Kölner Top-US-Manager Richenhagen im Interview„Trump war nie der Mann der Wirtschaft“
- Der gebürtige Kölner und ehemalige Religionslehrer Martin Richenhagen führt seit 16 Jahren einen der größten Landmaschinenkonzerne der Welt.
- Richenhagen hat Donald Trump persönlich kennengelernt und sagt über ihn: „Ich dachte, sein Auftreten wäre nur Teil seiner Show und privat hätte er mehr Tiefgang. Dem ist aber nicht so.“
- Außerdem spricht der Top-Manager über die Ansichten Joe Bidens, die Mauer zu Mexiko und sein Geheimnis für geschäftlichen Erfolg.
Herr Richenhagen, Sie als gebürtiger Kölner leben seit zwei Jahrzehnten in den USA und haben auch die US-Staatsbürgerschaft. Wie wird die US-Wahl am kommenden Dienstag ausgehen?Es ist ein grässlicher Wahlkampf. Ich kann nur sagen, dass es sehr knapp wird. Auch wenn Biden in allen Umfragen deutlich vorne liegt, sagt das meiner Einschätzung nach nicht viel aus. Viele potenzielle Trump-Wähler geben ihre Wahlabsichten in den Umfragen nicht zu. In meiner Branche arbeiten viele eher konservative Wähler. Sie unterstützen nicht zwingend Trump, wählen aber auch nicht die Demokraten. Das war bei der Wahl 2016 nicht anders. Auf die Frage, was sie wählten, sagten sie nicht Trump, sondern ABC, steht für All but Clinton (Alles außer Clinton). Aber das Ergebnis war dann natürlich Trump.
Wie beurteilen Sie als Top-Manager Donald Trump?
Martin Richenhagen: Er ist nie der Mann der Wirtschaft gewesen, für den er sich ausgibt. Er ist Immobilienmanager und in Deutschland vergleichbar mit dem „Baulöwen“ Jürgen Schneider. Trump war nie Mitglied der großen Wirtschaftsverbände wie etwa der mächtigen American Chamber of Commerce. Bekannt wurde er eher durch seine Fernsehshow. Er kann bei den Wählern auch deshalb punkten, weil er eine einfache Sprache spricht.
Sie haben ihn persönlich kennengelernt, wie haben Sie ihn erlebt?
Eines muss man ihm lassen, er ist sehr authentisch. Er redet im kleinen Kreis den selben Kram, den er auch per Fernsehen oder via Twitter von sich gibt. Ich dachte, sein Auftreten wäre nur Teil seiner Show und privat hätte er mehr Tiefgang. Dem ist aber nicht so. Und er hat keine guten Umgangsformen. Ich habe seine Tochter darauf angesprochen und dabei erfahren, dass man das in seiner Familie durchaus kritisch sieht. Aber Trump sei beratungsresistent, sagte sie.
Aber hat er nicht viele seiner Versprechen umgesetzt?
Trump denkt, er wäre ein super Dealmaker. Dabei hat er in seiner Amtszeit keine nennenswerten guten Regelungen auf den Weg gebracht. Etwa der Handelskrieg mit China, da ging der Schuss nach hinten los. Trump hat nicht damit gerechnet, wie sehr die Strafzölle der Chinesen die eigene Landwirtschaft treffen würden. Die Einbrüche bei Soja und Mais lagen bei rund 55 Milliarden Dollar. Das hat die Bauern und damit uns als Landmaschinenhersteller hart getroffen. Erst durch teure Subventionen konnte man die Stimmung wieder glätten.
Wie bewerten die Amerikaner die Mauer zu Mexiko?
Alle reden vom Problem der illegalen Einwanderer. Ich habe einen 25-Hektar-Hof, meine Nachbarn sind auch Landwirte. Sie haben inzwischen gemerkt, dass es durch die Mauer nun keine bezahlbaren Erntehelfer mehr gibt.
Hält denn seine Basis insgesamt trotzdem noch zu ihm?
Die Menschen, die das Gefühl haben, dass sich keiner für sie interessiert, und die Landbevölkerung, die sich abgehängt fühlt, sind diejenigen, die ihn unterstützen. Aber insgesamt schwindet die Begeisterung.
Halten die Amerikaner Trump denn zu Gute, dass er keine Kriege angefangen hat wie seine Vorgänger?
Das ist in der Tat ein Pluspunkt im Land. Die Rolle der USA als Weltpolizei gehört der Vergangenheit an, und kaum ein Amerikaner wünscht sie sich zurück. Die Amerikaner sind noch heute mit den Folgen ihrer Kriege viel stärker konfrontiert als wir es sind. Auf den Kriegerdenkmälern stehen nicht nur die Namen von Weltkriegsopfern wie bei uns. Dort finden sich auch die Daten der Toten aus dem Irak oder Afghanistan. Veteranen sind allgegenwärtig. Das wollen die Amerikaner nicht mehr. Und Trump steht auch dafür, so etwas nicht mehr zu wollen.
Was heißt das für Deutschland?
Das ist auch eine Chance. Nach der Wiedervereinigung waren die Alliierten darauf bedacht, ein militärisches Wiedererstarken Deutschlands zu unterbinden. Das hat sich geändert. Heute fordern sie einen Beitrag Deutschlands. Aber dem ist die Bundeswehr derzeit nicht gewachsen.
Zur Person
Martin Richenhagen ist gebürtiger Kölner. Er ist seit 2004 Chef der AGCO Corporation und lebt in Duluth (Georgia, USA). Seit 2011 besitzt er auch die Staatsbürgerschaft der Vereinigten Staaten.
Zunächst arbeitete Richenhagen als Lehrer für katholische Religion und Französisch am Gymnasium in Frechen. Nach seiner Verbeamtung entschloss er sich auf Anraten des BDI-Präsidenten Jürgen Thumann, den er vom Reitsport kannte, in die Wirtschaft zu wechseln.
Agco ist heute der drittgrößte Landmaschinenhersteller der Welt. Dazu gehören die in Deutschland wohl bekannteste Traktorenmarke Fendt, aber auch die Treckerbauer Massey Fergusson, Valtra und Challenger. Das Unternehmen beschäftigt weltweit fast 20.000 Mitarbeiter.
Der Sportler Richenhagen war lange Zeit als Dressurreiter aktiv. Im Jahr 2008 war er Equipechef der deutschen Dressurreiter beim CHIO Aachen und bei den Olympischen Reitersportwettbewerben in Hongkong. Richenhagen ist verheiratet und hat drei Kinder im erwachsenen Alter, die heute alle in den USA wohnen. (tb)
Es ist schon bezeichnend für das Heer, wenn die deutsche Verteidigungsministerin in der Ukraine anrufen muss, um sich eine Antonov-Maschine auszuleihen, um deutsche Truppenfahrzeuge in Krisengebiete zu bringen.
Das Verhältnis zwischen den USA und Deutschland hat sich abgekühlt und die außenpolitische Agenda hat sich insgesamt verschoben...
Früher war Deutschland Amerikas engster Verbündete, Trump sucht sich nun neue Freunde wie Nordkorea oder Russland...
Wie schätzen Sie Joe Biden ein?
In Deutschland genießt er sicher mehr Sympathien, aber wir haben eine etwas verzerrte Wahrnehmung. Biden ist ein weißer 77-jähriger Amerikaner. Auch er sagt „kauft amerikanische Produkte“, er zweifelt auch nicht am Zwei-Prozent-Rüstungsziel, und auch er wird das Freihandelsabkommen TTIP zwischen Europa und den USA nicht neu auflegen.
Sie sind Chef der Fendt- und Massey-Fergusson-Mutter Agco, einem der drei größten Landmaschinenhersteller. Unter Ihrer Führung wurde der Börsenwert vervielfacht. Wie haben Sie das gemacht?
Es ist die Kultur im Unternehmen, die man pflegt. Man muss den Mitarbeitern viel Spielraum lassen. Das ist ein Erfolgsrezept. Und ja, fleißig ist ohnehin jeder, es gehörte sicher auch Glück dazu.
Glyphosat könnte künftig verboten werden. Nutzt das Agco, weil die Bauern ohne Gift ihre Felder häufiger mechanische bearbeiten müssen und mehr Traktoren kaufen?
Die Sichtweise auf Glyphosat ist sehr deutsch. In den USA interessiert das keinen. Ich kenne Monsanto sehr gut. Bei der Anwendung wurden viele Fehler gemacht nach dem Motto „Viel hilft viel“. Richtig eingestellt ist der Einsatz nicht so dramatisch. Und doch kommt trotz dieser Fakten wohl ein Verbot in Deutschland. Ich habe mit Angela Merkel darüber am Rande persönlich gesprochen und kritisiert, dass in der Politik zu viele Emotionen eine Rolle spielen, und zu wenige Fakten. Aber sie hat mir das gut erklärt. Sie sagte: „In der Politik sind Emotionen Fakten“.
Sie gehen Ende des Jahres in den Ruhestand. Was hat Sie dazu bewegt aufzuhören?
Ich werde 68,5 Jahre alt sein, wenn ich in den Ruhestand gehe und habe den Job dann 16 Jahre gemacht. Es dürfte also niemand überrascht sein, wenn ich sage, jetzt ist es gut.
Welche Pläne haben Sie für Ihren Ruhestand?
Wir haben noch ein Haus im Kreis Warendorf und eine Wohnung in Berlin und wir werden wohl öfter als bislang in Deutschland sein. Aber wir haben vier Enkelkinder, das fünfte ist in Arbeit und die leben alle in Atlanta. Deshalb werden wir wohl nach wie vor mehr Zeit in den USA verbringen. Außerdem haben wir vier Pferde, zwei Ponys, Katzen und Hunde. Meine Frau wünscht sich noch Hühner, aber darüber diskutieren wir noch.