige Entscheidungen gehören zur Freiheit des Menschen. Darüber haben wir doch auch in der Pandemie lang und breit debattiert.

Und aus der Perspektive des Kindes?

Hier würde ich sagen: Wenn ich mögliche psychische Probleme infolge der Geburt durch eine Leihmutter abwäge gegen die Tatsache, dass dasselbe Kind ohne Leihmutterschaft gar nicht existieren würde – dann ist meine Präferenz eindeutig.

Was ist, wenn die Wunscheltern das von der Leihmutter geborene Kind auf einmal nicht mehr haben wollen?

Dafür braucht es strikte Regeln. Es gab den Fall einer thailändischen Leihmutter, die ein Zwillingspärchen gebar, von denen das eine Kind das Downsyndrom hat. Die australischen Wunscheltern haben es einfach dagelassen. So etwas darf natürlich nicht sein.

Warum setzt man zur Erfüllung des Kinderwunschs nicht besser auf die Adoption? Verbindet sich mit der Leihmutterschaft nicht womöglich ein biologistisches Denken der Eltern, die „ihre Gene weitergeben“ wollen?

Eine Adoption ist in Deutschland nicht so einfach. Es gibt viele Elternpaare, die liebend gern ein Adoptivkind hätten, aber keines bekommen. Aus dieser Notlage entsteht ja gerade der Wunsch nach einer Leihmutterschaft. Unabhängig davon müssen wir anerkennen, dass die genetische Abstammung für viele Menschen eine hohe Bedeutung hat. Das mag man als „Biologismus“ geißeln. Trotzdem kommt man nicht daran vorbei, dass die Weitergabe der eigenen Gene für viele Menschen eine enorm große Rolle spielt. Deshalb wird das Recht auf genetische Fortpflanzung auch so hoch gehalten.

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Sie sprechen selbst eine Fülle von Problemen an, die sich mit der Leihmutterschaft verbinden. Warum sollte man sich all diese Probleme überhaupt aufhalsen, die es ohne eine Gesetzesänderung auch nicht gäbe?

Das Recht ist das Instrument, unser Miteinander als Gesellschaft zu gestalten. Je besser das Recht, desto besser kann auch das Miteinander gelingen. Im Fall der Leihmutterschaft geht es darum, auf Bedürfnisse der Gesellschaft einzugehen. Sollen und dürfen wir an bestehenden Regeln und den damit verbundenen Wertungen festhalten, wenn sie zunehmend an den gesellschaftlichen Anschauungen vorbeigehen oder – anders gesagt – immer weiter an Akzeptanz verlieren? Ich finde, nein.

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